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Klon-Kassler aus der EU-Kantine

Bei der Vorstellung, Fleisch oder Milch von geklonten Kühen oder deren Nachkommen zu essen, wird es vielen Konsumenten möglicherweise übel. Dennoch könnten solche Lebensmittel schon bald auf unseren Tellern landen. Die EU streitet noch darüber.

Von Mirjam Stöckel |
    Mutterkuh und Kälbchen auf idyllisch grünen Wiesen – das ist heute die Ausnahme. Die moderne Viehzucht passiert industriell – und bei der Fortpflanzung wird nichts mehr dem genetischen Zufall überlassen. Vor allem die USA setzen mehr und mehr auf die Klontechnik, bei der die wertvollsten Tiere im Labor quasi 1:1 kopiert werden.

    Doch überdurchschnittlich oft stürben Klontiere noch im Mutterleib, kritisiert Sonja van Tichelen von der Tierschutzorganisation "Eurogroup for Animals".

    "Und selbst bei den wenigen Tieren, die lebend zur Welt kommen, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass sie krank werden und sterben. Diese sehr technische Herstellungsmethode bedeutet also eine enorme Tierquälerei.""

    Obwohl die EU den Tierschutz zu einem ihrer Grundsätze erklärt hat – zu einem Verbot der Klontechnik bei der Lebensmittel-Produktion hat sie sich bislang nicht durchgerungen. Noch immer klafft eine Gesetzeslücke bei der Frage, wie die Europäer mit Klon-Produkten umgehen. Und dabei wird schon seit 2008 in Brüssel über diese Frage gestritten.

    Auf der einen Seite steht die EU-Kommission: Sie hat eine Verordnung für sogenannte "neuartige Lebensmittel" vorgeschlagen und will damit die Grundlage für Einfuhr und Verkauf von Klon-Fleisch und -Milch schaffen. Grünes Licht also – allen Tierschutz-Bedenken zum Trotz.

    Auf der anderen Seite stehen die Mehrheit der 27 EU-Regierungen und das EU-Parlament. Vor allem die Abgeordneten kämpfen seit Jahren gegen die Zulassung von Fleisch und Milch von Klontieren und deren Nachkommen. Gesundheitsrisiken für den Menschen sieht die EU-Behörde für Lebensmittelsicherheit zwar nicht, weil Klontiere genetisch identische Kopien ihrer Vorfahren sind. Doch die Abgeordneten verweisen in seltener Einstimmigkeit auf die Tierquälerei und ethische Bedenken. Schon im Herbst 2008 hatten sie die EU-Kommission daher zum ersten Mal aufgefordert, ein Spezial-Gesetz vorzuschlagen, das Klonlebensmittel verbietet. Nur die Kommission darf solche neuen Vorschriften auf EU-Ebene anstoßen – doch bis jetzt hat sie nichts getan. Peter Liese, EU-Abgeordneter der CDU.

    ""Ich bin entsetzt über das Verhalten der Beamten in der Kommission und ich appelliere an den Kommissar Dalli, dass er seinen Beamten jetzt mal Beine macht, dass sie ganz schnell einen konkreten Vorschlag auf den Tisch legen."

    Doch so weit ist die EU-Kommission noch längst nicht. Frederic Vincent, Sprecher des Verbraucherschutz-Kommissars.

    "Voraussichtlich im November oder Dezember wird die EU-Kommission erst einmal eine Stellungnahme zur Klon-Frage verabschieden – eine Zustandsbeschreibung, wo wir in Europa stehen bei diesem Thema, welche Folgen das für die Tiere und die Wissenschaft hat – und vor allem für den Handel."
    Mögliche Folgen für den Handel sind offenbar der Hauptgrund dafür, dass sich die EU-Kommission so schwer tut mit einem Verbot von Klon-Lebensmitteln. In Brüssel befürchtet man Streit mit den USA bei der Welthandelsorganisation.

    Doch die Europäische Kommission dürfe bei dieser Frage nicht beigeben, fordert Martin Häusling, EU-Abgeordneter der Grünen – im Gegenteil:

    "Wenn wir uns im Recht sehen, dann müssen wir auch einen Streit an der Stelle wagen. Es kann nicht sein, dass wir vorbeugend unsere Haltung ändern."

    Und immerhin: Es könnte Bewegung in die festgefahrene Situation kommen. Denn die Kommission signalisiert den Europaabgeordneten erste Kompromissbereitschaft. Kommissionssprecher Frederic Vincent:

    "Unser Bericht Ende des Jahres könnte dazu führen, dass wir eine Spezialgesetzgebung für Klonfleisch ausarbeiten."

    Und darauf werden die EU-Abgeordneten weiter drängen. Egal, ob Konservative, Sozialdemokraten oder Grüne: Sie halten an ihrer Forderung fest, Klon-Lebensmittel mit einer Spezialregelung zu verbieten. Mit ihrer Abstimmung werden sie ein Vermittlungsverfahren erzwingen. Dort können sie mit EU-Ministerrat und EU-Kommission neu verhandeln: Spätestens dann, so ihr Kalkül, werden sie das Verbot durchsetzen – und Europa frei von Klon-Lebensmitteln halten.