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Klimaschutz und Religionen
Was die Kirchen sagen - und was sie tun

Klimapilgern, Plastikfasten, Fair-Trade-Kaffee: Christliche Initiativen, die sich für Umweltschutz einsetzen, gibt es schon lange. Bisher hieß das "Bewahrung der Schöpfung", nun gibt es auch die "Churches for Future". Für die Kirchen ist Klimagerechtigkeit auch eine Frage der Glaubwürdigkeit.

Von Mechthild Klein | 11.08.2021
Protestierende der Fridays-for-Future-Bewegung halten ein Transparent mit der Aufschrift "Bewahrt die Schöpfung" in die Höhe. Deutschland, Berlin, 20.09.2019
Protestierende der Fridays-for-Future-Bewegung halten ein Transparent mit der Aufschrift "Bewahrt die Schöpfung" in die Höhe (IMAGO / Rolf Zöllner)
Ja, es gibt sie, die "Christians for Future" oder auch die "Churches for Future" – in Anlehnung an die Jugendbewegung "Fridays for Future", die für den Klimaschutz protestiert. Seit mehr als 20 Jahren ist der Umwelt- und Klimaschutz in den Kirchen ein Dauerthema: Damals unter dem Stichwort "Bewahrung der Schöpfung". Und sehr auf Anbau und Konsum bezogen. Nicht nur auf Kirchentagen, Synoden und in Fortbildungen der evangelischen und katholischen Kirche. Gerade erst (Ende Juli) diskutierten Experten in der Evangelischen Akademie Bad Boll über "Kirche und Klima". Denn Klimagerechtigkeit, also saubere Luft und sauberes Wasser und die Begrenzung der Klimaerwärmung, das geht alle Generationen weltweit an.
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"Gerade Klimaschutz ist natürlich auch ein ganz großes Investitionsaufkommen. Und gerade wenn es darum geht, Gelder zu verteilen – auch bei zurückgehenden Mitgliederzahlen, Kirchenmitgliedern – ist das natürlich auch ein Konflikt, der da auftritt. Also soll man eben für Klimaschutzmaßnahmen Geld investieren? Oder fallen dann vielleicht womöglich auch andere Bereiche, die im Zentrum des kirchlichen Lebens stehen, vielleicht auch dann hinten runter?", sagt Astrid Hake. Sie ist Koordinatorin des ökumenischen Netzwerkes Klimagerechtigkeit. Und sie hat ebenfalls in Bad Boll diskutiert.

Kirchen und Pfarrhäuser sanieren

"Auf der anderen Seite gibt es natürlich auch, wenn man erst mal investiert hat, Einsparpotenzial, also gerade im Energiebereich", so Hake. In vielen evangelischen und katholischen Kirchen versucht man CO2 einzusparen – durch klimagerechte Sanierungen und neue Heizungsanlagen in den kirchlichen Gebäuden, manchmal auch Solardächer. Das ist teuer und rentiert sich erst nach Jahren. Aber es ist auch eine große Chance.
Hake: "Die Kirche hat ja sehr viele Immobilien und oder viele Gebäude, also von den Pfarrhäusern bis hin zu den Kirchenämtern oder auch Ländereien, die verpachtet werden. Also insofern, es geht halt sehr viel um den Gebäudebestand der Kirchen, aber auch um das Beschaffungswesen oder auch die Mobilität. Das sind die drei Säulen, die in den Klimakonzepten berücksichtigt werden."
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"Nicht repräsentativ für die gesamten Mitglieder"

Hake: "Also wir sind zwar ein bundesweites Netzwerk ‚Churches for Future‘, aber das ist natürlich immer nur ein Ausschnitt kirchlichen Lebens. Also insofern ist das jetzt vielleicht nicht repräsentativ für die gesamten Kirchenmitglieder in Deutschland."
Eine ökumenische Initiative namens "Klimapilgern" macht sich demnächst zu Fuß auf den Weg - durch vier Länder - zum Weltklimagipfel nach Glasgow, der Ende Oktober startet. Schon zum fünften Mal. Seit Jahren informieren auch engagierte Christen, was man ökologisch verträglich einkaufen kann. Manche reduzieren den eigenen Fleischkonsum oder üben sich im Plastikfasten – oft das ganze Jahr über. Das Erzbistum Freiburg bietet Schulungen für das ökologisch korrekte Einkaufen an. Die Kirchen machen Kampagnen zur Produktion fairer und nachhaltig erzeugter Kleidung oder deren Anbau. Wichtig seien auch die Stellschrauben in der Produktion in Deutschland - etwa zum Schutz von Grundwasser, der Luft und dem CO2-Ausstoß – da müsste die Politik den Rahmen ändern.

