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Klimawandel
Wintersport ohne Winter

Die warmen Winter nehmen zu. Und die Wintersportler hangeln sich zunehmend mit Notlösungen durch die Saisons. Langfristig könnte der Klimawandel den Sport zu Veränderungen zwingen. Schon jetzt steigt die Bedeutung von Skihallen als Trainings- und Wettkampfstätten für Nachwuchs-Wettbewerbe.

Von Daniela Müllenborn | 23.10.2016
    Die Skisprungschanze in Oberstdorf am 27.12.2015 vor schneelosen Bergen.
    Skispringen auf Kunstschnee, Langlauftraining in der Skihalle: Der Klimawandel verändert auch den Wintersport. (dpa / picture alliance / Fredrik von Erichsen)
    In der Skihalle in Neuss, in der Nähe von Düsseldorf, kann man normalerweise kubikmeterweise Schnee kaufen. Für den Hausgebrauch. Zurzeit ist aber Lieferstopp. Wegen einiger Wintersport-Großereignisse in Nordrhein-Westfalen.
    "Wir liefern Schnee für den Biathlon-World-Team-Cup nach Schalke, jedes Jahr, seit vielen Jahren. Und dieses Jahr für den Big Air nach Mönchengladbach, ein neues Highlight: der FIS-Snowboard und Big-Air-Weltcup hier in unserer Region."
    Schneesicherheit gibt es nur noch in der Halle
    Der Snowboard und Freestyle-Weltcup in Mönchengladbach: das nächste große Projekt von Johannes Janz und seinem Partner. Die beiden Skilehrer, die früher mit ihren Ski-Gruppen regelmäßig nach Österreich fuhren, eröffneten 2001 die erste überdachte und allwettertaugliche Kunstschneepiste Deutschlands, um das Schneevergnügen der Alpen an den Niederrhein zu holen:
    "Das ist das Beste was man kriegen kann, wenn man 600 Kilometer von den Alpen entfernt ist. Man kann schon Skifahren ausprobieren und noch mal erinnern, wie gehen die Bewegungen noch mal. Da fehlt die Sonne, da fehlen die Berge, das ist klar, aber es ist wenigstens Schnee da."
    Skihallen, wie die in Neuss, können mit 100-prozentiger Schneesicherheit werben. Viele Wintersportgebiete können das nicht mehr. Seit in weiten Teilen Europas die Winter wärmer werden, gibt es keine Garantie mehr für verschneite Loipen und bestens präparierte Pisten und Schanzen. Deshalb hat nicht nur der Ski-Tourismus ein Problem. Sondern auch der Wintersport: Im vergangenen Winter wurden etliche Sport-Veranstaltungen verlegt, verschoben oder gestrichen.
    "Die schlimmsten Befürchtungen haben sich bestätigt: Eine Melange aus Regen, Nebel und Wind führte zur Absage des traditionellen Holmenkollen-Skispringens in Oslo. Und schon wieder hat schlechtes Wetter die alpinen Skifahrerinnen um ein Rennen gebracht. Wegen starker Winde konnte der Riesenslalom der Damen im polnischen Jasná nicht ausgetragen werden. Eigentlich sollte in Oberhof gelaufen werden an diesem Wochenende doch da fehlt der Schnee."
    Der Klimawandel verändert auch den Wintersport
    Der Klimawandel - so präsent wie nie. Im Wettkampf und im Training. Weil das Wetter nicht mitspielte, waren im vergangenen Winter zum Beispiel die Langläufer gezwungen, auf Kunstschnee zu trainieren, erklärt Saisonplaner Andreas Schlüter:
    "Dass wir in Schneehallen trainieren müssen, dass wir weit in den Norden fliegen müssen um Schneemöglichkeiten zu finden. Aber selbst diese Orte, die oberhalb des Polarkreises liegen, kommen im Moment ohne Kunstschnee überhaupt nicht mehr aus. Da ist ein Umdenken an allen Stellen gefragt."
