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Knapp der Rezession entgangen

Trotz positiver Konjunkturindikatoren ist die deutsche Wirtschaft im ersten Quartal nur wenig gewachsen. Unter anderem wird der kalte Winter dafür verantwortlich gemacht. In Frankreich sieht es noch schlechter aus: Die zweitgrößte europäische Volkswirtschaft geriet zum ersten Mal seit vier Jahren wieder in die Rezession.

Von Brigitte Scholtes | 15.05.2013
    Die Lokomotive fährt zwar wieder etwas schneller, aber wirklich viel Zugkraft hat sie noch nicht: Das magere Wachstum der deutschen Wirtschaft im ersten Quartal hat viele Volkswirte enttäuscht, sie hatten mit mehr gerechnet als nur einem Plus von 0,1 Prozent gegenüber dem letzten Quartal, so auch Rolf Schneider, Volkswirt der Allianz:

    "Wir haben in den letzten Wochen eigentlich überwiegend positive Konjunkturindikatoren bekommen. Die Auftragseingänge sind im zweiten Monat in Folge deutlich gestiegen, auch die Produktion in der Industrie hat deutlich angezogen, und von daher ist es schon etwas enttäuschend, dass die Gesamtwirtschaft im ersten Quartal nur um sehr sehr magere 0,1 Prozent gewachsen ist."

    Es sei vor allem der kalte Winter gewesen, hatte das Statistische Bundesamt als Grund für das nur schwache Wachstum angegeben, mit dem die deutsche Wirtschaft nur knapp an der Rezession vorbeischlitterte. Getragen wurde die Konjunktur in Deutschland maßgeblich vom privaten Verbrauch, die moderate Lohnentwicklung zusammen mit der niedrigen Inflationsrate dürften auch im Gesamtjahr der Wirtschaft wichtige Impulse geben. Und auch die zuletzt geringen Investitionen sollten allmählich wieder anspringen, die hatten unter der Eurokrise im vergangenen Jahr besonders gelitten, meint Ulrich Kater, Chefvolkswirt der Dekabank:

    "Wir sehen ja anhand der politischen Unsicherheit in Italien, anhand der verkorksten Zypern-Rettung, dass eben noch viele Finanzprobleme im Raum sind, und das wissen auch die Entscheidungsinstanzen in der realen Wirtschaft, d.h. die Manager. Und deswegen ist das Investitionsvertrauen generell angeschlagen. Wir rechnen damit, dass es sich leicht erholen wird, aber auch hier schweben immer ein paar doch dunklere Wolken über dem gesamten Konjunkturgeschehen."

    Diese dunklen Wolken hängen noch im Euroraum: Die Wirtschaftsleistung schrumpfte insgesamt in den ersten drei Monaten um 0,2 Prozent, die hohe Arbeitslosigkeit und die Sparprogramme vieler Regierungen wirken sich aus. Nur Belgien und die Slowakei schafften neben Deutschland ein leichtes Plus. Frankreich, zweitgrößte Volkswirtschaft im Euroraum, rutschte nach vier Jahren zum ersten Mal wieder in die Rezession mit einem Minus von 0,2 Prozent. Verbraucher und Unternehmen investierten weniger, die Exporte gingen zurück. Italien steckt in der längsten Rezession seit 1970: Seine Wirtschaft schrumpft um 0,5 Prozent und damit im siebten Quartal nacheinander. Ebenso erging es Spanien, während Griechenland sogar ein Minus von 5,3 Prozent hinnehmen muss – und damit das sechste Jahr in der Rezession verharrt. Aber es gibt leichte Lichtblicke, meint Dekabank-Chefvolkswirt Kater:

    "Wir können feststellen, dass die Abwärtsbewegung in den Problemstaaten wenigstens angehalten wurde, d.h., diese Staaten produzieren jetzt auf einem geringeren Niveau, einer Unterauslastung, man sieht das an den Arbeitsmärkten, die eben unterausgelastet sind. Das ist nicht viel mehr als eine stabile Seitenlage, es ist kein gesunder Zustand. Es ist eine große Herausforderung, hier wieder Wachstumsimpulse zu setzen. Gegenwärtig fehlen dazu aber die vernünftigen Rezepte."

    So bleibt nur die Hoffnung auf eine bessere Entwicklung im kommenden Jahr.