Kampagnen zum Klimaschutz

Fast alle evangelischen Landeskirchen haben Klimaschutzkonzepte erarbeitet mit konkreten CO2-Zielen. Ähnlich sei es in den katholischen Bistümern. Auf der Tagung in der Evangelischen Akademie Bad Boll bekräftigte man, dass Umweltschutz ein kirchlicher Auftrag sei und man auch die Politik weiter auffordern wolle, entschlossener für den Klimaschutz einzutreten. Seit zwei Jahren gibt es auch ein solidarisches Bündnis mit der Jugendbewegung "Fridays for Future" – es heißt: "Churches for Future". Dort sind rund 80 Mitgliedsorganisationen aus den großen Kirchen vertreten, darunter "Brot für die Welt", das bischöfliche Hilfswerk "Misereor" oder der Bund der Katholischen Jugend (BDKJ). Sie rufen auch zu Klimastreiks auf oder stellen kirchliche Räume für Diskussionen zur Verfügung.

Gespräche mit Parteien

Hake: "Wir führen Gespräche mit allen Parteien - außer der AfD. Aber ansonsten versuchen wir uns einzubringen in Gespräche mit allen Parteien. Das sind aber jetzt 1:1-Gespräche. Wir machen das auch nicht öffentlich."
Kirchlicher Lobbyismus dreht sich auch um die Belange der Ärmsten, auch wenn man es früher nur Umweltschutz nannte. In den neueren Bündnissen der großen Nichtregierungsorganisationen wie der "Klima Allianz" sind auch Landeskirchen und kirchliche Einrichtungen Mitglied. Die "Klima Allianz" ist das größte zivilgesellschaftliche Bündnis zum Klimaschutz in Deutschland mit 140 Organisationen, darunter Umweltorganisationen und Gewerkschaften.
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"Misereor" und "Brot für die Welt": Klimafolgen für den globalen Süden

Für die Kirche geht es auch um die Glaubwürdigkeit. Denn Klimaschutz ist eine Frage der Gerechtigkeit. Schon lange zeichnen sich die Folgen des Klimawandels im globalen Süden ab, in Afrika, Südamerika oder Asien sind viel stärkere Hitzeperioden, Dürren und Überschwemmungen zu beobachten als im globalen Norden. Die Kleinbauern erfahren den Klimawandel direkt durch Ernteausfälle. Kirchliche Hilfsorganisationen wie "Misereor" oder "Brot für die Welt" unterstützen die Kleinbauern. In Westafrika, in Ghana zum Beispiel, machen nun auch die großen Pfingstkirchen aktiv mit beim Umweltschutz - leitendende Geistliche sprechen es in ihren Predigten an.
"In Ghana gibt es die ‚Church of Pentecost‘ – das ist eine der größten Kirchen in Ghana, die da von der Leitung vorangebrachten Prozess der Zuwendung zu ökologischen Themen begonnen hat. Das sieht man auch ganz stark daran, dass sich das in den Gemeinden niederschlägt, dass die Gemeinden sich dann auch mit Umweltschutz beschäftigen", sagt Philipp Öhlmann, Leiter des Forschungsbereichs Religiöse Gemeinschaften und nachhaltige Entwicklung an der theologischen Fakultät der Humboldt-Universität in Berlin.
Öhlmann: "Müll ist ein ganz wichtiges Thema, wo auch ganz unmittelbar, wo auch Gemeinden aktiv und sagen: ‚Ja wir müssen uns um die Umwelt kümmern.‘ Und dann ist der erste Anknüpfungspunkt: ‚Schauen wir doch mal in das unmittelbare Umfeld unserer Gemeinde. Ach ja, da liegt überall Plastik herum und die Ziegen fressen das und sterben dann.‘"

