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Klotzen mit Straßenbau, sparen bei der Schiene

Mobilität ist so wichtig wie Bildung und Forschung - so der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie, Michael Rogowski, der im Einklang mit anderen Spitzenverbänden der deutschen Wirtschaft die Bundesregierung davor warnte, im Verkehrsbereich zu viel zu sparen. Ohne leistungsfähige Verkehrswege sei die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands bedroht. Doch nicht nur die Frage, wie viel Geld zur Verfügung stehe, sondern auch wofür es investiert werde, sei wichtig, so der mahnende Finger der Umweltverbände. Und genau dazu hat sich soeben in Berlin der BUND, der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland, geäußert.

Von Dieter Nürnberger | 30.06.2004
    Der Termin heute war nicht ganz ohne Hintergedanken gewählt. Denn morgen sollen die Ausbaugesetze für die mittelfristige Verkehrsplanung in Deutschland im Bundestag verabschiedet werden. Zugrunde liegt dem der Bundesverkehrswegeplan, der bis 2015 die Investitionen und Planungen in den Bereichen Bundesstraßen, Schiene und Wasserwege regeln soll. Da wurde in den vergangenen Monaten noch einmal ordentlich gestritten und verhandelt – einzelne Projekte flogen aus der Dringlichkeitliste heraus, andere kamen hinein, einige wurden aufgeschoben. Allerdings ist ja auch bekannt, dass die öffentlichen Kassen derzeit alles andere als gut gefüllt sind, und somit muss man wohl kein großer Prophet sein, um festzustellen, dass vieles, was da niedergeschrieben wurde, so wohl nicht realisiert werden wird. Vor einem Jahr, als der Bundesverkehrswegeplan durch das Kabinett ging, war noch von einem Finanzvolumen von 150 Milliarden Euro die Rede, der BUND hat nun nachgerechnet, insgesamt seien es nur noch 100 Milliarden bis 2015. Mit einzelnen Kürzungen kann die Umweltorganisation dabei sehr gut leben, Hauptkritikpunkt ist aber, dass sich der Charakter des Bundesverkehrswegeplans immer noch nicht gewandelt habe – es sei kein umfassendes Konzept, sagt Gerhard Timm, der Bundesgeschäftsführer:

    Die Hauptgefahr, die wir für eine nachhaltige Entwicklung des Standortes Deutschland im Hinblick auf die Funktionsfähigkeit seiner Verkehrssysteme sehen, sind aber nicht die knappen Investitionsmittel, sondern ein Versagen in der Reform des Planungsinstrumentariums. Da hat die Regierung versagt, aber ebenso die Opposition, auch hier gab es wenig Konstruktivität. Es gibt keine grundlegende Reform dieses Planungsinstrumentes der Investitionspolitik. So haben wir es wieder mit einer Wunschliste zu tun, der ein umfassendes Konzept fehlt - wie Umwelt-, Klima-, aber auch Transport- und Lärmprobleme des Straßenverkehrs gelöst werden können.

    Somit erfülle die Planung von Verkehrsminister Manfred Stolpe nicht die Anforderungen an eine moderne Mobilitätspolitik. Die Umweltschützer sehen aber auch im Vergleich zum Vorgänger, das ist Bundesverkehrswegeplan von 1992, einige Verbesserungen. So wurde die Benachteiligung der Schiene im Vergleich zur Straße durch die damalige CDU/FDP-Bundesregierung zwar inzwischen korrigiert, doch fürchtet man, dass sich durch Sparmaßnahmen diese Schere zwischen den beiden Verkehrsträgern wieder deutlicher öffnen könne. Es seien rund 30 Milliarden Euro für die Schiene vorgesehen, aber rund 43 Milliarden für Straßenprojekte. Hauptanliegen des BUND ist aber zuallererst die Bestandssicherung, neue Projekte bei Straße als auch bei Schiene brauche man nur in Einzelfällen:

    Ganz klar muss der Vorrang beim Erhalt der bestehenden Verkehrsinfrastruktur liegen, einschließlich Maßnahmen zur Lärmsanierung und die Verbesserung von Verkehrsleitsystemen. Dazu sind im Bundeshaushalt jeweils für Schiene und Straße 3 Milliarden Euro jährlich zu sichern. Bei den Investitionen für Neu- und Ausbau muss in einer zukunftsfähigen Mobilitätspolitik die Priorität auf Kapazitätsausweitung der Schiene liegen – eine Aufstockung auf 4,5 Milliarden Euro, gleichzeitig Verzicht auf Prestigeprojekte, beziehungsweise die Realisierung von kostengünstigeren, umweltfreundlichen Alternativen.

    Der BUND versteht sich dabei längst nicht mehr als radikaler Gegner des Autoverkehrs. Vielmehr legt man Wert auf einen Mobilitäts-Mix. Das sinnvolle Umsteigen von einem Verkehrsträger auf den anderen, die Vernetzung, müsse gefördert werden. Noch einmal Gerhard Timm:

    Beim Straßenneubau kann man davon ausgehen, weil das Gesamtnetz im Prinzip sehr leistungsfähig ist, dass nur in Ausnahmefällen eine Optimierung sinnvoll erscheint. Eben nur dort, wo sich im Sinne einer integrierten Verkehrsplanung ein Bedarf ergibt. Und wenn alle anderen Alternativen zur Förderung umweltfreundlichen Verkehrsmittel nicht greifen. Etwa im Bereich von Ortsumgehungen. Aber insgesamt sind wir der Auffassung, dass auch hier 4,5 Milliarden Euro jährlich ausreichen, um die Voraussetzungen für eine integrierte Verkehrspolitik zu schaffen.

    Der morgen zu verabschiedende Bundesverkehrswegeplan sei somit - zusammenfassend gesagt – eine nur unzureichend finanziell untermauerte Absichtserklärung. Zudem eben mit wenig Esprit ausgehandelt – mit weiterhin teilweise ökologisch unsinnigen Projekten.