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Klimaschutz bei G20
"Letzter Aufstand der fossilen Industrien"

Trotz Drucks des US-Präsidenten hätten 19 Staaten beim G20-Gipfel die Unumkehrbarkeit des Pariser Klimaschutzabkommens erklärt, sagte Christoph Bals von Germanwatch im Dlf. Dennoch sei es mit Blick auf die USA ratsam, geopolitisch eine Gegenstrategie vorzubereiten.

Christoph Bals im Gespräch mit Jule Reimer | 01.07.2019
Gruppenbild der Staats- und Regierungschefs auf dem G20-Gipfel im japanischen Osaka
Die Staats- und Regierungschefs beim G20-Gipfel in Osaka (picture-alliance/dpa )
Jule Reimer: Sie ist Geschichte, die große Erleichterung, die noch 2016 beim damaligen G20-Gipfel in Hangzhou herrschte, als US-Präsident Obama und Chinas Staatschef Xi Jinping die Ratifizierung des Pariser Klimaabkommens verkündeten. Seit dem Antritt von Donald Trump jedoch werden die Gipfelerklärungen in Sachen Klimaschutz immer dünner und erstmals werden auch geteilte Kommuniqués geschrieben, nämlich 19:1-Erklärungen, in denen 19 Gipfelteilnehmer zur Kenntnis nehmen, dass die USA in Sachen Klimaschutz einen anderen Kurs fahren.
Am Telefon bin ich mit Christoph Bals von der Nichtregierungsorganisation Germanwatch verbunden, der auch immer ganz nah diese Gipfel verfolgt. Herr Bals, Sie sagen hingegen, Osaka war eine krachende Niederlage für US-Präsident Trump. Wie kommt’s?
Christoph Bals: Wir haben im Vorfeld gesehen, dass der US-Präsident persönlich mit vielen der Staaten, wo er gehofft hat, sie in eine Allianz gegen das Paris-Abkommen hineinzuführen, intensive Verhandlungen geführt hat mit Saudi-Arabien, mit der Türkei, mit Russland, mit Brasilien zum Beispiel, und gehofft hatte, dass es jetzt eine Untergrabung der Unterstützung des Paris-Abkommens durch die 19 anderen geben würde. Letztlich ist es dann doch zu einem 19:1-Statement gekommen. Er hat massiven Druck auf Japan ausgeübt als Gastgeber, dass die nicht zulassen sollen, dass es so ein Statement gibt. Japan ist sehr anfällig für solchen Druck wegen der Spannungen im asiatischen Raum, wo sie die Unterstützung Amerikas brauchen. Trotzdem kam es am Schluss zu diesem 19:1-Statement. 19 Staaten haben die Unumkehrbarkeit des Paris-Abkommens erklärt, trotz dieses Druckes.
Reimer: Es war aber verdammt knapp. Sie sind, glaube ich, knapp an der Version 15:5 vorbeigeschlittert. Was war der Preis?
Bals: Das war knapp und für das nächste Jahr wird man sich noch besser darauf vorbereiten müssen. Dort findet der G7-Gipfel in den USA und der G20-Gipfel in Saudi-Arabien statt.
"Die Welt bewegt sich in die andere Richtung"
Reimer: Auch nicht vielversprechend für den Klimaschutz, oder?
Bals: Das ist sehr gefährlich und von demher gilt es jetzt, international geopolitisch die Gegenstrategie vorzubereiten: Was wird beim Weltsicherheitsrat, wo das Thema Klimaunsicherheit unter deutscher Präsidentschaft nächstes Jahr mitdiskutiert werden wird? Welche Akzente kann man dort setzen? Welche bilateralen Partnerschaften etwa mit Indien, Südafrika zur Umsetzung des Paris-Abkommens kann man mit auf den Weg bringen? Und wie kann die EU-Präsidentschaft Deutschlands in der zweiten Jahreshälfte und die Vorbereitung dazu genutzt werden, um mit China zusammen eine Zielerhöhung in Bezug auf die Umsetzung der Klimaziele von Paris sowohl in der EU als wie in China anzukündigen. Dann hat man wirklich auch was in der Hand, um zu zeigen, die Welt bewegt sich in die andere Richtung, trotz dieses letzten Aufstands der fossilen Industrien.
Reimer: Wie weit muss man denn im September sein? Da hat ja UN-Generalsekretär Antonio Guterres nach New York zu einer Art Klimasondergipfel noch vor der großen regulären Klimakonferenz im Winter in Santiago de Chile eingeladen.
Bals: Von der EU brauchen wir hier eine klare Ankündigung - das ist ja kürzlich noch mit vier Staaten gescheitert -, dass bis 2050 man Treibhausgas-Neutralität in der EU mit haben wird. Und man muss diesen Prozess gemeinsam dann auch mit China, im nächsten Jahr eine Zielerhöhung für 2030 anzukündigen, in die Wege leiten und ankündigen. Außerdem brauchen wir viele Partnerschaften mit anderen Staaten, aber auch Finanzmarktakteuren, Zivilgesellschaft, Staaten und National-Unterstaaten und Städten.
"Abholzung des Regenwaldes dramatisch angestiegen"
Reimer: Stichwort Partnerschaften. Die EU hat ja gleichzeitig ein Freihandelsabkommen mit dem Mercosur beschlossen. Da sind wir bisher noch gar nicht sicher, was in Sachen Klimaschutz verhandelt wurde. Und Tatsache ist, dass die Regierung Brasiliens nicht viel Wert auf den Schutz des Regenwaldes und auf Klimaschutz legt.
Bals: Ja. Seit der neue Präsident dran ist in Brasilien, ist die Abholzung des Regenwaldes dramatisch angestiegen.
Reimer: Haben die Europäer denn da Einfluss?
Bals: Das könnten sie im Rahmen dieses Abkommens, wo jetzt Klimaschutz und Menschenrechte mit als Kriterien benannt sind, möglicherweise so einsetzen. Aber das ist auch der Lackmus-Text. Die große Gefahr, das große Risiko ist, dass jetzt wesentlich mehr Soja aus Brasilien nach Europa exportiert wird und damit die Abholzung des Regenwaldes noch wesentlich beschleunigt wird. Das wäre eine Katastrophe.
Reimer: Sagen Sie ganz kurz: War es strategisch trotzdem gut, Mercosur abzuschließen?
Bals: Wir haben der Regierung geraten, das nicht zu machen in dieser Situation, und wir kennen jetzt noch nicht im Detail, was zu Klimaschutz und Menschenrechten verankert worden ist. Aber wenn das nicht stark operationalisiert wird, dann war das sehr kontraproduktiv, dass das jetzt verabschiedet wurde.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.