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Klimaschutz
Weltweit größte Passivhaus-Siedlung in Heidelberg

Passivhäuser können mit bis zu 90 Prozent weniger Wärmeenergie als konventionell gebaute Häuser auskommen. Kernbestandteil ist die Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung, die besonders im Winter Energie sparen hilft. In Heidelberg ensteht derzeit mit 3.000 Wohnungen die angeblich größte Passivhaus-Siedlung der Welt.

Von Ludger Fittkau | 05.09.2016
    Ein Mann trägt vor dem Rohbau eines mehrstöckigen Hauses eine Wärmedämmplatte unter dem Arm.
    Gute Wärmedämmung, Fenster mit Dreifachverglasung und eine Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung sind die zentralen Bestandteile eines Passivhauses. (dpa/picture alliance/Carmen Jaspersen)
    Aus dem Boden steigen Wasserfontänen auf. Eltern lassen ihre Kinder an einem heißen Spätsommertag auf dem Wasserspielplatz in der Heidelberger Bahnstadt planschen. Verena Baltinger-Li wohnt mit ihrem Kind seit einigen Monaten gleich nebenan in einer Passivhaus-Etagenwohnung. Wie man an heißen Tagen mit den dreifach verglasten Fenstern eines Passivhauses umgeht, probiert die junge Mutter nun zum ersten Mal aus:
    "Man sollte eigentlich immer die Fenster geschlossen halten, was wir natürlich nicht machen, weil es einfach viel zu stickig wird. Das funktioniert nicht so richtig. Also im Sommer machen wir das auf, wir sind jetzt aber auch erst ein paar Monate hier."
    Verbreiteter Irrtum: Passivhaus-Fenster im Sommer schließen
    Robert Persch von der Stadt Heidelberg weiß, dass viele Mieter von Passivhaus-Wohnungen glauben, sie sollten auch im Sommer die Fenster geschlossen halten. Ein weit verbreiteter Irrtum, betont der Umweltamt-Mitarbeiter, der für die Stadt die neue Passivhaus-Siedlung auf dem alten Gelände des Güterbahnhofs betreut:
    "Die Idee des Passivhauses ist ja, im Winter möglichst wenig Energie zu benötigen und dazu ist die Lüftungsanlage mit der Wärmerückgewinnung ein wichtiger Bestandteil. Im Sommer ist das Passivhaus eigentlich ein Haus wie jedes andere auch. Ich habe die Möglichkeit, über die Lüftungsanlage einen gewissen Luftwechsel umzusetzen. Ich kann aber genauso gut die Fenster öffnen, denn da tut es mir ja nicht weh, weil ich ja im Sommer nicht nachheizen muss. Und das wird sehr häufig, das sieht man dann immer schon mal wieder, von den Nutzern nicht so verstanden, die denken, dann, ich muss auch im Sommer die Fenster zulassen, das ist natürlich Unsinn.
    Siedlung mit 3.000 Wohnungen
    Gute Wärmedämmung, Fenster mit Dreifachverglasung und eine Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung sind die zentralen Bestandteile eines Passivhaus-Konzeptes. In der Heidelberger Bahnstadt entsteht gerade mit rund 3.000 Wohnungen die wohl größte Passivhaus-Siedlung weltweit, so Robert Persch vom Umweltamt:
    "Wir gehen von der weltweit größten aus. Das ist insofern interessant, wir haben auch viele Besucher aus anderen Ländern insbesondere aus China, aus Japan. Und gerade die Chinesen haben bisher noch nicht gesagt, wir haben eine größere Siedlung in Passivhaus-Qualität. Aber ich gehe davon aus, die haben uns in zwei, drei Jahren überholt. Den wenn in China was gebaut wird, kann man das in ganz anderen Maßstäben sehr schnell umsetzen."
    Die Stärke des Passivhaus-Konzeptes, nämlich das Sparen von Heizenergie, zeigt sich auch in der Heidelberger Bahnstadt in den Wintermonaten. Das bestätigen die ersten Bewohner der neuen Siedlung, die einst bis zu 12.000 Bewohner haben wird:
    "Im Winter, da waren es bei uns so 22 oder 23 Grad, und das war super, man konnte auch im T-Shirt…"
    "Gerade auch von der Lüftungsanlage, das ist sehr angenehm. Wir planen jetzt gerade ein Haus zu bauen, in einer anderen Region und planen jetzt auch, eine Lüftungsanlage hier einzubauen, weil uns das hier so überzeugt hat."
    Mehrkosten durch Lüftungsanlage
    Die Lüftungsanlage ist es aber auch, die beim Passivhaus die entscheidenden Mehrkosten gegenüber einem normalen, energiesparenden Bauen bringt, räumt Robert Persch vom städtischen Umweltamt ein. Die Anlage, die in der Bahnstadt meist von einem zentralen Verwalter gepflegt wird, amortisiere sich aber nach wenigen Jahrzehnten durch die eingesparte zusätzliche Fernwärme, davon ist er überzeugt:
    "Es gibt zentrale Anlagen, die stehen dann auf dem Dach und versorgen 50 Wohneinheiten oder es gibt dezentrale Anlagen. Jede Wohnung hat eine kleine Anlage für sich, hängt von den verschiedenen Konzepten ab. Das sind echte Mehrkosten gegenüber einem gesetzlichen Standard. Wobei man sagen muss, dass der Gesetzgeber immer mehr in diese Richtung geht und sagt: Lüftung ist ein wichtiges Thema, ich will Schimmelschäden verhindern und Ähnliches. Und unter diesem Aspekt wird es wahrscheinlich auch vom Gesetzgeber in die Richtung gehen, das man sagt: Lüftungsanlagen werden auch bei Neubauten, die nicht Passivhäuser sind, langfristig fällig."
    Investoren-Andrang ist groß
    Die Stadt Heidelberg schreibt den privaten Investoren in der Bahnstadt ohnehin vor, dass sie den Passivhaus-Standard erfüllen müssen. Wie sie das schaffen wollen, müssen sie bereits beim Bauantrag überzeugend darstellen:
    "Wir prüfen, was liegt vor an Plänen, kann das theoretisch ein Passivhaus werden? Wenn dem so ist, gibt es für uns eine Freigabe für die Baugenehmigung."
    Wenn die Passivhaus-Standards nicht erfüllt werden, werde aber auch schon mal eine Baugenehmigung gestoppt, so Robert Persch. Dennoch ist der Andrang der Investoren in der Bahnstadt groß: Die Wohnungen sind begehrt - auch wegen der angenehmen Grundwärme ohne großes zusätzliches Heizen im Winter, freut sich Mieterin Verena Baltinger-Li:
    "Im Winter, wir sind jetzt im Januar eingezogen, war die Temperatur echt angenehm. Wir mussten wirklich nur ganz wenig zuheizen – ist schon toll!"