
Mini-Minen wie diese gibt es überall im Süden der Demokratischen Republik Kongo. Verlassene und sehr aktive. Die ganze Region Katanga liegt auf reichen Metallvorkommen - Kupfer und vor allem Kobalt. Im Kongo lagert rund die Hälfte der weltweiten Reserven des wertvollen Rohstoffs.

So Shiraz Virji. Der Kongo – eines der an Rohstoffen reichsten Länder der Welt – ist berüchtigt für die katastrophalen Bedingungen, unter denen sie abgebaut werden.
Ein Teil der Ausfallstraße aus der selbsternannten Kobalthauptstadt der Welt ist gesperrt: Einsturzgefahr. Unzählige Tunnel von selbstgegrabenen Minen mitten in der Stadt haben die Fahrbahn unterhöhlt.
"Im Stadtteil Kasulu sind die Kleinminen in den Wohnvierteln. Die Leute in den Häusern fangen gleich nach dem Aufstehen an, auf ihrem eigenen Grundstück zu graben. Dort finden sie die Mineralien und bauen sie ab."
Unter katastrophalen Bedingungen, sagt Nicole Masanze von der Hilfsorganisation World Vision. Ohne Helme oder Schutzkleidung, ohne Atemmasken gegen den Staub und ohne Sicherung. Jeder Abstieg ist ein halsbrecherischer Akt.
Wie viele Schürfer kein Glück haben und in der Tiefe sterben, weiß niemand genau. Aber das Risiko schreckt die wenigsten ab. Sebastian Vetter ist Geologe für die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe in Katanga:
"Man muss vielleicht verstehen, dass jemand, der im Kleinbergbau arbeitet, am Tag wesentlich mehr verdienen kann, wenn er denn die entsprechende Arbeitsleistung bringt und ein entsprechendes Vorkommen findet, als jemand, der z.B. in der Landwirtschaft tätig ist."
Praktisch kennen die wenigsten Schürfer die Vorschriften oder sie ignorieren sie einfach. Nach den gefährlichen illegalen Minen muss man nicht in versteckten Ecken suchen – sie sind überall. Wenn die Behörden doch mal welche schließen wollen, gibt es ganz schnell Krawall. Und auch das Verbot der Kinderarbeit steht nur auf dem Papier. Arcel z.B. war 13, als er seinen älteren Brüdern in die Minen gefolgt ist.
"Ich hatte keine andere Beschäftigung. Meine Brüder haben mir gesagt, in den Minen kannst Du viel Geld verdienen. Deshalb habe ich dort angefangen."
Zweieinhalb Jahre hat er unter der Erde geschuftet, bis World Vision ihm eine Ausbildung zum Schweißer finanziert hat. Das Trainingsprogramm ist Teil des Projektes ProMines, mit dem die kongolesische Regierung die Situation in den Bergbaugebieten verbessern will. Das Geld dafür kommt von der Weltbank. Die Arbeit vor Ort machen verschiedene Hilfsorganisationen.
"Zu Beginn des Projekts haben wir fast 10.000 Kinder in den Minen aufgespürt. Wir kümmern uns um neun Standorte. Seither haben wir 1.200 Kinder da rausgeholt", sagt Florence Mambo, die Direktorin für den Süden des Kongo bei World Vision. Ein Erfolg, aber nur ein Anfang. In der gesamten Region Katanga arbeiten bis heute konservativen Schätzungen zufolge mindestens 22.000 Kinder im Kobaltabbau.
"Dass es vor allem auf nationalem Level ein sehr, sehr großes Interesse gibt, dieses Problem in den Griff zu bekommen. Weil man eben diese Erfahrung hat aus dem Osten des Kongo, dass enorme Reputationsrisiken für den kongolesischen Bergbausektor bestehen."
So Sebastian Vetter von der BGR. Der Provinzgouverneur in Kolwezi macht es sich da offenbar leichter. Er versucht, den ramponierten Ruf seiner Bergbauregion zu verbessern, indem er die Berichterstattung verhindert. Trotz stundenlanger Wartezeit will niemand von der Provinzregierung etwas zu Kleinminen oder Kinderarbeit sagen. Und die Betroffenen sollen eigentlich auch nicht reden.
Eine holprige Nebenstraße am Stadtrand von Kolwezi führt zu einem Feld mit Kobaltminen. Der Eingang wird bewacht von speziellen Minenpolizisten.
Am Schlagbaum steht ein großes Schild: Zutritt für Kinder und schwangere Frauen streng verboten. Für Journalisten ist die Reise hier zu Ende. Die Minenpolizisten haben strikte Anweisung vom Gouverneur, lästige Reporter von den Kleinminen fernzuhalten. Der Zutritt für Kinder ist weniger schwierig.
