Archiv


Klimawandel gefährdet Fischbestand im Bodensee

Beim Internationalen Bodensee-Kolloquium ist in diesem Jahr einer der Schwerpunkte die Frage nach den Auswirkungen eines möglichen Klimawandels auf die Seenlandschaften - dingfest gemacht am Beispiel des Öko-Systems Bodensee. Der Hitzesommer 2003 hatte dort schwerwiegende Folgen: Aale und andere Fischsorten wurden in Mitleidenschaft gezogen.

Von Thomas Wagner |
    "Aufgrund der Ergebnisse der Vergangenheit, dass wir eine Klimaerwärmung in 70 Jahren von fast einem Grad Celsius in Baden-Württemberg haben und der Erwartung, dass das in Zukunft noch mehr wird, gehen wir davon aus, dass zum Beispiel der "Trollinger" in Württemberg nicht mehr angebaut wird, weil eben wärmeliebende Weinsorten angebaut werden, dass es zum Beispiel keinen Eiswein mehr gibt. "

    So Maragrete Barth, Präsidentin der baden-württembergischen Landesanstalt für Umwelt und Naturschutz. Doch nicht nur die Weinliebhaber sind besorgt wegen des Klimawandels, sondern auch die Gewässerforscher. Beispiel Bodensee: Der gilt als größter Trinkwasserspeicher Europas. Hier verändert sich so einiges. Margarete Barth:

    "Wir gehen aber auch davon aus, dass wärmeliebende Tiere und Pflanzen einwandern, dass zum Beispiel Insekten oder Schädlinge einwandern, dass der Obstbau am Bodensee Probleme bekommt, wenn der Apfelwickler eine weitere Generation ausbildet, oder dass es eben neu einwandernde Muscheln gibt, die eben das Ökosystem durcheinander bringen. "

    Ob diese Effekte alle eintreten und welche Auswirkungen ihr Zusammenspiel hat – darüber sind sich die Fachleute noch im Unklaren. Einzelne Aspekte sind allerdings durchaus erforscht. Beispiel: Die Auswirkungen wesentlich heißerer Sommer auf den Fischbestand des Bodensees. Dietmar Straile vom Limnologischen Institut der Universität Konstanz beobachtet hier vor allem Veränderungen in den eher flacheren Bereichen im Westen des Bodensees, am Untersee:

    "Im Untersee, vielleicht auch in einigen Randbereichen des Obersees, da haben wir ja schon gesehen, dass 2003 der Hitzesommer schwerwiegende Folgen hatte. Wir haben ein Aalsterben beobachtet. Und man kann vermuten, dass, wenn in Zukunft häufiger solche Hitzesommer auftreten, dass das die Fischlebensgemeinschaft doch wohl stark beeinflussen kann. Wir haben gesehen, dass die Aale sehr stark betroffen sind. Aber das können sehr viele Fischsorten sein. "

    Denn die Hitze führt gerade in Flachwasserbereichen zu Sauerstoffarmut im Wasser; die Fische bekommen regelrecht keine Luft mehr in die Kiemen. Daneben wird es zukünftig auch in tieferen Bereichen mit dem Futter knapp. Grund: Je milder die Winter, desto geringer die Durchmischung der Wasserschichten. Dietmar Straile:

    "Die Fischer klagen darüber, dass wir eine geringere Fischproduktion haben. Wenn wir weniger Nährstoffe nach oben gemischt bekommen, dann werden wir weniger Algenproduktion haben. Dann werden die Nährtiere der Fische weniger produktiv sein. Konsequenterweise werden dann die Felchen weniger zu fressen haben. "

    Dass zukünftig weniger Bodensee-Felchen auf den Tisch des Verbrauchers kommen, ist das eine. Dass sich im Bodensee-Wasser eine ganze Fülle von Arzneimittelrückständen nachweisen lassen, das andere. Diese Rückstände rühren überwiegend von Haushalts-Arzneien her, die über die Toiletten und die Kläranlagen in den See gelangen. Daniel Dietrich, Professor für Umwelt-Toxikologie an der Universität Konstanz:

    "Das sind schmerzlindernde Mittel, wie Voltaren beispielsweise. Das sind Anti-Epilekptika. Das sind Anti-Depressiva. Da sind blutfettsenkende Mittel dabei, zum Teil Herzarithmien oder Pharmaka, die Herzarithmien behandeln. Das ist im Prinzip das normale Spektrum. "

    Die Vorstellung, das all dies im Bodensee-Wasser vorkommt, ist nicht eben appetitlich. Immerhin beziehen vier Millionen Menschen ihr Trinkwasser aus dem Bodensee. Allerdings: Hier geben die Forscher Entwarnung:

    "Die Trinkwasserqualität ist nach meiner Meinung nicht gefährdet, zu keinem Zeitpunkt. Die Konzentrationen, die wir anschauen, sind extrem klein. Hier werden Menschen nicht betroffen. Auch wenn sie tagtäglich Trinkwasser zu sich nehmen in großen Mengen. Normalerweise nimmt der Mensch zwei Liter Wasser zu sich am Tag. Selbst in diesen Größenordnungen ist das Sicherheitsrisiko um eine Milliarde kleiner, als wenn sie tagtäglich eine Pille nehmen, um Schmerzen zu behandeln, seien es Kopfschmerzen oder was auch immer. "

    Hingegen sind sich die Forscher noch nicht im Klaren, welche Auswirkungen die Arzneimittel im Bodenseewasser auf den Fischbestand haben. Hier schließen die Experten langfristige Verhaltensänderungen nicht aus:

    "Verhaltensänderungen, das sind Dominanzverhalten, Territorialverhalten der Fische, die dazu führen, dass die Fische weniger Nahrung aufnehmen, ihre Territorien nicht verteidigen, dadurch auch nicht so aktiv im Reproduktionsprozess sein werden, auch nicht so erfolgreich sind in ihrem angestammten Gebiet. "

    Auch dies könnte eine Reduzierung des Fischbestandes zur Folge haben, sagen Experten wie Professor Daniel Dietrich:

    "Wenn es tatsächlich der Fall ist, dann müssen wir bessere Verfahren entwickeln, um mit Klärwasser umzugehen. Denn die derzeitigen Kläranlagen, wie sie mittlerweile bestehen, sind natürlich alle darauf ausgelegt, Phosphat und Nitrat zu reduzieren. Die Frage, ob wir weitere Verfahren entwickeln müssen, die auch erheblich Geld kosten, das ist natürlich zu klären. Und wie wichtig uns der Erhalt unseres Ökosystems ist, das wir zum Beispiel am Bodensee haben. "