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Klubs und Kneipen im Schuhkarton

Die besten Klubs und Kneipen haben oft Nischen besetzt: in alten Häusern mit billigen Mieten. Bei steigenden Immobilienpreisen sind sie von Abriss oder Luxussanierung besonders bedroht. Zwei Hamburgerinnen bauen im Miniaturformat gegen das Verschwinden von Ausgehkultur an.

Von Dirk Schneider |
    Hamburg St. Pauli, Marktstraße Ecke Glashüttenstraße. Wo gerade ein Neubau hochgezogen wird, stand 17 Jahre lang die Egalbar. Heute steht sie nur noch bei Dani Freitag im Wohnzimmer. Im Miniaturformat:

    "Das war meine Lieblingsbar und ist es nach wie vor, und die war halt von Schließung bedroht. Ich bastel viel und gern, und dann hab ich gedacht: Geil, ich bau mir so ein kleines Diorama von der Egalbar. Und dachte, ich mach das an einem Wochenende und fing da an und hab immer weiter gemacht."

    Aus einem Wochenende wurden mehrere Monate, ihre Freundin und Künstlerin Alexandra Grieß kam dazu. Für die beiden war ihre Lieblingsbar mehr als eine Kneipe. Auch mehr als ein zweites Zuhause. Für sie war sie ein Meisterwerk der Ausgehkultur:

    "Die Egalbar ist für mich wirklich das Sinnbild der idealen Bar, weil sie eigentlich alles abgegeben hat an die Leute, die dort reinkamen. Mit dem DJ-Konzept, dass jeder auflegen konnte, der sich ins Buch eingetragen hat. Und auch dem völlig egal sein der Wandgestaltung, also jeder konnte da ranmalen und kleben oder stickern."

    Eine begehbare Skulptur des Nachtlebens, mitgestaltet von den Gästen an ein paar tausend alkoholgeschwängerten Abenden - dieses Kunstwerk konnten Dani und Alex nicht einfach verloren geben. Bandplakate, Aufkleber, Tags – jeder Schimmelfleck findet sich in der schuhschachtelgroßen Miniaturausgabe wieder, genauso wie Barhocker, Bierflaschen und Plattenspieler in winzig.

    Gerade die Lokale, die Dani und Alex lieben, sind die, die am schnellsten verschwinden. Sie haben sich in Nischen eingerichtet, in unsanierten Häusern, oder unter einer Eisenbahnbrücke.

    Wie die Hamburger Astra Stube, das Zweite Projekt der beiden Bastlerinnen. Sie hat bis jetzt nur überlebt, weil die Bahn eine Brückensanierung verschoben hat. Das dritte Projekt ist die Bar des legendären Molotow-Clubs auf der Reeperbahn.

    "Kein Abriss" steht groß auf der Fassade des Modells. Das Molotow ist Teil der sogenannten Esso-Häuser auf der Reeperbahn, die ein Münchner Investor gegen Neubauten ersetzen will:

    "Wir sitzen ja immer wie die Geier über den Bars, die leider schließen müssen."

    Molotow-Betreiber Andi Schmidt hat es allerdings nicht mit der Angst bekommen, als die beiden anfingen, seine Bar nachzubauen. Im Gegenteil:

    "Ich würde sagen, das ist eine Auszeichnung, dann weiß man, dass man einen bleibenden Eindruck hinterlassen hat, und nicht nur eine flüchtige Episode in der Hamburger Szenelandschaft war."

    BarKeepers nennen sich Dani und Alex, die Barerhalterinnen. Für sie ist das Trinken und Feiern am Tresen eine Leidenschaft, genau wie jetzt das Bauen der Miniaturen.

    Am Ende werden Details der Modelle fotografiert und bei Ausstellungen neben Aufnahmen aus den echten Räumen gezeigt – manchmal ist es auf den ersten Blick schwer zu sagen, welches das Original ist.

    Die beiden St.-Paulianerinnen haben inzwischen festgestellt, dass auch noch ganz andere Bars verschwinden:

    "Ich denke ein Laden wie das Molotow oder die Astra Stube, die Wände rot zu streichen und alles schwarz zu machen, das wird es vielleicht auch immer noch mal wieder geben. Aber ich habe wirklich Angst um diese Eckkneipen und Gardinenkneipen, wo wirklich kein Städteplaner Interesse daran hat, dass so ein "Schandfleck" irgendwo bleibt. Also unser nächstes Projekt wird hoffentlich eine Gardinenkneipe sein."


    Weiter Infos:
    Original und Miniatur - Miniaturen von Hamburger Bars