"Wenn Du ihnen etwas zahlst, lassen sie Dich durch. So 2.000 Francs. Wenn ich 3.000 verdiene, bleiben mir dann nur noch 1.000 Francs."
Ungefähr 1,50 Euro – eine winzige Summe für einen ganzen Tag harter Arbeit. Die 13-jährige Patricia hat in einer solchen Minenzone Kupfer und Kobalt gesammelt. Ein Labyrinth aus ungesicherten Löchern im Boden.
Ein Freund ist in eins der Löcher gefallen und gestorben, erinnert sie sich. Angst hatte sie danach schon, aber sie musste in die Minen zurück, um ihre Familie zu unterstützen. Genau wie Alfonse. Er hat mit elf angefangen, Kobalt zu schürfen.
"Damals war mein Vater sehr krank und konnte nicht arbeiten. Er war nicht glücklich, dass ich in die Minen gegangen bin, aber ich musste, damit wir überleben konnten. Seit es ihm besser geht, arbeitet er wieder in den Minen, und ich gehe zur Schule."
"Die großen Produzenten, die Kobalt produzieren im Kongo, sind natürlich internationale Unternehmen, die nach internationalen Standards arbeiten. Betreffend Umwelt, Arbeitssicherheit, aber auch Produktionsqualität."
Lebensgefährliche Arbeitsbedingungen oder Kinderarbeit gibt es in den Industrieminen nicht. Aber die riesigen Tagebau-Gruben verschlingen gewaltige Flächen Land und verursachen andere Probleme.
Ein paar Vögel zwitschern in den Bäumen, sonst ist es still auf dem Hügel im Niemandsland außerhalb von Kolwezi. Ein gutes Dutzend schmucker Häuser steht am Hang über einem malerischen, tief eingeschnittenen Flusstal.
Die Häuser sind erst anderthalb Jahre alt, solide gebaut und säuberlich weiß verputzt. Auf den ersten Blick ein perfekter Ort für eine Siedlung. "Sie haben die Häuser gebaut, aber es gibt hier keinen Strom, kein Wasser, kein Krankenhaus. Wir sind viel zu weit weg von der Stadt."
Noeli Mwima und ihre Nachbarn haben früher in Kasulu gelebt – bis ein chinesischer Konzern eine Minenkonzession dort gekauft hat, sagt sie. Alle Häuser auf dem künftigen Tagebau mussten weg.
"Sie haben uns die Wahl gelassen: Entweder eine Entschädigung in Bargeld oder ein neues Haus woanders. Für ein Haus mit fünf Zimmern z.B. hätten sie 2.500 Dollar bezahlt. Aber dafür kann man kein anderes Haus kaufen. Deshalb haben wir uns für das neue gebaute Haus entschieden und leben jetzt hier."
Eine Entscheidung, die Noeli Mwima längst bitter bereut hat. Wasser ist das größte Problem. Zwischen den neuen Häusern steht eine Motorpumpe, aber keiner in der winzigen Siedlung hat Geld für den Treibstoff. Eine Handpumpe daneben war schon nach einem Tag kaputt.
"Als wir hergekommen sind, haben sie uns eine Menge versprochen: Sie wollten uns Wasser- und Stromanschlüsse geben. Aber bis heute haben sie gar nichts getan. Wir müssen Wasser aus dem Fluss holen. Aber an den Ufern stehen Fabriken, die ihren Unrat da reinleiten. Dieses Wasser müssen wir trinken."
Und das vermutlich für eine lange Zeit. Die Bewohner sitzen in ihrer hübschen Siedlung fest - weil keiner genug Geld hat, woanders neu anzufangen. Solche Fälle beschädigen auch den Ruf der großen Kupfer- und Kobaltproduzenten. Sein Konzern Chemaf macht das anders, beteuert Shiraz Virji:
"Wir geben ein bis zwei Prozent unserer Umsätze sofort an unsere Abteilung für Soziales. Wir haben eine Menge soziale Programme. Schulbildung und Wasserversorgung gehören zu unseren Prioritäten. Wir pumpen so viel sauberes Trinkwasser wie möglich zu den Häusern in der Gegend. Wir tun, was wir können."

"Wir wollen, dass sie gehen, aber über einen längeren Zeitraum, in dem sie lernen können, etwas anderes zu tun. Denn viele von ihnen können gar nichts anderes. So lange kaufen wir ihnen ihr Kobalt ab. Wir können ihnen schließlich nicht ganz plötzlich sagen, 'verschwindet von hier'."
Die gefährlichen selbstgebuddelten Löcher müssen allerdings sofort weg. Chemaf hat einen Bereich auf seiner Konzession abgezäunt, in dem die Schürfer Kobalt abbauen können, ohne ihr Leben zu riskieren.