    In Deutschland gilt laut Studie des Deutschen Alpenvereins von 50 untersuchten Skigebieten nur noch die Hälfte als schneesicher. Langfristig - wenn sich das Klima weiter erwärmt - bleiben zum Skifahren nur noch das Nebelhorn, das Fellhorn und die Zugspitze übrig. Vor allem das nachgewiesene Abschmelzen der Gletscher bereitet Trainern wie Athleten Sorgen. Eine Entwicklung, die auch dem nordischen Kombinieren Björn Kircheisen nicht entgangen ist:
    "Ja die ersten Jahre wo ich auf dem Gletscher war, war es gefühlt zehn Meter mehr Schnee als jetzt."
    Der Sport als Teil des Problems
    Schneemangel als Folge des Klimawandels. Erik Lesser sieht den Sport aber nicht nur als Leidtragenden, sondern durchaus auch als Teil des Problems: "So oft wie wir rumreisen, mit dem Auto, mit dem Flugzeug von A nach B und wieder nach A zurück, nur um ein paar Stunden zuhause zu sein, muss man ja auch fragen, ob das alles so richtig ist."
    Der Wintersport und sein ökologischer Fußabdruck. Dazu zählen auch Schneekanonen, die zum einen Wasser und Strom verbrauchen. Zum anderen rüsten viele Skigebiete inzwischen nach. Dazu werden immer neue Wasser - und Stromleitungen verlegt, Pisten planiert, weil jede Unebenheit mehr Kunstschnee braucht, und es wird schweres Baugerät eingesetzt. Das alles schädigt - nach Einschätzung des Bundesumweltministeriums - die Natur über Jahrzehnte hinweg. Und dabei helfen diese sogenannten Beschneiungs-Anlagen, die Wasser in die Luft schießen, nur begrenzt, sprich wenn es kalt genug ist! Soll heißen: Wenn der Schnee ausbleibt, lässt sich das noch ausbügeln. Dank eben dieser Geräte. Wenn aber der ganze Winter wegbleibt, helfen auch die nicht mehr. Hier kommen wieder die Skihallen ins Spiel. Diesmal als Schneelieferanten.
    "Unser Schnee hält viel länger, als der, der draußen produziert wird, weil er in der Regel deutlich kälter ist, wir haben hier deutliche niedrigere Temperaturen als für gewöhnlich draußen, wenn es schneit, sodass unser Schnee ein großer Energiespeicher ist und sehr lange hält."
    Schnee aus der Skihalle
    Schnee aus der Skihalle. Das hat auch schon bei einem Langlauf-Weltcup in Düsseldorf, bei frühlingshaften 17 Grad und Sonnenschein, funktioniert. Damals kamen die Langläufer aus Marketing-Gründen in die Stadt. In Zukunft werden sie es vielleicht immer häufiger tun, weil das Wetter sie dazu zwingt. Weil der Trend dann weggeht von der Natur. Hin zu kurzen weißen Loipen in Innenstädten, Schlittschuhrennen auf Crushed-Ice und Biathlon-Wettkämpfen in Fußball-Arenen. Dass der gesamte Wintersport, inklusive Ski-Weltcups, irgendwann mal in überdimensionalen Hallen stattfinden wird, glaubt Ski-Hallenbetreiber Johannes Janz aber nicht:
    "Ich denke es wird nach wie vor im Hochgebirge Wintersport geben und dort werden auch weiterhin Skirennen ausgetragen. Und das ist auch wichtig, denn davon leben wir alle. Von der Vielfalt. Nur Skihallen ist eine schwierige Vorstellung. Aber Skihallen in Kombination mit Bergen mit alpinem Skilauf, dann eine Etage höher in den Bergen. Ich denke, das wird noch lange so gehen. Zur Not auch mit unserem Schnee für die eine oder andere Vierschanzen-Tournee oder was auch immer."
    Dann, so Johannes Janz, könnte es aber mit dem Schnee für den Privatbedarf eng werden. "Mit kleineren Mengen können wir dann noch aushelfen, aber größere Mengen gehen dann in der Zeit nicht."