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Klimagas als Umweltengel

Chemie. - Durch Oxidationsvorgänge - beispielsweise in der Leber - können Schadstoffe entgiftet werden. Das gleiche Prinzip kann auch in der Reinigung von Abwasser angewendet werden. Gerade die Industrie nutzt immer häufiger Oxidationsprozesse, wenn die üblichen Verfahren nicht ausreichen.

Von Hellmuth Nordwig | 28.08.2006
    Oxidationsmittel bauen Schadstoffe im Wasser ab und desinfizieren es. Eines von ihnen wird deshalb auch dem Trinkwasser zugesetzt, nämlich Chlor. Doch das kommt für Industrieabwässer nicht in Frage, denn aus ihnen können bei der Behandlung mit Chlor Produkte entstehen, die giftiger sind als die Schadstoffe selbst.

    "Da muss man schauen, dass man mit der Oxidation nicht zu viele Nebenprodukte bildet, die wiederum toxisch sind."

    ... meint Dr. Achim Ried von der Herforder Firma ITT WEDECO. Das Unternehmen stellt Abwasser-Aufbereitungsanlagen her und hat speziell für die Industrie ein neues, umweltfreundlicheres Reinigungsverfahren entwickelt, das ohne Chlor auskommt. Es nutzt Ozon, eine Verbindung aus drei Sauerstoffatomen. Eben jenes Ozon, das sich im Sommer bei zu viel Verkehr in den Städten bildet. Wer da schon mal rote Augen hatte, hat die Oxidationskraft des Ozons am eigenen Leib gespürt.

    "Wir nehmen dieses Gas Ozon, stellen es in einem so genannten Ozongenerator her. Und dieses Gas muss ich ja mit dem Wasser in Verbindung bringen, also ich brauche neben dem Ozongenerator auch ein Reaktionssystem, in dem ich Gas und Wasser mischen kann. Dann reagiert Ozon im Wasser mit den Schadstoffen ab. Ich designe das in der Regel so, dass alles eingetragene Ozon vermischt wird und abreagiert und das Ablaufwasser ozonfrei ist und frei von den Schadstoffen, dass keine schädlichen Stoffe in die Umwelt gelangen. "

    Bei der Reaktion mit Ozon werden Sauerstoffatome an die Schadstoffe angehängt, die dadurch entgiftet werden. Das Verfahren eignet sich für so genannte organische Chemikalien, das sind solche auf Kohlenstoffbasis. Dazu zählen zum Beispiel Farbstoffe aus der Textilindustrie oder übel riechende Nebenprodukte der Chemiebranche. Ozon reinigt auch das Abwasser aus der Papierherstellung, das Kühlwasser aus Kraftwerken, und selbst das große Sorgenkind der Mülldeponien: das so genannte Sickerwasser. Es wird durch den Regen aus der Deponie ausgewaschen und enthält hohe Menge oft unbekannter Schadstoffe. Deswegen darf es nicht ins Grundwasser gelangen und muss gesammelt und aufbereitet werden. Dabei gilt aber genau wie bei den Abwässern aus der Industrie: Es ist nicht immer sinnvoll, die Schadstoffe restlos zu vernichten, sagt Achim Ried.

    "Theoretisch könnte man bis auf Null runter oxidieren. Das muss man sich so vorstellen, dass dieses organische Molekül aufoxidiert wird, das heißt zum Kohlendioxid, wie beim Verbrennungsprozess in Gasform überführt wird, und man könnte es komplett aufoxidieren. Das wäre aber für viele Fälle so aufwändig, man bräuchte so eine hohe Menge an Oxidationsmittel und Energieaufwand, dass es nicht ökonomisch ist."

    In der Industrie genügt es aber häufig, den größten Teil der Verunreinigungen zu entfernen - zum Beispiel, weil so ein bestimmter Grenzwert eingehalten wird. Oder weil der Betrieb das Wasser in einem anderen Prozess erneut verwendet und es dazu nicht in der höchsten Reinheitsstufe braucht. Wo dennoch eine möglichst gute Reinigung wichtig ist, kombiniert die Industrie Ozon auch mit anderen Oxidationsmitteln. Zum Beispiel mit Wasserstoffperoxid. Auch die Kombination mit UV-Bestrahlung, mit Filtrationsverfahren oder mit dem biologischem Abbau ist möglich.

    "Wenn man in der heutigen Zeit schaut, wie sind solche Aufbereitungsprozesse designt und geschaltet, dann sieht man, dass in der Regel verschiedene Verfahren kombiniert werden müssen, weil eines allein es in der Regel nicht schafft oder zu aufwändig wäre. Also man muss die Vorteile der verschiedenen Verfahren, der biologischen Systeme, der Filtration und der Oxidation sinnvoll nutzen, man muss wissen, wo sind die Stärken der einzelnen Verfahren, und sie sinnvoll in einem Aufbereitungsprozess kombinieren, um ökonomisch die Behandlung zu bewerkstelligen. "

    Immer noch gelangen mancherorts Chemikalien unbehandelt in die Kanalisation. Zum Beispiel die Medikamentenrückstände aus Krankenhäusern. Auch sie können durch Oxidation unschädlich gemacht werden. Derzeit entsteht dazu die erste Pilotanlage.