"Um dahin zu kommen, muss man an Kontrolleuren vorbei. Man kann nicht mehr einfach auf eigene Faust losziehen, sondern braucht einen Ausweis. Erst dann darf man rein und schürfen", sagt Serge Nikumuzinga aus dem Dorf Mukoma am Rand der neuen Mine enttäuscht. Registrierung und Schutzkleidung kosten 40.000 Franc, gut 20 Euro. Die kann oder will er nicht bezahlen. Aber von seinen Möglichkeiten für alternative Jobs hält er auch nicht viel:
"Da bleiben nur noch die Landwirtschaft und der Holzkohleverkauf. Was sollen wir sonst machen, wenn sie uns nicht mehr ohne Genehmigung auf die Konzession lassen? Wir müssen etwas anbauen oder Kohle herstellen, um zu überleben."
Mittlerweile haben einige Bergbaubaukonzerne auf ihren Konzessionen Bereiche eingerichtet, wo Kobalt-Schürfer sicher arbeiten können. Allerdings sind das bei weitem nicht genug.
Die Industriemine ist von hohen Abraumhalden umgeben. Die sind durchlöchert wie ein Schweizer Käse. Schürfer buddeln Sand und Geröll aus der Halde und schleppen die Ausbeute in Säcken den Hang herunter zu einem halb ausgetrockneten See - zum Waschen und Sortieren. Vanessa Umbakaso hat als Teenager dort gearbeitet.
"Das ist harte Arbeit und nichts für Frauen. Ich hab immer gefroren und war ständig krank. Es gab eine Menge Gewalt. Die Schürfer haben uns oft verprügelt."
Dutzende Menschen stehen tief gebeugt in der schmutzigen Brühe - alte Männer, Frauen und Kinder. Unermüdlich füllen sie Geröll in große Eimer und spülen den Sand von den dickeren Steinen. Im Abraum sind noch genug Mineralien – man muss sie nur finden.
"Wenn Du frisch anfängst, sagen Dir die erfahrenen Schürfer, was Du machen musst. Sie zeigen Dir, welche Farbe die Mineralien haben und wie totes Gestein aussieht."
Kobaltoxid ist schwarz, Kupferoxid grün. Greta Kasongo hat fünf Jahre lang Steine gewaschen und sortiert, seit sie zwölf war. Heute tut sie das nicht mehr und kann deshalb reden. Am See gibt es zwar keine Minenpolizei, aber zwei mächtige Kooperativen, die das Sagen haben. Journalisten sind nicht willkommen, Interviews völlig ausgeschlossen.
"Mit dieser harten Arbeit habe ich am Ende eines Tages weniger als 5.000 Franc verdient." Rund 2,50 Euro, erinnert sich Vanessa. Die grünen und schwarzen Stücke, die vereinzelt zwischen dem grauen Gestein aufblitzen, sind winzig. Es dauert ewig, bis ein großer Sack voll ist – und bezahlt wird. Frauen und Kinder bekommen am wenigsten, erklärt Florence Mambo von World Vision:
"Von ihnen kauft keiner zu gerechten Preisen. Vor allem die Kinder in den Minen werden ausgebeutet. Weil die Käufer die Preise selbst festsetzen. Und die Kinder verdienen nicht annähernd genug."
"Die Marge ist einfach attraktiv. Das ist vermutlich der Hauptgrund. Und natürlich hat man keine Verantwortlichkeit, was sein Personal angeht. Das produzierende Personal ist sozusagen outgesourct."
Der Nachteil: Kobalt aus Industrieminen und dem illegalen Kleinbergbau landet gut gemischt in den gleichen Raffinerien. Ein Alptraum für die Endabnehmer, die gerne beweisen würden, dass sie nur sauberes Kobalt für ihre Batterien verwenden. Den Schürfern im Kongo ist das ziemlich egal, solange das Geld stimmt. Ihr Verdienst hängt vom Weltmarktpreis für das reine Metall ab – und schwankt damit stark. Aber er ist gut genug, um Nachwuchs in die illegalen Minen zu locken. Wie den heute 16-jährigen Christoph:
"Ein paar meiner Freunde haben vor mir in den Minen gearbeitet. Sie hatten immer Geld und schicke Klamotten. Ich hatte gar nichts. Also habe ich trotz des Risikos dort angefangen, um etwas zu verdienen."
Der Traum vom schnellen Reichtum oder zumindest von einem gesicherten Einkommen hält geschätzt 200.000 Menschen in den Klein-Minen. Sie einfach zu schließen, ist weder durchsetzbar noch eine Lösung, sagt Florence Mambo von Worldvision:
"Ein Verbot, ja, aber was ist die Alternative? Die Eltern haben keine andere Möglichkeit, ihre Kinder zu ernähren. Und so lange das der Fall ist, wird der Kobaltabbau so weitergehen."
