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"Koalition mit der Linkspartei im Bund nicht möglich"

Die Große Koalition ist nach Ansicht von SPD-Vorstandsmitglied Björn Böhning auch bei einer Zusammenarbeit der hessischen Sozialdemokraten mit der Linkspartei nicht gefährdet. Es gebe in der Partei den klaren Beschluss, dass die Landesverbände selbst entscheiden, welche Koalition sie eingehen, sagte der SPD-Politiker. Im Bund seien die sozialdemokratischen Standpunkte in der Außen- wie in der Sozial- und Finanzpolitik mit denen der Linkspartei nicht vereinbar.

Björn Böhning im Gespräch mit Christian Schütte |
    Christian Schütte: Der hessische Landesverband der Linkspartei hat sich am Wochenende dafür ausgesprochen, eine rot-grüne Minderheitsregierung zu tolerieren. Die Beschlüsse, die im Bürgerhaus der Kleinstadt Lollar gefasst wurden, haben auch Auswirkungen auf den Bund. Für die Große Koalition wird das Projekt "Machtwechsel in Wiesbaden" nämlich zunehmend zu einer Belastung. Einige führende CDU-Politiker sehen die Große Koalition ernsthaft in Gefahr. Auch einige Landesgruppen machen Druck. Am Telefon begrüße ich Björn Böhning, Mitglied im SPD-Bundesvorstand und Sprecher der SPD-Linken. Guten Morgen, Herr Böhning!

    Björn Böhning: Schönen guten Morgen.

    Schütte: Herr Böhning, wer aus der SPD kann Frau Ypsilanti jetzt noch stoppen?

    Böhning: Es geht nicht darum, dass jemand in der SPD Frau Ypsilanti stoppt, sondern die SPD hat einen klaren Beschluss gefasst. Die Landesverbände entscheiden selbst darüber, welche Koalitionen sie wählen. Dieser Beschluss steht und das sollte auch so bleiben.

    Schütte: Das heißt, die SPD läuft jetzt sehenden Auges in ihr Verderben?

    Böhning: Die SPD läuft nicht sehenden Auges in ihr Verderben, sondern wir sind inhaltlich gut aufgestellt. Wir haben uns im Bund den Fahrplan für ein weiteres Jahr Große Koalition gelegt und diesen Fahrplan werden wir jetzt auch umsetzen. Es geht um Themen wie Erbschaftssteuer und andere Dinge und es geht auch darum, dass die SPD nicht nur über sich selbst redet.

    Schütte: Nun muss man kein Prophet sein, um vorauszusagen, dass SPD und Grüne in Hessen es versuchen werden, mit Hilfe der Linken einen Regierungswechsel herbeizuführen. Wer kann dann der SPD im Bund noch ernsthaft glauben, dass sie dauerhaft kein Bündnis mit der Linken auf Bundesebene anstrebt?

    Böhning: Das ist relativ einfach zu beantworten. Wir haben inhaltliche Kriterien an Koalitionen immer definiert, übrigens auch in den Ländern, auch in Hessen. Im Bund sind unsere Positionen der Außenpolitik, also die SPD-Positionen der Außenpolitik, der Sozialpolitik, auch der Finanzpolitik mit denen der Linkspartei sowohl heute als auch morgen nicht vereinbar. Dementsprechend kann eine Koalition mit der Linkspartei im Bund nicht möglich sein.

    Schütte: Das heißt, die Bundes-SPD gibt ihr Wort. In Hessen allerdings ist es allen Beteuerungen Frau Ypsilantis vor der Wahl zum Trotz dann doch zum Wortbruch gekommen. Nun wird sogar der zweite Versuch gestartet. Das heißt, die Glaubwürdigkeit grundsätzlich ist ja dahin?

    Böhning: Das glaube ich erstens nicht, weil es immer noch ein landesspezifisches Problem ist und die SPD insgesamt davon nicht betroffen ist, weil hier eine Situation entstanden ist, wo keiner wirklich einen Ausweg weiß und gute Ratschläge immer willkommen sind. Ich rate aber allen in der Partei sehr dazu, jetzt das Landesproblem nicht zu einem Bundesproblem zu machen.

    Schütte: Nun heißt es aus der CDU, die Basis für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit auch im Bund sei dahin, wenn Frau Ypsilanti mit der Linken gemeinsame Sache mache. Müsste man ihren Kurs, also Frau Ypsilantis Kurs, nicht deutlich bezeichnen als verantwortungslos und unsolidarisch, weil sie die Bundes-SPD in Schwierigkeiten bringt und die Große Koalition in Gefahr?

    Böhning: Ich kann die Wertung, die da bei Ihnen mitklingt, so nicht nachvollziehen. Das, was wir aus der Union da hören, sind wirkliche Parolen aus dem Off der weiten CDU. Ich bin der festen Überzeugung, dass Frau Merkel die Große Koalition noch ein Jahr bis zur nächsten Bundestagswahl fortführen will. Wenn Frau Merkel das nicht will, muss sie jetzt Farbe bekennen. Ich erwarte auch von ihr, dass sie gegenüber diesen wirklich absurden Parolen auch von Herrn Wulff jetzt Farbe bekennt.

