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Klimawandel und Artenschwund

Für den Menschen wird der Klimawandel richtig teuer - für viele Tier- und Pflanzenarten kann er das Ende bedeuten. Wenn es wärmer wird auf der Erde, verschieben sich Lebensräume schneller als viele Arten wandern können, manche Biotope werden vollständig ausgelöscht. Die Welt-Naturschutzkonferenz in Barcelona beschäftigt sich in diesen Tagen mit den Folgen des Klimawandels für die Artenvielfalt.

Von Julia Macher |
    Man kann es Ironie des Schicksals nennen: Lateinamerika produziert nur sechs Prozent der Treibhausgase. Rechnet man die Abholzung dazu, sind es zehn Prozent. Die Auswirkungen des Klimawandels jedoch werden den Kontinent in ihrer ganzen Härte treffen - sowohl wirtschaftlich wie ökologisch. Das ist das Ergebnis einer Untersuchung der Weltbank. Pamela Cox, Vizepräsidentin der Lateinamerika-Abteilung:

    "Fünf der zehn artenreichsten Länder der Welt liegen in Lateinamerika. Und auf die Artenvielfalt wird der Klimawandel ganz beträchtliche Auswirkungen haben. Wenn in der Karibik etwa die Korallen bleichen, weil die Wassertemperatur steigt, gefährdet das 65 Prozent der Fischbrutplätze und daher auch die Arten, was große biologische und wirtschaftliche Folgen haben wird. "

    Die Hälfte der Tropenwälder befindet sich in Lateinamerika. Steigen die Temperaturen zwischen zwei und drei Grad, schrumpfen die Wälder um 20 bis 80 Prozent - und mit ihnen der Lebensraum für unzählige Pflanzen- und Tierarten. Allein in Mexiko verschwindet bis 2050 möglicherweise ein Viertel aller Säugetiere.
    Bedroht wird die Artenvielfalt zunehmend auch durch Krankheiten, so eine Studie der Wildlife Conservation Society. Viren, Bakterien oder Pilze breiten sich durch Temperatur- oder Niederschlagsveränderungen in neuen Gebieten aus; befallen dort Lebewesen, die über keine Abwehrkräfte verfügen. Als in Argentinien und Brasilien eine Gelbfieberform ausbrach, hatte das dramatische Auswirkungen auf die dortige Primatenpopulation. "The deadly dozen", "das tödliche Dutzend" hat die US-amerikanische Naturschutzorganisation eine exemplarische Auswahl von zwölf solcher "Klima-Wanderkrankheiten" genannt. Co-Autor und Sprecher William Karesh:

    "In Europa lässt sich der Wandel anhand der Blauzungenkrankheit beobachten, die Schafe, Ziegen und Wildtiere befällt. Das Virus wird von Mücken übertragen und da die bei steigenden Temperaturen in Richtung Norden wandern, breitet sich auch die Krankheit aus. In Kanada haben wir das gleiche Phänomen mit der Ausbreitung der Lyme-Borreliose, die mit Zecken und Mücken immer weiter nach Norden wandert. "

    Kosten von rund 100 Milliarden Euro habe der Anstieg an Krankheiten seit Mitte der 90er Jahre weltweit verursacht, so Karesh. Der Schaden könne künftig nur begrenzt werden, wenn man beginne, Naturbeobachtung als Frühwarnsystem zu begreifen:

    "Die Natur reagiert sehr sensibel auf den kleinsten Wandel. Wenn wir die Tierwelt beobachten, erhalten wir eine genaue Situationsbeschreibung, bevor Menschen erkranken, bevor es dramatische Wechsel gibt - es ist, als ob wir mit einem Teleskop in die Zukunft blicken. "

    Der Hinweis auf die wirtschaftlichen Folgen darf inzwischen in keiner Studie fehlen. Gerade unter dem Druck der Finanzkrise, so auch die Wildlife Conservation Society und die Weltbank, müsse man die ökonomische Bedeutung der Artenvielfalt betonen, so Pamela Cox:

    "Es gibt ökonomische Faktoren, von denen wir noch gar nichts wissen: Viele Experten gehen davon aus, dass es im Amazonas ein fantastisches Reservoir von noch nicht erforschten Pflanzen und Tieren gibt, deren Nutzen wir beispielsweise für die Medizin noch gar nicht abschätzen können. Die Artenvielfalt ist nicht nur Teil unserer Erde, sondern auch unserer wirtschaftlichen Welt. "