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Knochen aus der Tube

Medizin. - Einen Knochenbruch einfach mit einer Paste aus der Tube sekundenschnell verkleben, und der Patient ist wieder hergestellt - davon träumen Chirurgen seit langem. Einige neue Stoffe, die an der Bruchstelle eingesetzt werden, helfen zwar schon bei der Heilung. Sie alle haben bisher jedoch schwerwiegende Nachteile. Nun aber rückt der Knochenersatz aus der Tube allmählich näher, wie auf den Kongressen der Deutschen Gesellschaften für Unfallchirurgie und Orthopädie in Berlin deutlich wurde.

12.11.2003
    Die Heilung eines Knochenbruchs braucht Zeit, bis der Körper das defekte Material wieder ersetzt hat. Bei schweren Verletzungen oder bestimmten Krankheiten können Knochen sogar so stark geschädigt werden, dass es der Körper gar nicht mehr schafft, das verlorene Gewebe zu regenerieren. In solchen Fällen verpflanzen Chirurgen oft körpereigenes Material an die betroffene Stelle, was häufig unerwünschte Nachwirkungen mit sich bringt, wie Professor Johannes Rueger vom Unfallklinikum Hamburg Eppendorf erklärt: "Das Problem ist, dass es eine zweite Operation gibt und dass der Patient eine zweite Wunde hat. Fast jeder Zweite hat hinterher eine Komplikation in Bereich der Materialentnahme." Seit langem suchen Mediziner nach Alternativen. Versuche, sich mit Leichenknochen zu behelfen, brachten ein erhöhtes Risiko von Infektionen mit sich. Auch Experimente mit Eierschalen, Gips oder diversen Kunststoffen halfen wenig.

    So versuchen die Mediziner heute, das Knochengewebe mit Kalziumphospat-Verbindungen zu imitieren, aus denen auch der Knochen selbst zu mehr als 70 Prozent besteht. Der ideale Knochenersatz sollte den Bruch sofort stabil fixieren und zugleich das Knochengewebe zum Wachstum anregen. Bei fortschreitender Heilung sollte es schließlich dem nachwachsenden Knochengewebe Platz machen. "Unser Wunschtraum wäre natürlich eine Flüssigkeit, die man in den gebrochenen Knochen hineingießen können, und dann heilt der Knochen wieder", sagt der Unfallchirurg Honke-Georg Hermichen vom Lukaskrankenhaus in Neuss. "Es gibt so etwas auch, zum Beispiel ein Bone Morphogenetic Protein, also ein Eiweiß, das den Knochenaufbau fördert." Das Problem hier: Das Blut spült solche Wachstums-Proteine vom Knochen weg. Ein spezielles Gewebe um die Bruchstelle soll deshalb die Heilstoffe schützen, für mechanische Festigkeit sorgen unterdessen keramische Füllstoffe. Sie müssen vorher mit Säge und Zange an die Bruchstelle angepasst werden - bei komplizieren Brüchen kann das schwierig sein. Stattdessen setzen Chirurgen zunehmend auf zementartige Stoffe, so Johannes Rueger: "Die Kalziumphosphat-Zemente haben etwa eine Konsistenz wie trockene Zahnpasta. Wenn sie in den Defekt hineingespritzt wurden, dann härten sie aus." So hart allerdings, dass die höhere Dichte auch Probleme bereitet. Die Knochen wachsen schlecht ein, und der Zement ist kaum abbaubar. Ruegers Hoffnung ruht daher auf der Gentherapie: "Was wir uns vorstellen: Zellen, die normalerweise nicht knochenbildungsfähig sind, zu knochenbildungsfähigen Zellen umwandeln. Oder wir steigern die Aktivität der knochenbildungsfähigen Zellen, der so genannten Osteoplasten."

    [Quelle: William Vorsatz]