3,1 Grad Celsius – das ist die Schlüsselzahl, die im neuen Klimabericht für die Arktis genannt wird. So stark sei die mittlere Lufttemperatur nördlich des Polarkreises in den letzten 50 Jahren gestiegen. Demzufolge erwärmt sich die Arktis dreimal so schnell wie die Welt insgesamt – stärker als man bisher glaubte und ein neuer Rekord! Der US-amerikanische Polarforscher Jason Box arbeitet für den Geologischen Dienst Dänemarks und Grönlands und ist Chefautor des neues Arktis-Reports:
"Wir sind von einem Temperatursprung nach dem Jahr 2004 überrascht worden. Seither hat die Erwärmungsrate in der Arktis noch einmal um 30 Prozent zugelegt. Aus mehreren Studien wissen wir heute, worauf diese Beschleunigung zurückzuführen ist, vor allem auf häufigere und längere Wärmeepisoden in den Wintermonaten."
Keine extremen Kältewellen seit der Jahrtausendwende
Eisige Dauerfrostepisoden scheinen in der Arktis immer seltener zu werden. Schon seit der Jahrtausendwende gebe es praktisch keine extremen Kältewellen mehr, die länger als 14 Tage anhielten, heißt es in dem Report. Höchstens noch in einigen Regionen Sibiriens. Der Arktische Ozean hat fast die Hälfte seiner Eisfläche eingebüsst, die er noch vor 40 Jahren hatte. Auch an Land verflüchtigen sich Eis und Schnee zunehmend, das meiste davon auf Grönland, wo Gletscher verstärkt abschmelzen. Das wirkt sich entscheidend auf die Temperaturen in der Arktis aus. Sebastian Gerland, Geophysiker am Norwegischen Polarinstitut in Tromsö:
"In der Arktis haben wir Schnee und Eis, das heißt hier wird viel vom Sonnenlicht, das auf die Erde trifft, reflektiert. Wenn jetzt bei einem veränderten Klima weniger Schnee und Meereis in dieser Region vorhanden ist, dann wird auch weniger von dem Licht und damit auch von der Energie reflektiert. Und dadurch kann eine Erwärmung dann auch stärker sein."
Heftigere Stürme nagen an den Küsten
Der Klimawandel nagt aber nicht nur an den arktischen Eis-, sondern auch an den Landmassen. An manchen Stellen in Alaska brechen laut dem Report jedes Jahr fünf Meter Küstenlinie weg und stürzen ins Meer. Auch das eine Folge der starken Erwärmung im Polargebiet, so Jason Box:
"Das Meereis nimmt ab, Stürme werden heftiger, und dadurch wächst auch die Wucht der Wellen an der Küste. Zur gleichen Zeit taut der Permafrostboden an Land auf und wird instabil."
Wenn die Böden der Arktis auftauen, schafft das auch noch andere Umweltprobleme. Mit ihnen beschäftigt sich Katrin Vorkamp intensiv. Die deutsche Geoökologin forscht an der Universität Aarhus in Dänemark. Auch sie zählt zum Kreis der Autorinnen und Autoren des neuen Arktis-Reports:
"Im Zusammenhang mit dem Klimawandel sehen wir nun, dass Schadstoffe, die sich im Eis oder in Permafrostböden angereichert haben, dass diese Schadstoffe wieder freigesetzt werden. In der Arktis haben wir jetzt zum Beispiel Daten zum Eintrag von Schadstoffen in kanadische Seen, wo der Permafrostboden in der Umgebung auftaut. Und dort sehen wir dann auch einen Anstieg dieser Schadstoffe in den Fischen."
Tauender Permafrostboden gibt Schadstoffe frei
Dabei geht es zum einen um das giftige Schwermetall Quecksilber, zum anderen um sogenannte POPs. Das sind langlebige Schadstoffe, die sich in der Nahrungskette anreichern, wie etwa PCB. Einst weitverbreitet als technische Öle, sind die Krebsgifte längst global geächtet:
"Bisher haben wir gesehen, dass die Konzentrationen fallen im Zuge dieser internationalen Maßnahmen. Und auf einmal sehen wir an manchen Orten, dass die Konzentrationen wieder steigen."
Betroffen davon sind vor allem die Inuit. Sie ernähren sich noch traditionell von Fischen, Seehunden und anderen Meerestieren, die die Umweltgifte anreichern:
"Man hat also festgestellt, dass die Konzentrationen im Blut der Inuit die höchsten der Welt sind. Deutlich höher als in Europa, in Nordamerika, obwohl wir dort näher an den Quellen dieser Schadstoffe sitzen."
Die Aussichten für die Arktis bleiben düster. Bis zum Ende des Jahrhunderts wird sie sich nach den Klimamodellen mindestens um weitere drei Grad Celsius erwärmen. Es könnten aber noch einige mehr werden, sollten unsere Treibhausgas-Emissionen nicht rasch sinken.