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Knochen aus dem Tiefkühldrucker

Technik. - Bremer Forscher haben ein neues Verfahren entwickelt, um innerhalb weniger Stunden Knochenteile passgenau herzustellen. Sie nutzen dafür einen speziellen Drucker, der Schicht für Schicht dreidimensionale Objekte aus Kunststoff, Keramik oder anderen Materialien herstellen kann. Solche Verfahren sind als Rapid-Prototyping aus dem Werkzeug- und Maschinenbau bekannt.

Von Christoph Kersting | 15.04.2011
    So klingt es, wenn der Materialforscher Dietmar Koch Bauteile druckt – in diesem Fall ein rechteckiges, stacheliges Gebilde aus Keramik, das am Ende aussieht wie eine Nagelbürste. Die Vorlage hat der Bremer Werkstoffexperte vorher an seinem Rechner entworfen. Der steht neben dem Materialdrucker und steuert den Druckvorgang:

    "Also was wir sehen, ist, dass die Keramik aus einer Düse heraus gespritzt wird in ein Flüssigkeitsbad. Dieses Flüssigkeitsbad hat eine Temperatur deutlich unter Null Grad, das heißt, die wässrige keramische Suspension friert direkt ein, sobald sie in diese Flüssigkeit rein kommt und bleibt dann in ihrer Form eben erhalten, und so können wir ein dreidimensionales Gebilde aufbauen, indem wir diese Düse eben entsprechend unseren 3-D-Berechnungen hier verfahren lassen, und damit erzeugen wir dann ein keramisches Bauteil in einem Wasserbad."

    Prototypen am Rechner entwerfen und dann mit einem speziellen Drucker herstellen – dieses "Rapid-Prototyping-Verfahren" wird schon seit einigen Jahren in verschiedensten Bereichen genutzt, von Künstlern und Architekten etwa. Der Clou beim so genannten Gefriergelverfahren der Bremer Forscher ist die Formgebung durch Einfrieren. Denn normalerweise erhalten mit Rapid-Prototyping hergestellte Keramiken und andere Werkstoffe ihre Festigkeit anschließend durch starkes Erhitzen. Doch die Hitze hat einen Nachteil: Beim Auskühlen kann sich das Bauteil verziehen oder schrumpfen. Nicht so beim Gefriergelverfahren: Hier verändern sich Form und Größe nachträglich nicht mehr.

    Das Bürsten-ähnliche Bauteil ist dabei laut Dietmar Koch nur ein simples Beispiel, um die Technik zu demonstrieren. Schon heute ließen sich mit dem Keramik-Drucker auch komplexe dreidimensionale Gebilde herstellen: passgenaue Knochen-Implantate beispielsweise. Dafür brauchen die Forscher zunächst eine Computertomographie des verletzten Knochens. Anhand dieser CT-Aufnahme entwerfen die Bremer Werkstoffexperten dann eine exakte dreidimensionale Zeichnung und befüllen ihren Drucker mit dem Mineral Hydroxylapatit:

    "Das ist ein Material, das im natürlichen Knochen vorkommt. Hydroxylapatit plus Collagen ergibt dann die Knochenstruktur, das heißt, wir bieten später, wenn wir dann ein solches Implantat erzeugt haben, dem Knochen sozusagen arteigenes Material an, so dass der Knochen beziehungsweise die Knochenzellen die Möglichkeit haben, dieses Material direkt einzubauen und das Implantat zu resorbieren, so dass am Ende wieder ein natürlicher Knochen steht und dieses Material vollkommen verschwunden ist."

    Anders als bei herkömmlichen Implantaten aus Keramik oder Metall also. Im nächsten Schritt nun werden die Bremer Forscher untersuchen, wie sich ein solcher Knochenersatz in lebenden Zellen verhält, zunächst in Tierversuchen und später beim Menschen. Deutlich früher könnten Bauteile aus dem Gefrier-Drucker in anderen Bereichen zum Einsatz kommen, als Filteranlagen beispielsweise. Bei der Herstellung solcher Anlagen im Rapid-Prototyping-Verfahren werden der Keramik zusätzlich Mikroorganismen beigemengt, die später Schadstoffe abbauen sollen – Dietmar Koch:

    "Das heißt, es ist denkbar, wenn man ein solches Gitter hier nimmt, das könnte zum Beispiel in der Gasfiltration sein oder auch in der Wasserfiltration, das heißt Reinigung von Abwässern, da wäre das ein attraktives Bauteil."