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Knochenarbeit und Glasperlen

Die Archäologie trifft durch Ausgrabungen, Forschungen und Experimente Aussagen über das Leben der Menschen in früheren Zeiten. Der Fachbereich Angewandte Archäologie der Universität Hamburg versucht Geschichte durch praktische Seminare lebendig zu machen. Dort wird in diesem Jahr zehnjähriges Jubiläum gefeiert.

Von Carola Hoffmeister und Dirk Schneider |
    "Wir werden ein römisches Kochen haben, da kann man probieren, wie die Römer gekocht und auch gegessen haben. Wir haben Knochen- und Geweihbearbeitung und Glasperlenherstellung. Da werden vor Ort Glasperlen hergestellt. Und ausprobieren kann man auch mal Techniken bei der Knochen- und Geweihbearbeitung, wie zum Beispiel ein alter Bohrer funktioniert und solcherlei Dinge."

    Tosca Friedrich ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Fachbereich Angewandte Archäologie. Sie hilft bei der Jubiläumsvorbereitung des Studiengangs, der durch seinen Praxisbezug einzigartig in Norddeutschland ist.

    Auch am heutigen Festtag im Garten des Instituts wird Archäologie angewandt und damit erfahrbar gemacht - zum Beispiel anhand einer Lehrgrabung. Mit Schaufel, Kelle, Eimer, Pinsel und jede Menge Maßband nehmen die Studenten regelmäßig an solchen Ausgrabungen teil. Genauso lernen die angehenden Archäologen, frühzeitliche Werkzeuge selber herzustellen oder mit ihnen zu arbeiten. Dadurch können sie Rückschlüsse auf die Lebensbedingungen von Steinzeitmenschen ziehen:

    "Das ist ein Geweih, und in früheren Zeiten haben die Menschen viele Dinge aus Geweih und aus Knochen gefertigt. Zum Beispiel hat man in der Steinzeit solche Harpunen gefertigt. Oder solche Knochenpfeilspitzen. Und im Endeffekt wird versucht nachzuempfinden, wie das hergestellt wurde, und wofür die Sachen benutzt wurden. Experimente zur Archäologie."

    Ein wichtiger Bestandteil der Angewandten Archäologie ist die Öffentlichkeitsarbeit. Auch im Museum werden die Forschungsergebnisse des Fachbereichs nicht einfach in Vitrinen ausgestellt. In Zusammenarbeit mit dem Studiengang entsteht im Außengelände des Hamburger Kindermuseums KL!CK ein Steinzeitprojekt mit Rentierzelten, einer Borkenhütte sowie Kult- und Feuerstellen:

    Die Kinder können sich in die Steinzeit versetzen, indem sie als Mitglieder eines Clans Steine schlagen, auf die Jagd gehen oder Kleidungsstücke nähen. Margot Reinig ist Projektleiterin des Kindermuseums:

    "Wir werden einen Haufen haben mit Knochen und Muscheln, das sind Abfälle, aber aus denen wurde ja auch etwas hergestellt. Wir werden auch Feuersteine haben, Lehm. Alles, was hier in der Gegend gemacht wurde, das ist sehr authentisch. Weil hier haben Steinzeitmenschen gelebt, genau hier, wo wir gerade sind. "

    Ein Berg schwarzer Miesmuscheln türmt sich bereits im Außenbereich des Museums auf. Aus ihnen haben die Menschen in der Steinzeit Schmuck gefertigt. Bald sollen die Kinder im Museum KL!CK aus den Schalen Ketten herstellen. Damit erfahren sie nicht nur theoretisch etwas über das Leben der Vorfahren, sondern auch praktisch.

    Das Kindermuseum ist nur ein Beispiel dafür, wie der Fachbereich Wissenschaft unterhaltsam verständlich macht. Genauso organisieren die Studenten mittelalterliche Kochkurse oder mobile Schulprogramme mit antiker Glasperlenherstellung.

    Auch mit den Lehrgrabungen ist das Angebot der Hamburger in Deutschland einzigartig. Die Vor-Ort-Erfahrungen mit Spaten und Spitzhacke sind Berufsvoraussetzung für angehende Archäologen. Sie werden aber nur an wenigen deutschen Universitäten angeboten.
    Dennoch ist das Orchideenfach vom Sparkurs der aktuellen Kulturpolitik bedroht:

    "Ganz speziell unser Fach frühgeschichtlicher Archäologie soll nicht nur gekürzt, sondern ganz weggekürzt werden. Und insofern versuchen wir schon herauszustellen, dass hier an der Universität was Besonderes läuft mit den praxisorientierten Seminaren, dass es das so in Deutschland nicht gibt."

    Die Angst vor Kürzungen aber verhindert keine Zukunftsträume. Und so hofft der Hamburger Fachbereich "Angewandte Archäologie" auf das nächste Jubiläum in zehn Jahren.