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Klimawandel
Die Erwärmungspause - eine Illusion?

Seit Jahren tobt eine wilde Diskussion darüber, ob die globale Erwärmung seit Ende der 90er pausiert oder nicht. Manche behaupten sogar keck, die Phase der Temperatursteigerung sei komplett vorbei. Eine neue Studie in der Fachzeitschrift "Science" sagt nun etwas ganz anderes: Ihr zufolge gab es gar keine Erwärmungspause.

Von Volker Mrasek | 05.06.2015
    Satellitenaufnahme der Erdkugel
    Es gibt eigentlich überhaupt keine Erwärmungspause - das sagt der US-amerikanische Atmosphärenforscher Thomas Peterson. (picture-alliance / dpa - DB Nasa)
    Haben nicht alle davon gesprochen? Nicht nur Klimaskeptiker und Medien, sondern auch Wissenschaftler? Und sogar der IPCC, der Weltklimarat, in seinem letzten großen Bericht vor zwei Jahren? Die globale Erwärmung habe eine Pause eingelegt; seit dem letzten großen El Nino im Pazifik 1998 trete der Klimawandel praktisch auf der Stelle. Oder bilden sich das alle nur ein?
    Es gibt eigentlich überhaupt keine Erwärmungspause - das sagt der US-amerikanische Atmosphärenforscher Thomas Peterson rundheraus. Er ist einer von neun Autoren einer neuen Studie im Wissenschaftsmagazin "Science". Fast alle arbeiten bei der NOAA, der US-Fachbehörde für Ozean und Atmosphäre. Und sind Experten darin, Temperatur-Messreihen auf Herz und Nieren zu prüfen. Ob sie auch wirklich stimmen.
    Die These der Datenprüfer: Die vermeintliche Erwärmungspause ist eine Illusion. Zustande gekommen nur durch systematische Fehler, die sich bei den langjährigen Temperaturmessungen im Ozean eingeschlichen haben.
    "Die Oberflächentemperatur des Ozeans wird sowohl von Schiffen wie auch von Bojen erfasst. Dabei hat die Zahl der Messbojen im letzten Jahrzehnt enorm zugenommen. Bei einem Vergleich der Daten haben wir entdeckt, dass die Bojen grundsätzlich kältere Temperaturwerte liefern als die Schiffe: Sie sind 0,12 Grad Celsius niedriger. Dadurch kam es zu einer Verzerrung der Daten."
    Bei den Schiffen sitzt das Thermometer meist im Kühlwasser-Zulauf für den Motor. Dort ist es wärmer als im Ozean selbst, wo die Bojen messen. Auch wenn das Meerwasser nur kurz an Bord ist, bevor es das Thermometer passiert - das genügt offenbar, um es leicht zu erwärmen.
    "Wir haben das korrigiert und den Fehler aus den Meeresdaten entfernt. Wobei man sagen muss: Die Ozeantemperaturen sind sehr wichtig! Das Meer bedeckt schließlich 70 Prozent der Erdoberfläche. Jedenfalls zeigt sich jetzt: In der Zeit, in der der Klimawandel angeblich pausierte, hat sich die Erde ungefähr genauso stark erwärmt wie in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts - um rund ein Zehntel Grad pro Dekade. Die Trends sind fast identisch."
    Andere Wissenschaftler glauben weiterhin an Erwärmungspause
    Daher auch das Fazit der US-Forscher: Eine Erwärmungspause hat es de facto gar nicht gegeben. Doch das stößt auf Widerspruch. Zum Beispiel bei Colin Morice. Der Ozeanograf arbeitet im Klimaforschungszentrum des britischen Wetterdienstes in Exeter. Und hat dort den gleichen Job wie die Autoren der neuen Studie: Morice überprüft Klimadaten auf ihre Verlässlichkeit.
    "Die Autoren zeigen zwar, dass die Erwärmung zuletzt stärker war als nach den alten Daten. Doch dadurch verschwindet die Pause nicht gänzlich. Trotz dieser Korrekturen bleibt es dabei: In den letzten 15 Jahren hat sich die Erde nicht so stark erwärmt, wie wir es eigentlich erwartet hätten. Angesichts der Energiemengen, die das Klimasystem in dieser Zeit aufgenommen hat."
    Von dieser Energie ist zuletzt mehr in tiefere Schichten des Ozeans geflossen, statt die Erdatmosphäre aufzuheizen. Diese Erklärung lieferten Klimaforscher jedenfalls für die Erwärmungspause. Es wäre ein echtes Ding, wenn sich das alles jetzt quasi als Hirngespinst entpuppte.
    Gerald Meehl vom Nationalen Zentrum für Atmosphärenforschung in den USA verweist noch auf etwas anderes. Die Messreihe in der neuen Studie bezieht jetzt auch 2014 mit ein. Und das mache sehr viel aus. Denn 2014 sei zum bisher wärmsten Jahr der Beobachtungen geworden, so der US-Klimaforscher:
    "Wenn man sich den Erwärmungstrend von 2000 bis 2013 anschaut und nicht bis 2014, dann war er nur halb so stark wie in den 20 Jahren davor. Die globale Erwärmung hat also leicht nachgelassen im letzten Jahrzehnt."
    Meehl zufolge ist das Ausdruck natürlicher Schwankungen im Klimasystem, die Jahrzehnte andauern können. Von entscheidender Bedeutung sei hier der pazifische Ozean. Er schwanke regelmäßig zwischen zwei Grundzuständen - einem wärmeren und einem kühleren. Während der Erwärmungspause nach 1998 sei der Pazifik im Kälte-Modus gewesen, sagt Meehl und verweist auf eine unveröffentlichte Modellstudie seiner Arbeitsgruppe:
    "In unserem Vorhersagemodell geht der Pazifik jetzt wieder von der kühleren in die wärmere Phase über. Demnach wird die globale Erwärmung nun wieder stärker ausfallen als im vergangenen Jahrzehnt."
    Wenn das stimmt, wäre die Erwärmungspause endgültig vorbei - und mit neuen Rekordmarken bei der globalen Mitteltemperatur zu rechnen.