Von Volkart Wildermuth
Knochen sind für Anthropologen das, was für Literaturwissenschaftler Bücher sind: faszinierender Lesestoff. Noch aus den kleinsten Splittern, aus Ansatzstellen von Muskeln, aus Abnutzungsspuren versuchen sie Geschichten zu rekonstruieren, die Teil der Menschheitsgeschichte sind. Eine entscheidende Phase war der Übergang von den Vormenschen der Gattung Australopithecus zu den Frühmenschen der Gattung Homo vor etwa zwei ein halb Millionen Jahren in Afrika.
Der Australopithecus stand auf zwei Beinen, aber die waren kurz. Aus der Ferne betrachtet hätte er wie ein Schimpanse ausgesehen. Ein Homo erectus dagegen sah aus der Ferne genau wie wir aus. Er hatte dieselbe Körpergröße und Form. Aus der Nähe allerdings würde das kleinere Gehirn auffallen, er hatte keine hohe Stirn.
Professor Leslie Aiello vom University College London zeigt zur Illustration Fotos von dem Skelett von Lucy, der berühmtesten Vertreterin der Frühmenschen, und des Turkana Jungen, der viel größer ist und um die Körpermitte schlanker wirkt. Die schlanken Hüften sind für die Anthropologin ein wichtiger Hinweis. Sie glaubt, dass es beim Übergang vom Australopithecus zum Homo erectus sozusagen ein Tauschgeschäft zwischen zwei Organen gab, die besonders viel Stoffwechselenergie und damit Nahrung benötigen, nämlich zwischen Darm und Gehirn. Die Vormenschen suchten reichlich vorhandene aber schwer verdauliche pflanzliche Nahrung, sie benötigten deshalb wie die Menschenaffen einen langen Darm. Die ersten Frühmenschen dagegen nutzten Fleisch und nahrhafte Wurzeln und Knollen, die sie nur mit Werkzeugen ausgraben konnten. Diese komplexere Strategie erforderte ein größeres Gehirn, dafür waren leistungsfähige Verdauungsorgane nicht mehr so wichtig. Homo erectus hatte nicht nur eine andere Körperform, er war auch deutlich größer als ein Australopithecus und das heißt, er benötigte nicht nur andere sondern vor allem auch mehr Nahrung.
Für die Frauen ist das noch entscheidender, sie musste nicht nur ihren großen Körper ernähren sondern auch noch Schwangerschaften und Stillzeiten durchstehen. Dazu benötigte eine Homo erectus Frau 40 bis 50 Prozent mehr Kalorien als eine Australopithecus Frau. Das geht nicht ohne Hilfe. Hier ist der Ursprung für die Evolution der Zusammenarbeit besonders für das Teilen der Nahrung, das es bei den Menschenaffen so nicht gibt. Teilen, das ist einer der wichtigsten Kennzeichen der modernen menschlichen Gesellschaft.
Bei Sammler und Jäger Völkern haben die Mütter vor allem zwei Quellen für Hilfe: da sind zum einen die Männer, die Fleisch erbeuten. Die Evolutionstheorie sagt voraus, dass die Männer mit ihrer Beute nur die eigenen Kinder unterstützen sollten. Doch für die Frühmenschen war Fleisch zwar eine besonders hochwertige Nahrung, sie war aber nur schwer zu erhalten. Deshalb macht es für Mann Sinn, seine Beute heute mit allen Mitgliedern der Gruppe zu teilen, um morgen vom Jagdglück eines anderen zu profitieren. Neben dem Fleisch großer Tiere spielten auch Knollen und Wurzeln eine wichtige Rolle für die Ernährung. Und hier waren als zweite Quelle der Unterstützung die Großmütter entscheidend.
Es ist immer gut eine Großmutter zu haben. Viele Studien zeigen, dass die Enkel gerade bei den Sammlern und Jägern von den Omas profitieren, von der Nahrung, die sie für ihre Tochter und deren Kinder sammelt. Allerdings wissen wir aus Feldstudien und von den Fossilienfunden, dass sehr viel weniger Menschen ein hohes Alter erreichten und deshalb nur wenige Töchter auf die Hilfe der Großmütter zählen konnten.
Leslie Aiello schätzt, dass nur etwa 60 Prozent der Frauen alt genug wurden, um ihre Enkel mit zu versorgen. Im Vergleich zu anderen Tierarten war dieser Vorteil aber groß genug, um in der Evolution der Gattung Homo die Lebenszeit der Frauen über die Phase der direkten Mutterschaft hinaus zu erhöhen. Insgesamt zieht Leslie Aiello aus ihrer Analyse des Energiebedarfs der Vor und der Frühmenschen den Schluss, dass sich beim Übergang von Australopithecus zu Homo ein komplettes Paket von Veränderungen gemeinsam entwickelt hat: ein auf Kosten des Darms vergrößertes Gehirn, ein großer Körper, neue Nahrungsstrategien, ein längeres Leben, Kooperation und eine Arbeitsteilung zwischen den Geschlechtern und Generationen. Damit reichen die Wurzeln des sozialen Wesens Mensch zwei ein halb Millionen Jahren zurück, in eine Zeit, in der wahrscheinlich noch keine Sprache gesprochen wurde, es keine Kultur gab und die Technologie sich kaum über Grabstock und Faustkeil hinaus entwickelt hatte.
