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Klimaschutz mit Schlupflöchern

Groß, schwer und ordentlich PS unter der Motorhaube. Das liebt der deutsche Autofahrer. Die EU will das ändern und hat sich auf Obergrenzen für den CO2-Ausstoß von Neuwagen verständigt. Das bedeutet aber nicht das Aus für Spritfresser – denn es gibt Schlupflöcher.

Von Eva Raisig |
    Es war eine der letzten Amtshandlungen der irischen Ratspräsidentschaft, bevor Litauen ab Juli den Vorsitz übernimmt: die gestrige Einigung von EU-Kommission, Europaparlament und Mitgliedsländern auf schärfere Vorgaben für die CO2-Grenzwerte von Autos.

    Demnach sollen die Autohersteller sicherstellen, dass der durchschnittliche Flottenverbrauch bei Neuwagen ab 2020 auf einen CO2-Ausstoß von 95 Gramm pro Kilometer beschränkt wird. Bis zum Jahr 2015 sind noch 130 Gramm erlaubt. Auf die Festlegung eines Grenzwerts für die Zeit nach 2025 konnten sich die Vertreter des Trilogs aber nicht einigen. Das EU-Parlament hatte gefordert, den Ausstoß von Kohlendioxid dann auf einen Wert von 68 bis 75 Gramm pro Kilometer zu begrenzen. Die Verhandlungen seien schwierig gewesen, betont Rebecca Harms, Fraktionsvorsitzende der Grünen im Europaparlament.

    "Wir hatten harte Widersacher als Parlament in dieser Auseinandersetzung gestern, der Rat war nicht beweglich. Wir sind über diese Zielvereinbarung, die nicht verbindlich ist, nicht hinausgekommen, unter anderem, weil die Bundesrepublik Deutschland für die deutsche Autoindustrie eine völlig fehlgeleitete Interessenspolitik macht."

    Hauptstreitpunkt bei den Verhandlungen war der Umgang mit sogenannten Supercredits. Durch solche Boni für schadstoffarme Fahrzeuge wie beispielsweise Elektroautos brauchen die Hersteller weniger Kohlendioxid bei konventionellen Autos einzusparen, weil die klimafreundlicheren Fahrzeuge gleich mehrfach in der CO2-Bilanz zählen.

    Die neuen Pläne sehen vor, dass ab 2020 jedes schadstoffarme Auto doppelt gewertet wird. Deutschland hatte einen weitaus höheren Faktor gefordert. Das lehnten die meisten anderen Mitgliedsländer aber ab, ebenso wie den Vorschlag der Bundesrepublik, schon vor 2020 produzierte Autos zu zählen und somit Supercredits ansammeln zu können. Thomas Ulmer, der für die CDU im Europaparlament sitzt, sieht in der Festlegung einen tragfähigen Kompromiss und einen Anreiz für Unternehmen, in klimaschonende Technologien zu investieren.

    "Die Supercredits sind ein kostenloses Incentive-Angebot an die Industrie, das heißt, hier muss der Steuerzahler nichts drauflegen. Das ist die erste Begründung für die Supercredits. Die zweite ist, wenn es uns dadurch nur gelingt, wenige Neuwagen mehr zu verkaufen, weil sie dadurch ein paar Euro preisgünstiger werden, dann haben wir schon gewonnen."

    Die deutsche Autoindustrie hatte gestern abermals vor einer zu strengen Regulierung gewarnt. Sie befürchtet, mit ihren großen und emissionsintensiven Wagen im europaweiten Vergleich das Nachsehen zu haben. Ein Argument, das Franziska Achterberg von Greenpeace nicht gelten lassen will:

    "Das ist ja ein Armutszeugnis, für die deutschen Hersteller, denen es ja wirtschaftlich gut geht, die viele Fahrzeuge verkaufen und hohe Renditen einfahren, sich jetzt zu verweigern, Klimaziele zu erreichen und besonders weit versuchen, diese aufzuweichen."

    Umweltverbände sehen in dem Kompromiss ein Einknicken vor der deutschen Autolobby. Der Verbandspräsident der deutschen Automobilindustrie hingegen, Matthias Wissmann, kritisierte die neuen Abgasvorschriften scharf und betonte, der neue Grenzwert bedeute eine enorme Herausforderung für die Unternehmen.