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Kloster Loccum - keine Männersache mehr
Schwestern gesucht

Klöster gibt es nicht nur in der katholischen, sondern auch in der evangelischen Kirche. Künftig wollen mit den Klosterkonventen Loccum und Amelungsborn zwei wichtige, sehr alte Gemeinschaften auch Frauen in ihre Kommunität berufen. Ein Sinneswandel nach 857 Jahren.

Von Mechthild Klein | 08.09.2020
Ralf Meister wird durch Prior Arend de Vries in das Amt des Abtes des Klosters Loccum eingefuehrt, im Hintergrund steht Horst Hirschler. Der 58-jaehrige Theologe tritt die Nachfolge von Horst Hirschler 87 an, der das Amt 20 Jahre lang innehatte.
Nur Männer im Bild, das soll sich aber bald ändern: Prior Arend de Vries führt Ralf Meister als Abt des Klosters Loccum ein (epd-bild/Jens Schulze)
857 Jahre war das Kloster Loccum in Niedersachsen den Männern vorbehalten. Im spätromanischen Stil erbaut, gehörte es in die Tradition der Zisterzienser. Dann nach der Reformation im 16. Jahrhundert sind die Klöster evangelisch geworden. Und damit entfielen auch die Regeln für das Mönchtum für diese Bruderschaft aus leitenden Geistlichen der Landeskirche. Dass sich das Klosterkonvent Loccum und auch das Kloster Amelungsborn nun für Frauen öffnet, ist ein Novum in der evangelischen Kirche.
"Wir machen ja in allen gesellschaftlichen Bereichen, aber auch bei uns in der Kirche die Erfahrung, dass wir richtig gut und stark sind, wenn Frauen und Männer zusammenarbeiten. Frauen bringen gerade in den kirchlichen Dienst noch einmal ganz eigene Kompetenzen und Fähigkeiten mit. Das sehen wir im Pfarramt. Das sehen wir aber auch in den Leitungsämtern. "
Sagt Arend de Vries, Prior im Klosterkonvent Loccum und geistlicher Vizepräsident des Landeskirchenamtes Hannover.
"Und von daher spricht - außer, dass es die Tradition gibt, eines alten Männer-Klosters - spricht überhaupt nichts dagegen, dass zukünftig in diesem Konvent auch Frauen und Männer gemeinsam miteinander Verantwortung für das Kloster tragen."
Gemeinsame Verantwortung
Das Kloster Loccum ist der Evangelisch-Lutherischen Kirche Hannovers als Körperschaft zugeordnet. Hier wurden lange Zeit Pastorinnen und Pastoren ausgebildet. Aber auch als Tagungsort für Diskussionen der Landeskirche mit Politik und Gesellschaft ist Loccum bekannt. Eine Residenzpflicht gibt es für die 14 Konventsmitglieder nicht, aber die Pastoren und leitenden Geistlichen tauschen sich regelmäßig über die Zukunft der Kirche und des Klosters aus. Und jetzt wollen die Männer nicht mehr unter sich bleiben.
"Ja, da geht es auch um die Gleichberechtigung der Geschlechter. Aber unser eigentliches Motiv ist, dass wir denken, dass Frauen in die Gestaltung des Klosterlebens und auch das, was wir für die kirchliche und die gesellschaftliche Landschaft als Kloster darstellen, einfach besser aufgestellt sind, wenn Frauen und Männer gemeinsam da sind."
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Der Öffnung der beiden Konvente für Frauen gingen lange Diskussionen voraus. 20 Jahre stritten die männlichen Konventualen im Kloster darüber. Jetzt haben sie für die Frauen gestimmt, sagt Arend de Fries. Dabei wurden die Männer auch schon mal von der Realität ihrer eigenen Kirche eingeholt.
"Richtig kritisch wurde die Frage, als die hannoversche Landeskirche das erste Mal eine Frau als Landesbischöfin hatte. Denn es war bislang Tradition gewesen, dass der Landesbischof immer Mitglied im Konvent und in der Regel auch Abt war. "
Sonderregelung für Bischöfin Käßmann
Die Konvente fanden damals eine Sonderregelung für die Landesbischöfin Margot Käßmann, die im Jahr 1999 gewählt wurde. Aber inzwischen scheinen die Zweifel gegenüber den weiblichen Amtsträgern abgearbeitet. Die Entscheidungen der Konvente seien einstimmig, sagt de Vries. Frauen könnten ab sofort berufen werden. Damit könnten sie auch Äbtissin oder Priorin in gemischten Klosterkonventen in Loccum und Amelungsborn werden. In der evangelisch-lutherischen Kirche ist es eigentlich unumstritten, "dass Frauen und Männer gleichberechtigt sind und in gleicher Weise zum Bilde Gottes geschaffen sind und natürlich auch überall mitwirken."
Sagt Kristin Bergmann, Leiterin des Referates für Chancengerechtigkeit der EKD,
"Aber es gibt natürlich große geschlechtsspezifische Unterschiede auch noch in der Kirche und natürlich auch Gleichstellungsdefizite."
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Gleichstellungsdefizite - und zwar was die Leitungsebenen angeht. Bei den evangelischen Theologinnen seien 35 Prozent im aktiven Dienst. Noch viel kleiner sei der Frauenanteil auf der mittleren Leitungsebene der Kirche, sagt die Sozialwissenschaftlerin.
