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Klimakonferenz
"Merkel ist der BDI-Gipfel wichtiger"

Es ist die größte Zusammenkunft von Staatenlenkern seit dem gescheiterten Gipfel von Kopenhagen 2009. Umso bedauerlicher sei das Fehlen von Bundeskanzlerin Angela Merkel, sagte Christoph Bals von Germanwatch im DLF. Von New York erwarte er nun ein Signal.

Christoph Bals im Gespräch mit Stefan Römermann | 23.09.2014
    Als Bundeskanzlerin Merkel verkleidet hält ein Demonstrant am 24.08.2014 einen symbolischen Boardingpass in den Händen, der für die Teilnahme Merkels am Klimagipfel in New York stehen soll.
    Dass Angela Merkel nicht persönlich am Klimagipfel von New York teilnimmt, kritisieren Klimaschützer schon länger. (picture alliance/dpa/Stephanie Pilick)
    Stefan Römermann: UNO-Generalsekretär Ban Ki-moon will die zähen Verhandlungen um ein neues Weltklimaabkommen voranbringen, und so hat er die Staats- und Regierungschefs für heute Nachmittag zu einem Klimagipfel nach New York eingeladen. Darüber möchte ich jetzt sprechen mit Christoph Bals von der Umwelt- und Entwicklungshilfeorganisation Germanwatch. Herr Bals, der eigentliche Weltklimagipfel findet ja im Dezember in Lima statt. Was soll denn dieser zusätzliche Gipfel in New York jetzt?
    Christoph Bals: Für die allermeisten Regierungschefs ist das das erste Mal seit Kopenhagen 2009, dass das Klimathema bei ihnen wieder auf der Agenda steht, und es soll nun abgefragt werden, ist die Bereitschaft da für ein neues Abkommen. In Lima im Dezember soll dann der Verhandlungstext dazu vorbereitet werden und ein Jahr später soll das Abkommen abgeschlossen werden.
    Römermann: Viele Regierungschefs sind angereist. Ausgerechnet Bundeskanzlerin Angela Merkel ist nicht angereist. Was würden Sie sagen, was ist das für ein Signal?
    Bals: Ich glaube, Frau Merkel macht sich damit keinen Gefallen, dass sie hier das deutliche Signal setzt, eine Tagung des BDI, der deutschen Industrie ist ihr wichtiger, als bei diesem wichtigen Klimagipfel, wo 120 Regierungschefs zusammenkommen, mit dabei zu sein. Es sind ansonsten von den großen Industrieländern nur die Klimabremser wie Russland, Australien oder Kanada, die nicht auf Regierungschefsebene vertreten sind. Von daher ist es wirklich unverständlich, dass Frau Merkel das nicht wahrnimmt. Sie kann das allerdings, indem sie dann bei der G7 in den nächsten Monaten dieses Thema auf die Agenda setzt, ein Stück weit wieder ausgleichen. Das muss sie aber auch tun.
    Römermann: Was erhoffen Sie sich denn von diesem Klimagipfel heute? Glauben Sie, dass es da wirklich große Zusagen geben wird, und wer wird dort jetzt in Vorlage gehen und sagen, na ja, wir reduzieren unsere Emissionen stärker als ursprünglich geplant?
    Bals: Ich erhoffe mir zum einen, dass sehr viele Staaten und auch praktisch alle G-20-Staaten das Signal geben, wir wollen im nächsten Jahr ein internationales Abkommen abschließen und wir wollen über das hinausgehen, was wir bisher an Klimaschutz gemacht haben. Wie viele konkrete Zahlen jetzt schon vorgelegt werden? Ich erwarte eher, dass die Zahlen in der Zeit bis März vorgelegt werden und dass wir jetzt nur relativ wenig konkrete Zahlen hier schon hören werden.
    Qualm kommt aus den Schornsteinen eines Kohlekraftwerks in Dezhou in der ostchinesischen Provinz Shandong.
    Qualm kommt aus den Schornsteinen eines chinesischen Kohlekraftwerks. (picture alliance / dpa / Da Qing)
    In China hat Klimaschutz deutlich an Bedeutung gewonnen
    Römermann: Wenig konkrete Zusagen. Gibt es denn positive Signale bisher aus den letzten Monaten, die Sie beobachten konnten, beispielsweise von Seiten der Schwellen- und Entwicklungsländer, oder von anderer Seite?
    Bals: Ja, es ist faszinierend zu sehen, dass in China, wo ja der Großteil des Emissionsanstiegs dieser Welt in diesem Jahrhundert stattgefunden hat, also seit 2000, dass dort jetzt doch erheblich der Klimaschutz an Bedeutung gewonnen hat und dass in dem nächsten Fünf-Jahres-Plan, der im Moment vorbereitet wird, erst mals darüber diskutiert wird, auch eine harte Grenze für das CO2 mit einzuführen und die Kohle zu begrenzen, im Zementbereich und Stahlbereich Grenzen für CO2 einzuführen. Das heißt, von den großen Industrie- und Schwellenländern sehen wir die größten Fortschritte im Moment bei China.
    Römermann: Ich habe das so verstanden, dass die mittelfristig Deutschland und vielleicht auch Europa allgemein bei den Klimaschutzzielen überholen, oder wie sehen Sie das?
    Bals: Bei den erneuerbaren Energien sind sie jetzt schon Weltmarktführer und haben sowohl was Wind als auch Solarenergie angeht in den letzten Jahren deutlich mehr gebaut als die gesamte EU zusammen, und nun gehen sie auch im Bereich Energieeffizienz und in der Begrenzung der Kohle in ernsthafte Politikansätze rein. Da sind die Beschlüsse noch nicht gefasst, sondern das wird im Moment nur vorbereitet, aber das sollte in den nächsten Monaten tatsächlich dann für den Fünf-Jahres-Plan, die nächsten fünf Jahre beschlossen werden.
    Römermann: Wenn Sie jetzt noch mal einen Wunschzettel aufmachen sollten an die Bundesregierung für diesen Gipfel heute: Was könnten die da heute auf den Tisch legen?
    Bals: Auf der einen Seite hoffe ich, dass Deutschland für die Klimafinanzierung, wie kann man die ärmeren Länder im Klimaschutz und bei der Anpassung an die Konsequenzen des Klimawandels unterstützen, dass für diese Klimafinanzierung man eine Allianz zusammen bekommen hat, dass man sagt, wir stellen schon mal zehn Milliarden Dollar für die entsprechende Finanzierung zur Verfügung und eine Milliarde davon von Deutschland.
    Zum Zweiten, dass die Bereitschaft, ernsthafte Klimaschutzziele in Deutschland und in der EU umzusetzen – dort fallen im Oktober und November die notwendigen Beschlüsse -, dass man hier sich sehr weit herauswagt, um zu sagen, wir wollen wirklich ernsthafte Klimaschutzziele herbei mit ankündigen. Wenn das gelingen würde, wäre schon viel erreicht.
    Römermann: Christoph Bals von der Umwelt- und Entwicklungshilfeorganisation Germanwatch. Vielen Dank.
    Bals: Ich danke auch.
    //Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu