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Klimaschutz
China will raus aus der Schmuddelecke

China, der weltgrößte Klimasünder, hat zugesagt, bis etwa 2030 seine CO2-Emissionen begrenzen. Doch wie ambitioniert ist dieses Versprechen? Die verheerende Umweltzerstörung im Land zwingt die Regierung zum Handeln. Und nun setzt kein anderes Land der Welt seit der Fukushima-Katastrophe so auf die Atomkraft wie China.

Von Ruth Kirchner | 01.12.2014
    China will raus aus der Schmuddelecke und in Lima nicht mehr als Verhinderer einer internationalen Klimaschutz-Einigung dastehen. Trotzdem hält Peking zunächst am Grundsatz fest, dass die Industriestaaten vorangehen müssten:
    "Wirtschaftliche und soziale Entwicklung und der Kampf gegen die Armut ist immer noch das Wichtigste für die Entwicklungsländer", sagt Klima-Chefunterhändler Su Wei. "Daher müssen wir am Prinzip der gemeinsamen aber geteilten Verantwortung festhalten."
    Mit diesem Argument hat China jahrelang Forderungen abgeschmettert, aktiver zu werden. Doch die verheerende Umweltzerstörung, vor allem der Smog in Städten wie Peking, zwingt die Regierung zum Handeln. Bis 2030 werden die CO2-Emissionen zwar weiter deutlich steigen. Trotzdem müsse China gewaltige Anstrengungen unternehmen, um das zweite Ziel zu erreichen, nämlich den Anteil der nicht fossilen Energieträger bis dahin auf zwanzig Prozent zu verdoppeln, sagt Li Shuo von Greenpeace:
    "In absolute Zahlen umgerechnet, heißt das, dass China 800 bis 1.000 Gigawatt an zusätzlichen Kapazitäten bauen muss - aber nur mit nicht-fossilen Energieträgern."
    Das ist viel. Zum Vergleich: Windkraftanlagen produzieren derzeit 80 Gigawatt, Fotovoltaik 15, die ins Stromnetz eingespeist werden. All das muss jetzt massiv ausgebaut werden.
    Li Shuo: "Das heißt, China muss im Prinzip in den nächsten 16 Jahren ein zusätzliches emissionsfreies Energiesystem schaffen, das dem der USA entspricht. Das erfordert gewaltige Investitionen und eine systematische Planung. Das gibt mir Hoffnung."
    China setzt auch auf Atomstrom
    Gleichzeitig hat sich die Volksrepublik viel Spielraum gelassen. Zwei Drittel der Energie kommt derzeit aus der Kohle. Die bis 2020 angestrebte Deckelung des Kohleverbrauchs erlaubt es, Fabriken und Kraftwerken noch mal 30 Prozent mehr Kohle zu verfeuern als bisher. Und dass China seine Energie-Revolution nicht allein aus Wind, Sonne und umstrittenen Staudamm-Projekten bestreiten wird, auch das machte Xie Zhenhua, Vizechef der Entwicklungs- und Reformkommission, im Vorfeld von Lima sehr deutlich:
    "Um unsere Ziele zu erreichen, müssen wir unsere Energiestruktur anpassen und nicht-fossile Energieträger ausbauen - vor allem Atom, Wasser, Wind und Solar. Schon jetzt entstehen die weltweit meisten neuen Atomkraftwerke in China."
    China hat derzeit 20 Atommeiler am Netz. 28 weitere sind im Bau. Noch mal 20 könnten in den nächsten sechs Jahren dazu kommen. Kein anderes Land der Welt setzt seit der Katastrophe im japanischen Fukushima so auf die Atomkraft wie China. Für Li Shuo von Greenpeace ist das nicht akzeptabel:
    "Wir sind sehr vorsichtig, was die Atom-Pläne angeht. Das 20-Prozent-Ziel kann allein mit erneuerbaren Energien erreicht werden, wir brauchen den Atomstrom nicht und nicht die Probleme, die er schafft. Wir haben es bereits jetzt mit einer gewaltigen Umweltkrise zu tun, weitere Risiken wären für die Umwelt und Gesellschaft in diesem Land nicht tragbar."
    Doch solche Argumente stoßen derzeit bei der chinesischen Regierung auf taube Ohren. Im Kampf gegen Smog und Klimawandel gelten eben nicht nur Sonne und Wind, sondern auch der Atomstrom als saubere und sichere Alternativen.