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Knurrender Magen oder Rang?

Biologie. - Gemeinsam essen macht mehr Spaß - das weiß jeder, der sich abends einsam vor dem Fernseher sein Rührei in den Mund schiebt. Auch Tiere, die in sozialen Gruppen leben, nehmen ihre Mahlzeiten meist gemeinsam ein - allerdings zählt bei ihnen nicht so sehr der Spaß-Faktor, erläutern britische Zoologen diese Woche in dem Wissenschaftsmagazin "Nature".

    Von Verena von Keitz

    Tier müsste man sein - denn es steht meist lediglich vor der Entscheidung: Geh ich fressen oder schlaf ich ne Runde? Allerdings wird diese Entscheidung schwieriger, wenn Tiere in Gruppen leben und ihren Tagesablauf mit dem der anderen koordinieren wollen - dann müssen sie ihre Verhaltensweisen synchronisieren und sich nach den Bedürfnissen der anderen richten. Dass die gemeinsame Futtersuche aber deutliche Vorteile hat, sagt der englische Verhaltensforscher Sean Rands vom Zoologischen Institut der Cambridge-University.

    Wenn ein Tier in der Gruppe auf Futtersuche geht, kann das die Gefahr vermindern, einem Raubtier zum Opfer zu fallen, weil die anderen auch aufpassen. Außerdem finden vielleicht die anderen zuerst Futter, das man dann teilen oder auch stehlen kann.

    In einer Gruppe hat nicht unbedingt jedes Tier zur gleichen Zeit Hunger. Doch wer gibt den Impuls, das sich die Gruppe auf die Suche nach etwas Essbarem macht? Bisher existieren kaum Untersuchungen zu dieser Synchronisierung von Fress-Verhalten. Forscher beobachteten dieses Verhalten aber vor allem bei Wiederkäuern wie Kühen, Schafen und Rehen.

    Sean Rands und seine Kollegen haben mit Hilfe eines Computermodells berechnet, was am sinnvollsten für sozial lebende Tiere ist. Zur Vereinfachung gingen sie aber nicht von einer ganzen Herde, sondern von nur zwei Individuen aus. Nach diesem Modell ergibt sich der größte Vorteil aus einer sehr fairen Methode: Nicht das Leittier läutet zum Essen, sondern das Individuum mit den niedrigsten Energiereserven - also dem größten Hunger. Und das andere Tier geht stets mit, auch wenn sein Magen noch gar nicht knurrt. Dies zeigten auch Experimente mit Schwarmfischen wie Lachsen und Plötzen. Rands:

    Das Tier hat die Wahl, sich weiter auszuruhen, oder aber es kopiert das Verhalten des anderen -unser Modell verspricht den Tieren mehr Vorteile, wenn sie das tun, was die anderen tun.

    Denn auch wenn das Ausruhen möglicherweise Energie spart, bringt die Suche nach Nahrung doch höhere Chancen, die Energievorräte ordentlich aufzufüllen. Eine Garantie dafür gibt es allerdings nicht. Aus diesem Grund können die Energiereserven der Tiere unterschiedlich sein. Die Folge: Auch die Fresslust ist verschieden, obwohl die Tiere immer zur gleichen Zeit auf Nahrungssuche gehen. Rands:

    Man kann einfach nicht voraus sagen, ob Futter da sein wird, wenn man auf die Suche geht. Wegen dieser Zufälligkeit in der Umwelt ist es möglich, dass ein Tier weniger Futter findet als das andere, es folglich hungriger bleibt und das andere weniger hungrig.

    Würde immer nur ein Tier bestimmen, wann die Gruppe auf Futtersuche geht, könnte sich dieser Effekt weiter verstärken: Ein Tier, das weniger Futter findet, hat weniger Reserven, darf aber nicht den Zeitpunkt der Nahrungssuche bestimmen. Auch dieses Szenario spielten die britischen Zoologen durch und erhielten dann in der Regel Tiere, von denen das eine immer dünner, das andere immer dicker wurde. Und das, obwohl sie die speziellen Eigenschaften der Individuen - der Spieler, wie sie sie nennen - gar nicht berücksichtigten. Rands:

    In der Veröffentlichung sind die Spieler gleich, aber es kann ja sein, dass eins die Nahrung besser verwertet - so ein Tier bleibt dann über einen langen Zeitraum das schwerste, weil es eben diesen Vorteil hat.

    Sean Rands möchte jetzt das Modell auf größere Gruppen beziehen und außerdem an realen Pavianen in Namibia überprüfen. Das Grundprinzip, das die komplexen Verhaltensweisen innerhalb einer Gruppe bestimmt, ist seiner Meinung nach ein sehr schlichtes, das übrigens nicht nur für die Futtersuche von sozialen Säugetieren gilt. Rands:

    In manchen Gebieten Europas leuchten Glühwürmchen alle zur gleichen Zeit - ein riesiges leuchtendes Beispiel von synchronisiertem Verhalten, das der einfachen Regel folgt: Mache immer das, was dein nächster Nachbar auch tut.

    Also immer gemeinsam losziehen, wenn einer Hunger hat. Was für den Menschen gewisse Risiken bezüglich seiner Figur bergen könnte, ist für Tiere indes kein Problem: Da sie sich ja nicht an gedeckte Tische setzen, droht ihnen mit diesem Verhalten auch keine Verfettung.