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Knacksen und Rauschen

Voice-over-IP wandelt den hauseigenen DSL-Anschluss zum preisgünstigen oder sogar kostenlosen Telefonkanal. Mit technischen Tricks versuchen manche Telekommunikationsunternehmen, dieses Wildern in eigenen Revieren zu unterbinden.

Von Tobias Armbrüster |
    Theodore Peckler lebt in der Nähe von Los Angeles. Er ist einer von eineinhalb Millionen Voice-over-IP-Usern in den USA. Peckler hat einen DSL-Anschluss und benutzt das Internet, um darüber billig zu telefonieren. Aber vor ein paar Monaten funktionierte das plötzlich nicht mehr.

    "Die Gespräche wurden auf einmal abgehackt, wir konnten keinen unserer Anrufer mehr verstehen, es war ein absoluter Ton-Salat im Hörer, das Telefon nicht mehr zu gebrauchen. Ich war ziemlich sauer. Zuerst haben wir uns an unseren Voicer-Over-IP-Provider gewandt, aber die haben nach einigen Tests herausgefunden, dass die Probleme von unserem Internet-Anbieter verursacht worden. Die Leute dort hatten einen Filter installiert, Voice-over-IP-Gespräche wurden damit an meinem DSL-Anschluss blockiert."

    So wie Theodore Peckler geht es VoIP-Usern in aller Welt. Sie haben sich zuerst bei unabhängigen Anbietern wie Skype oder Vonage registriert, um zu billigsten Tarifen in alle Welt zu telefonieren – aber dann merken sie, dass ihr Internet-Provider diesen Service nicht zulässt. Denn Firmen wie Skype oder Vonage sind den großen Telefon-Anbietern ein Dorn im Auge, das Geschäft mit den Billig-Telefonaten wollen sie lieber selber machen. Steve Bannermann arbeitet bei Narus, einer amerikanischen Firma für Telefon-Software. Narus könnte man als einen der weltweit größten VoIP-Verhinderer bezeichnen, trotzdem erreichen wir Steve über eine Skype-Verbindung. Deshalb die erstaunliche Ton-Qualität, obwohl er tausende Kilometer entfernt sitzt. Narus bietet ein Software-Paket an, das als VoIP-Filter dient. Telefon-Unternehmen können damit VoIP-Gespräche in ihren eigenen Netzwerken blockieren. Bannermann sagt, viele Telefon-Anbieter nutzen das System - nicht nur, weil Skype oder Vonage ihnen das Geschäft kaputt machen:

    "VoIP ist eine erstaunliche Technologie. Skype und Vonage haben die Art und Weise verändert, in der viele Menschen miteinander telefonieren. Aber die Technik dahinter ist zahlreichen Telefon-Behörden unheimlich, weil sie schwer zu kontrollieren ist. Skype etwa arbeitet mit einem verschlüsselten Protokoll, niemand kann diese Daten-Ströme entschlüsseln. Das heißt, Terroristen könnten Skype beispielsweise benutzen, um darüber ungestört zu kommunizieren, oder um darüber Viren zu verschicken, die ein komplettes Telefon-Netzwerk lahmzulegen."

    In den meisten westlichen Ländern ist das Blockieren von Voice-over-IP allerdings verboten, zumindest in öffentlichen Telefon-Netzwerken. Telekommunikations-Unternehmen und ISPs sind verpflichtet, ihre Netzwerke für alle IP-Dienstleistungen offen zu halten. Einer der größten Märkte für Unternehmen wie Narus liegt deshalb dort, wo die Telefon-Gesellschaften noch immer staatlich sind und ein Monopol haben. Steve Bannermann:

    "Wir haben gerade einen Vertrag mit Shanghai Telecoms in China abgeschlossen, sie wollen unsere Software benutzen, um unabhängige Voice over IP-Anbieter am Zugang zu hindern, außerdem arbeiten wir mit Telekom-Gesellschaften in Ägypten und Saudi-Arabien zusammen."

    Der Deutschlandfunk hat versucht, mit mehreren Kunden von Narus zu sprechen, die Anfragen wurden allerdings unbeantwortet gelassen. In Europa ist der VoIP-Verkehr bislang noch völlig frei, das liegt vermutlich auch daran, dass unabhängige Aufsichtsbehörden diesen Markt genau kontrollieren. Allerdings gibt es auch hier zahlreiche Firmen und Behörden, die Voice-over-IP in ihren eigenen internen Computer-Netzwerken unterdrücken, das wiederum ist erlaubt. Ein Beispiel ist die Brunel University im Westen von London. Der System-Manager der Universität, Simon Furber, sagt, Skype würde den DSL-Zugang der Universität überlasten, denn Software wie die von Skype nutze schnelle Netzwerke, so wie die an Brunel, gnadenlos aus.

    "Je schneller das Netzwerk ist, desto mehr Skype-Telefongespräche werden durch dieses Netzwerk geleitet, diese Technologie sucht sich immer die Leitung mit der besten Qualität. Wir haben das mal überprüft und herausgefunden, dass Skype zu bestimmten Zeitpunkten zehntausende von Telefongesprächen aus 250 Ländern durch unser Netz leitet, also auch Gespräche, die gar nichts mit unserer Universität zu tun haben. Das nimmt uns natürlich viel Bandbreite weg und wir müssen uns überlegen, ob wir irgendwas davon haben, wenn unser Netzwerk so ausgenutzt wird."

    Die Brunel-Universität hat einen Kompromiss gefunden und erlaubt inzwischen Voice-over-IP von bestimmten Terminals. Solche Telefon-Gespräche an jedem Computer auf dem Campus zu blockieren, sei unmöglich gewesen, sagt Simon Furber, die Studenten hätten zu viele Tricks gefunden, um die Blockade zu umgehen. Auch Theodore Peckler in Kalifornien kann inzwischen übrigens wieder über seinen DSL-Anschluss telefonieren. Er hat sich bei seiner lokalen Telefon-Behörde beschwert, kurz darauf war der Anschluss wieder frei.