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Klimamodell mit Urbanisierung

Umwelt. - In Städten ist es meist wärmer als im Grünen ringsum. Obwohl die Ballungszentren weltweit wachsen, spielt das Phänomen der urbanen Hitzeinseln in den Computermodellen der Klimaforscher bislang keine Rolle. Der britische Wetterdienst holt das jetzt nach.

Vom Volker Mrasek | 14.07.2010
    Je größer eine Stadt, desto wärmer ist sie im Vergleich zum unbebauten Umland. Experten wie der Freiburger Meteorologie-Professor Helmut Mayer sprechen vom urbanen Hitzeinsel-Effekt:

    "Da meint man insbesondere den Wärmeeffekt der Baukörpermassen. Die Baukörper haben ja ganz andere physikalische Konstanten als das ländliche Umland, in dem Grünflächen dominieren. Und dadurch sind Baukörper in der Lage, tagsüber Energie zu speichern. Und diese Energie geben sie dann in der Nacht ab."

    Dieser urbane thermische Stress betrifft tendenziell immer größere Teile der Bevölkerung. Der Baseler Stadtklimatologe und Hochschullehrer Eberhard Parlow:

    "Wir stellen weltweit fest, dass etwa 60 Prozent der globalen Bevölkerung in Städten leben. Immer mehr Menschen kommen in die Städte."

    Um so erstaunlicher ist ein Versäumnis der heutigen globalen Klimamodelle. Mit ihnen simulieren Forscher, wie sich die Temperaturen weltweit in Zukunft entwickeln könnten. Doch dass Städte immer mehr wachsen und damit auch der urbane Hitzeinsel-Effekt immer mehr an Bedeutung gewinnt - das berücksichtigen die Modelle bisher nicht.

    Eine Arbeitsgruppe des britischen Wetterdienstes holt das jetzt nach. Sie stattete ihr Standardklimamodell mit einem Zusatzmodul aus. Es simuliert den Urbanisierungstrend der nächsten 40 Jahre. So wird erwartet, dass sich die Bevölkerung in diversen Großstädten Asiens und Afrikas bis zum Jahr 2050 noch einmal verdoppelt.

    Richard Betts leitet die Forschungsgruppe für Folgen des Klimawandels beim britischen Wetterdienst. Der Physiker zu der neuen Modellstudie:

    "Wir haben den CO2-Gehalt der Atmosphäre in unserem Modell verdoppelt. Das ist ganz üblich für Simulationen des künftigen Klimas. Und dann haben wir uns angeschaut, was das für die Temperaturen in Großstädten rund um den Globus bedeutet, etwa in London, Tokio, Peking und Neu-Delhi. Wir wollten wissen: Ist der städtische Hitzeinsel-Effekt genauso wichtig wie die Temperaturzunahme, die wir durch den Klimawandel zu erwarten haben?"


    Nach den Ergebnissen der Modellierung kann man diese Frage für bestimmte Weltregionen mit Ja beantworten. Zum Beispiel für den Mittleren Osten:

    "In der Simulation führte allein die Verdoppelung von CO2 zu einem Temperaturanstieg von drei Grad im Mittleren Osten. In einer Stadt wie Teheran im Iran kamen aber noch einmal drei Grad Celsius durch den Hitzeinsel-Effekt hinzu."

    Die Bewohner von Teheran müssen also mit einem doppelt so hohen thermischen Stress rechnen. Aber auch in Los Angeles, Neu-Delhi und Peking kommt durch den Hitzeinseleffekt noch etwas obendrauf:

    "Den stärksten Effekt hat man in trockenen, heißen Gebieten der Subtropen. Dazu zählen auch Teile der USA, der Westen Australiens und Nordafrika. Dort ist es am Tag sehr heiß und in der Nacht sehr kalt. Das heißt, die Tageshitze der Sonne entweicht nachts wieder zurück in den Weltraum. Hat man aber eine Stadt in dieser Region, dann absorbieren ihre Gebäude und Straßen die Energie der Sonne, und die nächtliche Ausstrahlung ist schwächer. Deshalb sind die Städte viel wärmer als ihre Umgebung."

    Andere Metropolen wie London, Sydney oder Sao Paulo sind zwar keine so ausgeprägten Hitzeinseln. Bei ihnen ergab das Modell nur einige zehntel Grad zusätzlich. Doch auch das kann schon viel ausmachen, wenn sich der thermische Stress in den Städten durch die Klimaerwärmung sowieso kräftig erhöht.

    Richard Betts und seine Kollegen halten es jedenfalls für sinnvoll, den urbanen Hitzeinsel-Effekt stärker im Auge zu behalten. Die Klimaforschung beschäftige sich dauernd mit globalen Mitteltemperaturen; wichtiger für die Menschen seien aber die lokalen Veränderungen. Ganz besonders in den immer größer und heißer werdenden Städten,