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Klimaschutz zum Nachrüsten

Technik. - Neben Kraftwerken, Industrie und Verkehr sind auch Privathäuser eine bedeutende Quelle des Treibhausgases Kohlendioxid, denn ihre Heizungen verbrauchen Unmengen Öl oder Gas. Ein Pilotprojekt in Ludwigshafen zeigt, wie auch bei Altbauten erstaunlich viel Energie gespart werden kann.

Von Volker Mrasek | 14.08.2007
    "Wir sind jetzt im 4. Stock. Hier haben wir eine Musterwohnung. Die zeige ich Ihnen jetzt gerade mal. Wir haben hier jetzt das Wohnzimmer. In dem Wohnzimmer gibt es keine Heizkörper. Das ist das Erste, was Sie vielleicht gleich feststellen. Auch im gesamten Haus gibt es sonst keine Heizkörper. Wir kommen hier jetzt ins Esszimmer rein."

    Eine Wohnungsbesichtigung in Ludwigshafen, im Stadtteil Pfingstweide. Die Siedlung stammt aus den frühen 70er Jahren. Schmucklose, viergeschossige Gebäudeblöcke, errichtet vom Chemiekonzern BASF. Doch einer der Altbauten ist anders: dieser hier im Berner Weg 24 bis 26.

    "So, wir haben jetzt mal dieses Fenster hier aktiviert, das heißt die elektrische Scheibenheizung wirkt. Und je näher wir darauf zugehen, desto angenehmer, desto wohliger wird die ganze Wärmestrahlung. Wir können auch die Fensterscheibe kurz berühren. Sind so im Bereich 40, 50 Grad Oberflächentemperatur. Und das Ganze wirkt wie so ’ne Kachelofen-Wärme."

    Jasmin Haile und Karl Arenz führen Besucher mit spürbarem Stolz durch das 16-Parteien-Haus. Beide arbeiten bei der LUWOGE, dem Wohnungsunternehmen der BASF. Bau-Ingenieur Arenz leitet dort das Kompetenzzentrum Wohnungsbau und Modernisierung. Mit dem Modellprojekt im Berner Weg demonstriert die Firma: Auch Altbauten lassen sich durch intelligente Sanierungskonzepte in Niedrigenergie-Häuser verwandeln, die Ressourcen und das Klima schonen:

    "Wir haben hier ein 35 Jahre altes Mehrfamilienhaus. Und durch gezielte Dämmmaßnahmen und moderne Haustechnik gelang es, den Heizwärmeverbrauch von 14 auf zwei Liter zu senken. Wir haben hier quasi ein Null-Heizkosten-Haus. Die Energie fürs Heizen wird auf dem Dach über die Sonne erzeugt und übers Jahr über in den Wohnungen über die elektrischen Heizungen wieder verbraucht."

    Solarzellen auf dem Flachdach und an der Südwand des Gebäudes verwandeln Sonnenlicht in Strom und sorgen für warmes Wasser. Auf die Hausfassade wurden dicke Dämmplatten gesetzt, damit in der kalten Jahreszeit keine Wärme nach außen entweicht. Denselben Zweck erfüllen die neuen Fenster: Sie sind dreifach verglast und haben eine isolierende Edelgas-Füllung. Das Spektakulärste aber ist ihre Heizwirkung. Auf die innere Scheibe wurde eine Metallschicht aufgedampft, durchsichtig und elektrisch leitfähig. Liegt eine Spannung an, strahlt sie Wärme in den Raum ab.

    "Es ist ähnlich wie im Auto die heizbare Heckscheibe, die auch innerhalb von wenigen Minuten wirkt und ihre Wirkung zeigt."

    Häufig anschalten müssen die Bewohner ihre Fenster aber nicht. Der energetisch optimierte Altbau erfüllt heute die Standards eines Passivhauses. Da wird nicht im eigentlichen Sinne geheizt, sondern klug be- und entlüftet - vollautomatisch und sogar inklusive Wärmerückgewinnung. Alle Wohnungsräume sind an die Lüftungszentrale angeschlossen und bekommen von dort wohltemperierte Außenluft. Ingenieur Arenz kennt sich auch im Keller des Gebäudes aus:

    "Sie hören: Die Anlage ist in Betrieb. Das ist das Geräusch der Lüftungsventilatoren, die einfach die Frischluft in die Wohnungen pumpen. Und wir haben dann wieder in den Nassräumen die Luftabsaugung über zentral installierte Ventilatoren."

    Kein Bewohner des Ludwigshafener Musterhauses zahlt heute mehr Warmmiete als vorher. Allerdings auch nicht weniger. Mit dem Geld, das früher für Heizöl draufging, finanziert die LUWOGE die Modernisierungsmaßnahmen. Klimaschutz ohne Mehrkosten - das Modell scheint zu funktionieren, und die BASF-Tochter plant bereits weitere Projekte. Anfragen gebe es inzwischen auch aus dem Ausland, so Karl Arenz:

    "Wir haben über 24 Millionen Wohnungen in Deutschland, die älter als 30 Jahre sind. Und da lässt sich durch relativ einfache energetische Nachrüstung der Wärmebedarf um 60 und mehr Prozent reduzieren. Wenn wir hier in die Spitzentechnologie gehen wie in diesem Haus, sind es sogar über 90 Prozent. Das heißt: weniger Heizenergie-Verbrauch, weniger Ressourcen-Verbrauch und weniger Kohlendioxid-Ausstoß."