Susanne Kuhlmann: Der Verein CO2-Abgabe e.V. spricht, angesichts der nationalen, europäischen und internationalen Schutzziele, von einer Klimaschutzlücke, die Deutschland drohe. Bevor die Bundesregierung -voraussichtlich am 20. September - ein Maßnahmenpaket zum Klimaschutz verabschiedet, hat er eine Studie vorgelegt. Sie stammt von Dr. Joachim Nitsch, einem Ingenieurwissenschaftler, Energieexperten und Beiratsmitglied des Vereins. Es geht um die Frage, welchen Beitrag ein CO2-Preis zum Erreichen der Klimaschutzziele leisten kann. - Am Telefon in Berlin ist Ulf Sieberg von CO2-Abgabe e.V. Guten Tag!
Ulf Sieberg: Schönen guten Tag, Frau Kuhlmann:!!
Kuhlmann: Herr Sieberg, in welchen Sektoren ist die Klimaschutzlücke besonders groß?
Sieberg: Das ist sie eigentlich in allen Sektoren, denn die Bundesregierung will ja bis 2030 55 Prozent weniger Treibhausgase gegenüber 1990 einsparen. Das heißt, wir müssen bis 2030 302 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente insgesamt einsparen. Und wenn Sie das jetzt vergleichen mit den Werten, die wir seit 1990 geschafft haben, dann müssen wir unsere Anstrengungen verdreifachen.
Kuhlmann: Auf welche Art und Weise sind Sie auf diese Klimaschutzlücke gestoßen? Wie war die Methodik?
Sieberg: Wir haben ein Energieszenario hinter der Studie liegen, die Herr Dr. Nitsch schon seit vielen Jahren macht. Er hat Energieszenarien früher für das Bundesumweltministerium gerechnet, die Erneuerbaren-Szenarien, und diese Szenarien hat er jetzt in seiner Rentenzeit weiter fortgesetzt. Und wir haben natürlich die verfügbaren Daten, die wir vom Umweltbundesamt in erster Linie haben, entsprechend ausgewertet und die Jahre gegeneinandergestellt, und dann hat der Verein ein eigenes Konzept zur CO2-Bepreisung mit einem einheitlichen sektorübergreifenden CO2-Preis, der dahinter liegt, und so sind wir dann auf die Werte für den Strom-, für den Wärme- und den Verkehrssektor gekommen.
"Wichtig ist ein einheitlicher und sektorübergreifender Preis"
Kuhlmann: Wie genau kann ein Preis für CO2 lenkend einwirken?
Sieberg: Das habe ich jetzt in Teilen schon gesagt. Wichtig ist vor allen Dingen ein einheitlicher und sektorübergreifender Preis, so wie ihn auch die Wirtschaftsweisen in ihrem Gutachten für die Bundesregierung empfohlen haben. Einheitlich und sektorübergreifend ist deshalb so wichtig, weil natürlich die größten Treibhausgas-Emittenten vor allen Dingen in der Stromerzeugung, beispielsweise bei der Braun- und Steinkohle, und in der Industrie zu finden sind, und dort sind auch die Emissionsreduktionen am einfachsten zu heben. Deshalb ist ein Preis, der nur den Non ETS betrifft, die Emissionshandelssektoren, die nicht dort involviert sind, wie Wärme und Verkehr, nicht ausreichend und nicht zielführend, sondern den größten Beitrag können wir mit einem CO2-Mindestpreis im europäischen Emissionshandel erschließen. Das hat auch das Gutachten des MCC von Professor Edenhofer für die Wirtschaftsweisen beziehungsweise die Bundesregierung herausgearbeitet und deshalb ist dieser einheitliche, sektorübergreifende Preis für Strom, Wärme und Verkehr so bedeutend.
Kuhlmann: An welche Dimension denken Sie?
Sieberg: Wir wollen mit 40 Euro die Tonne im Jahr 2020 starten. Der Preis soll dann um fünf Euro pro Jahr ansteigen, bis er 2030 bei 90 Euro liegt. Und er würde dann weiter steigen pro Jahr um fünf Euro die Tonne, so dass er im Jahr 2048 bei 180 Euro beziehungsweise 190 Euro dann im Jahr 2050 läge. Das wären dann die Umweltschadenskosten, die das Umweltbundesamt schon heute beziffert.
"Brauchen weitere Maßnahmen im Wärme- und Verkehrssektor"
Kuhlmann: Wäre der CO2-Preis die einzige Maßnahme, die sinnvoll ist, oder könnten Sie sich noch andere Dinge vorstellen, die notwendig sind, um zum Beispiel im Gebäude- oder auch Verkehrssektor voranzukommen?
Sieberg: Wir brauchen zwangsläufig weitere Maßnahmen im Wärme- und Verkehrssektor. Wir können mit einem solchen CO2-Preis-Ansatz, wie wir ihn vorschlagen, 200 Millionen Tonnen bis 2030 in der Stromerzeugung einsparen, aber nur 35 Millionen Tonnen bei Wärme und Verkehr. Wenn wir höhere Preise allein im Wärme- und Verkehrsbereich annehmen, kommen wir nicht zwangsläufig tatsächlich auch zu höheren Einsparungen. Die Studie des Bundesumweltministeriums sagt da zwischen 19 und 72 Millionen Tonnen Einsparung für Wärme und Verkehr voraus. Aber wir wissen nicht, ob es dann 19 oder 72 Millionen Tonnen sind. Und bei uns ist es so: Wir sparen 200 Millionen über den CO2-Mindestpreis in der Stromerzeugung alleine ein, ein signifikanter Beitrag, und nur 35 Millionen bei Wärme und Verkehr. Deshalb brauchen wir zwangsläufig auch, um die europäischen Ziele vor allen Dingen für den Non-ETS-Bereich, den Wärme- und Verkehrsbereich zu erreichen, weitere Maßnahmen ordnungspolitischer und förderrechtlicher Natur. Allerdings müssen wir gerade in der Förderung viel zielgruppenspezifischer fördern, insbesondere einkommensschwache Haushalte bei Investitionen in Klimaschutz unterstützen sowie Gebäudeeigentümer.
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