Fortbildungen zu nachhaltiger Landwirtschaft

Plastik aufsammeln ist das eine, die Rückkehr zu traditionellen und ressourcenschonenden Anbaumethoden ist das andere. Und die großen kirchlichen Hilfswerke, aber auch unabhängigen Kirchen organisieren es für die Kleinbauern. Dabei gibt es keine moralische Diskussion, dass man auf etwas verzichten soll, wenn man sich von den Saatgut-Multis und ihren Pestizid- und Düngersystemen abwendet.
Öhlmann: "Es gibt den Dachverband unabhängiger Kirchen in Afrika: ‚Organization of African Instituted Churches‘ mit Sitz in Nairobi. Die betreiben ein sehr großes Landwirtschaftsprogramm, wo eben Fortbildungen zu nachhaltiger Landwirtschaft in Kirchen und Religionsgemeinschaften durchgeführt werden. Das ist ganz ökumenisch aufgestellt. Da wird auch mit den Anglikanern, mit den Mainlinern, den Missionskirchen zusammengearbeitet und zum Teil auch mit islamischen Gemeinschaften."

"Erhalten der Lebensgrundlage"

Es sei der Versuch, von der industriellen Landwirtschaft wegzukommen, sagt Philipp Öhlmann. Es geht darum, die Bodenerosion zu verhindern und pflanzliche Vielfalt zu erhalten. Saatgutbanken mit alten Gemüse- und Getreidesorten werden eingerichtet, um die Ernte fürs nächste Jahr zu sichern. Und die lokalen Religionsgemeinschaften unterstützen dabei die Bauern bis in die hintersten Winkel der Dörfer. Da geht es nicht um Verzicht, sondern ums Erhalten der Lebensgrundlage, etwas was die Menschen schnell erleben können.
Glaube und Klimaschutz: Das Heil des Planeten
Auf einem Kolloquium in Paris war Selbstkritik zu hören: Die Theologie frage zu oft, wie der Mensch in den Himmel komme und zu wenig, wie die Erde erhalten werden könne. Unter dem Namen "Gaia" sollen Christentum, Klimaschutz und Naturwissenschaft nun zusammengedacht werden.
Öhlmann: "Da ist die Nachhaltigkeitsdebatte eher wieder mit einem Zugewinn von Wohlstand verbunden. Also sozusagen, dass es eben nicht darum geht: ‚So, wir müssen jetzt nachhaltiger Landwirtschaft betreiben, weil wir uns sozusagen zurückstufen müssen, weil wir sozusagen Ressourcen einsparen müssen.‘ Sondern das ist eher im Gegenteil, dass man sagt: ‚Wenn wir diese nachhaltigen Anbaumethoden nutzen, das führt dazu, dass das Einkommen gesteigert werden kann."

Schöpfung, Transformation und Theologie

Die Aktionen zu nachhaltigem Anbau führen zu mehr Wohlstand. Es gibt im globalen Süden viel mehr Leute, die unmittelbar von dem leben, was sie selbst anbauen, sagt Öhlmann. Eigentlich müsste man auch auf die Großbauern in südlichen Afrika zugehen, die das meiste Land industriell bewirtschaften. Hier in Deutschland sind für viele Kirchenmitglieder die Belange des Umweltschutzes und Klimagerechtigkeit eigentlich ein alter Hut, zumindest bei einigen Genussmitteln wie Kaffee, Tee und Gewürzen. Die kirchlich gestützten Eine-Welt-Läden der GEPA gibt es seit rund 40 Jahren. Der Verkauf ist oft in kirchlichen Gebäuden. Aber die theologische Entwicklung geht weiter, weil die Not größer wird, auch für den globalen Norden aktiv zu werden und das nicht nur den Umweltverbänden zu überlassen.
Am 25. August beginnt an der Uni Osnabrück ein internationaler Kongress der Europäischen Gesellschaft für Katholische Theologie. Thema: "Schöpfung – Transformation – Theologie". Viele Wissenschaftler sind mit ihren Forderungen an die Politik und Verbraucher seit Jahrzehnten unterwegs. Vielleicht sind Theologen auch besonders erprobt darin dicke Bretter zu bohren, das kennen sie gut aus der eigenen Institution.