Knochen sind für Anthropologen das, was für Literaturwissenschaftler Bücher sind: faszinierender Lesestoff. Noch aus den kleinsten Splittern, aus Ansatzstellen von Muskeln, aus Abnutzungsspuren versuchen sie Geschichten zu rekonstruieren, die Teil der Menschheitsgeschichte sind. Eine entscheidende Phase war der Übergang von den Vormenschen der Gattung Australopithecus zu den Frühmenschen der Gattung Homo vor etwa zwei ein halb Millionen Jahren in Afrika.
Der Australopithecus stand auf zwei Beinen, aber die waren kurz. Aus der Ferne betrachtet hätte er wie ein Schimpanse ausgesehen. Ein Homo erectus dagegen sah aus der Ferne genau wie wir aus. Er hatte dieselbe Körpergröße und Form. Aus der Nähe allerdings würde das kleinere Gehirn auffallen, er hatte keine hohe Stirn.
Professor Leslie Aiello vom University College London zeigt zur Illustration Fotos von dem Skelett von Lucy, der berühmtesten Vertreterin der Frühmenschen, und des Turkana Jungen, der viel größer ist und um die Körpermitte schlanker wirkt. Die schlanken Hüften sind für die Anthropologin ein wichtiger Hinweis. Sie glaubt, dass es beim Übergang vom Australopithecus zum Homo erectus sozusagen ein Tauschgeschäft zwischen zwei Organen gab, die besonders viel Stoffwechselenergie und damit Nahrung benötigen, nämlich zwischen Darm und Gehirn. Die Vormenschen suchten reichlich vorhandene aber schwer verdauliche pflanzliche Nahrung, sie benötigten deshalb wie die Menschenaffen einen langen Darm. Die ersten Frühmenschen dagegen nutzten Fleisch und nahrhafte Wurzeln und Knollen, die sie nur mit Werkzeugen ausgraben konnten. Diese komplexere Strategie erforderte ein größeres Gehirn, dafür waren leistungsfähige Verdauungsorgane nicht mehr so wichtig. Homo erectus hatte nicht nur eine andere Körperform, er war auch deutlich größer als ein Australopithecus und das heißt, er benötigte nicht nur andere sondern vor allem auch mehr Nahrung.
Für die Frauen ist das noch entscheidender, sie musste nicht nur ihren großen Körper ernähren sondern auch noch Schwangerschaften und Stillzeiten durchstehen. Dazu benötigte eine Homo erectus Frau 40 bis 50 Prozent mehr Kalorien als eine Australopithecus Frau. Das geht nicht ohne Hilfe. Hier ist der Ursprung für die Evolution der Zusammenarbeit besonders für das Teilen der Nahrung, das es bei den Menschenaffen so nicht gibt. Teilen, das ist einer der wichtigsten Kennzeichen der modernen menschlichen Gesellschaft.
Bei Sammler und Jäger Völkern haben die Mütter vor allem zwei Quellen für Hilfe: da sind zum einen die Männer, die Fleisch erbeuten. Die Evolutionstheorie sagt voraus, dass die Männer mit ihrer Beute nur die eigenen Kinder unterstützen sollten. Doch für die Frühmenschen war Fleisch zwar eine besonders hochwertige Nahrung, sie war aber nur schwer zu erhalten. Deshalb macht es für Mann Sinn, seine Beute heute mit allen Mitgliedern der Gruppe zu teilen, um morgen vom Jagdglück eines anderen zu profitieren. Neben dem Fleisch großer Tiere spielten auch Knollen und Wurzeln eine wichtige Rolle für die Ernährung. Und hier waren als zweite Quelle der Unterstützung die Großmütter entscheidend.
Es ist immer gut eine Großmutter zu haben. Viele Studien zeigen, dass die Enkel gerade bei den Sammlern und Jägern von den Omas profitieren, von der Nahrung, die sie für ihre Tochter und deren Kinder sammelt. Allerdings wissen wir aus Feldstudien und von den Fossilienfunden, dass sehr viel weniger Menschen ein hohes Alter erreichten und deshalb nur wenige Töchter auf die Hilfe der Großmütter zählen konnten.
Leslie Aiello schätzt, dass nur etwa 60 Prozent der Frauen alt genug wurden, um ihre Enkel mit zu versorgen. Im Vergleich zu anderen Tierarten war dieser Vorteil aber groß genug, um in der Evolution der Gattung Homo die Lebenszeit der Frauen über die Phase der direkten Mutterschaft hinaus zu erhöhen. Insgesamt zieht Leslie Aiello aus ihrer Analyse des Energiebedarfs der Vor und der Frühmenschen den Schluss, dass sich beim Übergang von Australopithecus zu Homo ein komplettes Paket von Veränderungen gemeinsam entwickelt hat: ein auf Kosten des Darms vergrößertes Gehirn, ein großer Körper, neue Nahrungsstrategien, ein längeres Leben, Kooperation und eine Arbeitsteilung zwischen den Geschlechtern und Generationen. Damit reichen die Wurzeln des sozialen Wesens Mensch zwei ein halb Millionen Jahren zurück, in eine Zeit, in der wahrscheinlich noch keine Sprache gesprochen wurde, es keine Kultur gab und die Technologie sich kaum über Grabstock und Faustkeil hinaus entwickelt hatte.