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Klimaschutz durch Kernkraftwerke?

Bei der Stromerzeugung aus Atomkraft entstehen kaum Treibhausgase wie Kohlendioxid. In Zeiten der weltweiten Erwärmung ist das ein wichtiges Argument gegen den Atomausstieg. Der Deutsche Naturschutzring setzt eine Studie dagegen, nach der die Atomenergie mitnichten einen Beitrag zum Klimaschutz leisten kann.

Von Dieter Nürnberger | 16.11.2006
    Der Deutsche Naturschutzring hat sich die gegenwärtige Situation der Energieversorgung weltweit angeschaut. und man hat anhand von Szenarien hoch- und nachgerechnet und kommt deshalb zum Ergebnis, dass global gesehen die Nutzung der Kernenergie keinen nennenswerten Beitrag zu einer Verlangsamung des Klimawandels wird leisten können. Geschrieben hat die Studie Klaus Traube, der ja bekanntlich jahrelang in der deutschen wie auch US-amerikanischen Atomindustrie arbeitete, dann aber nach seinem persönlichen Ausstieg zum Kronzeugen gegen diese Technologie wurde.

    Allein schon die Dimensionen, die nötig seien, um dieses Klimaschutzziel zu erreichen, seien unglaubwürdig, so der Naturschutzring. Denn gegenwärtig gibt es 442 Kernkraftwerke auf der Welt, und ein für das Klima spürbarer Ausbau würde mehr als fünf Billionen Euro kosten. Klaus Traube hält dies aber nicht nur allein aus finanziellen Gründen für unrealistisch:

    "Man müsste ungefähr sechsmal soviel Atomkraftwerke in der Welt installieren, wie man jetzt hat. Das wäre noch mal die Größenordnung von 2200 großen Meilern mit einer Leistung von jeweils 1000 Megawatt - eine völlig unvorstellbare Dimension, auch wenn man bedenkt, dass ja durch den Terrorismus neue Gefahren bezüglich der Sicherheit dazugekommen sind. In einzelnen Ländern mag das ganz anders aussehen. Wenn also beispielsweise Deutschland die Atomenergie ausbauen würde, dann würde dennoch diese globale Betrachtung hinsichtlich des Klimawandels nicht wesentlich gestört werden. Denn Klimaschutz geht nur, wenn sich die gesamte Welt daran beteiligt. Und da kann die Atomenergie auch in Zukunft nichts Nennenswertes beitragen."

    Bei einem derartigen Zubau müsste man zudem berücksichtigen, dass auch die weltweiten Uranvorkommen nicht so langfristig reichen würden wie notwendig. Derzeit würden knapp 70.000 Tonnen Uran pro Jahr benötigt, komme dieses Szenario eines massiven Ausbaus, dann wären dies zusätzlich rund 260.000 Tonnen jährlich. Klaus Traube sagt, dann wären die heute bekannten Uranvorräte bereits nach 18 Jahren verbraucht, und nicht erst nach 70 Jahren wie heute angenommen. Zudem verweist der anerkannte Atomkritiker auch auf politische Risiken, die sich durch eine weltweite Nutzung ergeben würden:

    "Es würde auch bedeuten, dass in unkontrollierbaren und politisch instabilen Entwicklungsländern eine Atom-Infrastruktur aufgebaut wird. Und wir kennen ja die Beispiele Iran und Nordkorea. Das bedeutet: Durch einen solchen Ausbau könnten sich solche Länder letztendlich auch die Atombombe holen. Das würden wohl die großen Atommächte auch gar nicht zulassen."

    Generell werde die Nutzung der Atomkraft weltweit auch überschätzt, so der Deutsche Naturschutzring. Die Entwicklungsländer stellen heute 80 Prozent der Weltbevölkerung, doch hier sind derzeit nur vier Prozent der Atomkraftkapazitäten installiert. Die Technik sei zudem viel zu teuer, sagt der Geschäftsführer des DNR, Helmut Röscheisen:

    "In den meisten Ländern dieser Erde gibt es gar keine Atomenergie - allein deswegen, weil sie nicht nur riskant, sondern auch sehr teuer ist. Man muss auch beachten, dass rund 1,6 Milliarden Menschen derzeit überhaupt keinen Zugang zu Elektrizität haben. Da kann doch die Antwort nicht die kapitalintensive Atomkraft sein. Die Antwort wird sein, dass dort dezentrale und erneuerbare Energien zu installieren sind. Die müssen auch finanziert werden, und da haben wir folgenden Vorschlag: Hier müssen die Hauptverursacher der Klimaveränderungen, also die Industrieländer, durch eine Abgabe auf den Flug- und Schiffsverkehr die nötigen finanziellen Mittel aufbringen. Erneuerbare Energien müssen dorthin, wo sie weltweit gebraucht werden."

    Es gibt also aus Sicht des Naturschutzrings viele gravierende Argumente gegen einen globalen und massiven Ausbau der Atomkraft. Weltpolitische, sicherheitspolitische ebenso, und vor allem finanzielle.