    Schütte: Absurde Parolen, sagen Sie. Jetzt ist aber genau die Situation eingetreten, vor der Spitzenpolitiker in der SPD immer gewarnt haben. Das heißt, die Union kann erfolgreich Stimmung machen gegen die SPD und die Sozialdemokraten stehen da ein wenig hilflos jetzt in der Ecke.

    Böhning: Nein, wir stehen nicht hilflos in der Ecke. Wir haben jetzt in den nächsten Wochen und Monaten ziemlich harte und inhaltliche Auseinandersetzungen mit der Union zu führen. Es geht um die Frage, wird die Erbschaftssteuer zum Ende des Jahres abgeschafft, oder erhalten wir weiterhin eine Erbschaftssteuer in Deutschland. Es geht um die Frage, wie gehen wir um mit der Rente und der Altersarmut. Diese Fragen müssen in der Großen Koalition geklärt werden. Also es sind noch viele Aufgaben vor uns und ich bin der festen Überzeugung, wir müssen die Union inhaltlich stellen und sollten uns nicht ständig auf die Linkspartei-Debatten einlassen.

    Schütte: Sie wollen die Union stellen. Es wird aber vermutlich auch anders herum laufen, nämlich dass die Union versucht, die SPD weiter vor sich herzutreiben. Was können Sie dem entgegensetzen?

    Böhning: Ich sage ja: Man wird nicht mit Koalitionsdebatten die Wahlen gewinnen können. Ich bin auch der festen Überzeugung, dass die Menschen diese ganze Debatte um die Frage von Koalitions-Arithmetiken weniger berühren als die Frage, gibt es ein würdevolles Altern, gibt es eine gerechte Steuerpolitik in Deutschland, oder gibt es sie nicht. Da wird die SPD nun in den kommenden Monaten Fuß fassen müssen und wir haben heute im Parteivorstand beispielsweise ein bildungspolitisches Papier, um deutlich zu machen, dass wir für Chancengleichheit im Bildungssystem einstehen und das auch ganz konkret programmatisch durchdeklinieren können. Das ist noch weitaus mehr als das, was Angela Merkel dort als Show inszeniert.

    Schütte: In diesem Bildungsprogramm fordern sie kostenlose Kindertagesstätten, Schulbücher vom Staat, keine Studiengebühren. Ein Programm, das die SPD mit der Union kaum realisieren kann, aber mit der Linken im Bund.

    Böhning: Erst einmal ist vieles von dem, was dort geschrieben ist, vielfach Ländersache und es ist schon einmalig, dass Bund und Länder, Bildungspolitiker in Bund und Ländern der SPD sich auf ein gemeinsames Konzept einigen. Das ist ein richtiger Weg. Und in der Tat: Wir wollen die Gebührenfreiheit vom Kindergarten, von der Krippe bis hin in die Universität. Wie wir das durchsetzen, ist relativ klar: zum Beispiel mit Rot-Grün in den Ländern. Und auch übrigens dort, wo wir mit der Union regieren, in Schleswig-Holstein beispielsweise, gibt es keine Studiengebühren.

    Schütte: Ein Gegner des rot-grün-roten Bündnisses in Hessen, das möglicherweise ja so kommen wird, ist Vizekanzler Steinmeier, der als aussichtsreicher Kandidat der SPD für das Kanzleramt gilt. Warum riskiert die Partei, ihren Hoffnungsträger zu schwächen?

    Böhning: Ich kann das nicht erkennen, sondern die SPD muss immer eine Mitte-Links-Aufstellung wählen.

    Schütte: Herr Steinmeier wird sich im Wahlkampf ständig erklären müssen.

    Böhning: Ja und das ist auch in Ordnung. Wenn die SPD eine Aussage trifft, nämlich dass im Bund keine Koalition mit der Linkspartei zu Stande kommt, dann steht diese Aussage auch.

    Schütte: Herr Böhning, warum erspart sich die SPD nicht einfach diesen ganzen Ärger und pfeift Frau Ypsilanti doch noch zurück? Noch ist es ja nicht zu spät.

    Böhning: Es geht nicht darum, irgendjemanden zurückzupfeifen, sondern es geht darum, dass dieser Beschluss, den wir mit fast einstimmiger Mehrheit im Parteivorstand und im Parteirat der SPD beschlossen haben, die Länder entscheiden selbst über die Koalitionen, auch umgesetzt wird. Wer will jetzt eine Debatte in Hessen führen, wenn wir Debatten zukünftig auch in anderen Ländern bekommen? Wir können doch jetzt die nächsten zehn Jahre nicht ständig nur darüber diskutieren, welche Koalitionen die SPD auf Landesebene macht. Wir müssen uns zu den Menschen hinwenden, und darum geht es in den nächsten Monaten.

    Schütte: Björn Böhning, Mitglied im SPD-Bundesvorstand und Sprecher der SPD-Linken. Ich danke Ihnen für das Gespräch.