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Klimakiller Secondhand-Klamotten?

Hätten sie auch mal gerne wieder ne neue Couch, weil die alte doch schon seit Jahren gleich aussieht? Oder neue Klamotten vom angesagten Designer? Sie müssen ja nicht wirklich neu sein, denn neues Gebrauchtes ist auch eine feine Sache. Und ein bisschen auch im Trend - spätestens, seit es nicht mehr nur den schnöden Flohmarkt um die Ecke, sondern Online-Auktionshäuser mit riesigem Angebot gibt. Aber ist das eigentlich alles auch umweltfreundlich? Mit dieser Frage befasst sich eine Frankfurter Soziologin.

Von Antje Sieb | 05.09.2008
    Mama und Papa studieren noch, aber die Kinder tragen Designerklamotten. Zumindest welche aus der letzten Saison. Und die Lehrbücher waren auch ganz billig. Wie das klappt? Ganz einfach: nichts davon ist neu, alles ist gebraucht. Vom Flohmarkt, aus dem Second-Hand Shop, und aus dem Internet-Auktionshaus. Vom einen abgelegt, drehen die Sachen noch eine zweite und dritte Runde bei neuen Besitzern. Dieser Trend ist für die Umwelt an sich eine feine Sache, meint Soziologie-Professorin Birgit Blättel-Mink von der Universität Frankfurt.

    "Wir gehen davon aus, dass die Produkte länger gebraucht werden, und dadurch dass sie länger leben, bevor sie in den Müll geworfen werden, dass sie dadurch einen Beitrag zur Nachhaltigkeit leisten, ja."

    Ganz nebenbei spart es auch noch Geld. Denn Gebrauchtes ist im Allgemeinen günstiger als Neues, man kann sich Dinge leisten, die sonst unerschwinglich wären. Zum Beispiel als Student die teuren Lehrbücher, meint der Frankfurter ASTA-Vorsitzende Jonas Erkel.

    "Vor allen Dingen in den Naturwissenschaften sind die Bücher, wenn man sie neu kauft, sehr, sehr teuer. Wenn man die dann gebraucht ersteht, und sie sind immer noch in sehr gutem Zustand, dann kann man da richtig Geld sparen.""

    Oder man macht es umgekehrt, wie Ex-Medizinstudent Tobias: die Bücher, die er für sein Lehramtsstudium nun nicht mehr braucht, wurden zu Geld gemacht.

    "Ich hab da auch teilweise Bücher über Ebay verkauft, und hab da auch gut was dafür gekriegt, also hat sich schon gelohnt dann."

    Ebay und andere Internet-Auktionshäuser sind Gebrauchtwaren-Marktplätze für Jedermann. Ob Online-Gebrauchtwaren allerdings so gut für die Umwelt sind wie der Flohmarkt von nebenan, oder sogar besser, das ist eine Frage, die Birgit Blättel-Mink und ihre Kollegen für die nächsten Jahre beschäftigen wird. Denn der Versand der Waren frisst Energie, und auch andere Details müssen eingerechnet werden.

    "Wir wissen auch noch nicht, wie lange sitzen die Leute vorm Computer...wie viel Energie, wie viel Stromverbrauch ist notwendig."

    Die jetzt beginnende Studie in Frankfurt und an den Berliner Instituten für Zukunftsstudien und Technologiebewertung und für Innovation und Nachhaltigkeit soll in Zusammenarbeit mit dem Auktionshaus ebay solche Fragen beantworten. Birgit Blättel-Mink erwartet zum Beispiel neue Erkenntnisse über Trendsetter, die ohne viel Geld immer auf der Höhe der Zeit sein wollen. Eine Gruppe zum Beispiel

    "Die alle zwei Jahre die Wohnungseinrichtung erneuert, über Kauf und Verkauf von Gebrauchtwaren, und damit modern ist, hip ist, und gleichzeitig nachhaltig."

    Auch auf einen anderen Trend hofft die Soziologin: Wer gebraucht ein- und verkauft, der muss auf Qualität achten. Denn nur ein gutes Gerät oder Möbelstück überlebt mehrere Besitzer in verkaufstauglichem Zustand. Wer schon beim Neukauf an den Weiterverkauf denkt, der kauft vermutlich anders ein.

    "Diese Idee des Massenkonsums, des Massenprodukts, würde etwas kompensiert, durch den Trend weniger aber teurere höherwertige Produkte zu kaufen, die eben länger leben - Möbel ist ein gutes Beispiel, wo man qualitativ hochwertige Produkte kaufen könnte, sie schonend behandeln und sie dann wiederzuverkaufen."

    Besonders vielversprechend erscheinen der Soziologin zwei Käufergruppen, die bereits klingende Namen erhalten haben: die überzeugten Auktionisten - meist jüngere Männer mit Hang zur Technik, und die aufgeschlossenen Secondhand-Käufer, oft Frauen, viele mit Kindern. Beide Gruppen kaufen bereits Gebrauchtes, und könnte man bei denen das Umweltbewusstsein vielleicht noch ein bisschen fördern - dann, glaubt Birgit Blättel-Mink, könnten Online-Gebrauchtwaren vielleicht eine echte Chance für die Umwelt sein.

    "Wir suchen sozusagen die Stellschrauben, um sie in Richtung Nachhaltigkeit zu stärken."

    Solche Stellschrauben könnten zum Beispiel umweltschonende Versandmöglichkeiten sein. Aber auch Schattenseiten der Online-Gebrauchtwaren sind durchaus denkbar. Wenn durch die Verlockungen des großen Angebots deutlich mehr gekauft wird als nötig, dann wäre das vermutlich wenig nachhaltig.