"Das sind die Superintendenten, Pröpste heißen sie in manchen Landeskirchen, sind es nur 20 Prozent. Und auf der allerobersten Ebene, also wenn sie auf das bischöfliche Amt in den Landeskirchen gucken, haben wir drei von 20 Landeskirchen; drei, die von einer Frau geleitet werden. Das ist dann ein Anteil von 15 Prozent."
Care-Arbeit statt Leitungsebene
Die Gründe dafür sind vielfältig. Von Seilschaften spricht keiner heute mehr. Aber irgendwie scheint es noch in vielen Köpfen verankert zu sein, dass Männern eher als Frauen Leitungsarbeiten zugetraut werden – und sich Frauen selbst weniger zutrauen. Frauen seien zuständig für die Sorgearbeit, die in den Ehrenämtern der Kirchen meist auch unbezahlt und weniger wertgeschätzt sei, sagt Kristin Bergmann:
"Natürlich sind Frauen berufstätig, aber dann doch in geringerem Umfang als die Männer. Diese alten Bilder wirken ja noch nach, dass die Männer vor allen Dingen für die Erwerbstätigkeit und vor allem für die Sicherung des Familieneinkommens zuständig sind. "
Die evangelische Kirche hat da noch einen längeren Weg vor sich, Frauen den Weg in Leitungsgremien auf allen Ebenen zu ermöglichen. Die EKD entwickelte nun ein Reißverschlussverfahren, damit Frauen auch in höhere Positionen kommen. Doch manchmal weht den Gleichstellungsbeauftragten in der Evangelischen Kirche in Deutschland auch ein harter Wind aus den eigenen Reihen entgegen. Bergmann:
"Ja, da gibt es andere Geschlechter- und Rollenbilder. Die machen sich sehr häufig daran fest, dass im Grunde die Bibel an manchen Stellen ganz wörtlich genommen wird."
Die Rede ist von konservativen und evangelikalen Christen in den Landeskirchen, die in Fragen der Gleichberechtigung nicht genauso mitgehen. Die Sozialwissenschaftlerin fürchtet sogar darum, dass Errungenschaften der Gleichberechtigung in Zukunft auch zurückgedreht werden könnten.
"Das ist eine schwierige Debatte, und sie ist auch deshalb schwierig, weil da auch die gleichen Positionen im Moment von rechtspopulistischen Kräften in Deutschland vertreten werden, die sich ganz ausdrücklich gegen Gleichstellung von Frauen und Männern, im Grunde gegen Gleichstellungspolitik, gegen Gleichstellungsbeauftragte und alle diese Fragen äußern. Und da gibt es natürlich eine gewisse Übereinstimmung, die uns auch Sorgen macht."
"Gleiche Debatte wie vor 100 Jahren"
Bergmann sieht Parallelen in der Geschichte der Frauenbeteiligung, als das Wahlrecht für Frauen vor gut 100 Jahren eingeführt wurde. Das wollten die engagierten Frauen damals auch in ihrer Kirche sehen:
"Vor hundert Jahren, da war die gleiche Debatte, und die Kommentare, die man heute nachlesen kann, sind die gleichen oder sehr ähnlich mit dem, was uns heute von rechtspopulistischer Warte entgegenschlägt. Da wird halt gesagt: Frauen und Männer sind nun mal unterschiedlich und haben andere Aufgaben. Und deshalb wäre das ja keine Zurücksetzung der Frauen, wenn sie nicht wählen dürfen, aber eben nicht bestimmungsgemäß."
Das kirchliche Stimmrecht habe schon immer eine wichtige Rolle gespielt, sagt Bergmann. Vor 100 Jahren waren die Frauen aus den kirchlichen Leitungsämtern ausgeschlossen. Obwohl Kirche der Ort war, an dem sie zahlenmäßig am meisten vertreten waren. Die Kirche wurde hauptsächlich von Frauen getragen und wird es bis heute. Heute liegt der Frauenanteil in den Landessynoden bei rund 40 Prozent. Das sei ganz beachtlich.
"Wir wissen ja immer, dass es bei der Gleichstellung auch wieder Rückschritte geben kann. Das ist ja im Grunde keine Einbahnstraße. Das erleben wir sehr deutlich. In der Gesellschaft sehen wir das erste Mal, dass es da jetzt tatsächlich auch einen massiven Gegenwind gibt, gegen Gleichstellungsfragen, die auf die politische Agenda gehoben werden. Und umso wichtiger ist es, dass wir an der Stelle jetzt tatsächlich auch klar sind und dass wir an der Stelle aufmerksam bleiben, dass wir das, was wir jetzt erreicht haben in der Geschichte der Bundesrepublik und auch in der evangelischen Kirche, dass wir das sorgsam hüten und auch weiter voranbringen."
Mit der Satzungsänderung können die beiden evangelischen Klosterkonvente Loccum und Amelungsborn jetzt Frauen in ihre geistliche Gemeinschaft berufen, auch für die Leitung. Jetzt, da die Aufgaben immer kniffeliger werden in der Landeskirche, wo die Gemeindekirchen sich leeren, ist das Mitdenken der Frauen gefragt. Auf ihre Kompetenz will man nicht mehr verzichten. Und aus der Bruderschaft im Konvent wird eine Geschwisterschaft.