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Koch-Mehrin: Hofberichterstattung nicht erwünscht

Europa stecke in einer Akzeptanzkrise. Die geplante Medienoffensive von Kommissionspräsident Manuel Barroso in eigener Person hält die Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments, Silvana Koch-Mehrin (FDP), aber für den falschen Weg. Viel wichtiger sei es, Themen in den Mittelpunkt zu rücken.

Silvana Koch-Mehrin im Gespräch mit Dirk Müller |
    Dirk Müller: "L'État, c'est moi", der Staat bin ich. Das hat Ludwig XIV. seinen Untertanen klar gemacht. Um dies zu untermauern, hat der Monarch Tausende von Porträts in Auftrag gegeben, damit der Adelige wie auch der gemeine Franzose ihn möglichst häufig zu Gesicht bekommt – PR-Arbeit im ancien régime. Heute ist die Methode anders, um politische Botschaften wie auch persönliche Eitelkeiten der Politiker unters Volk zu bringen. Manuel Barroso zum Beispiel, der Präsident der EU-Kommission, er sieht sich offenbar nicht ausreichend von der Öffentlichkeit gewürdigt - er, das Gesicht Europas. So geht der Portugiese in die mediale Offensive. Er will zum Beispiel ein persönliches Kamerateam und vier Fotografen, die ihn ständig begleiten und entsprechend in Szene setzen. Das kostet alles Millionen.

    Viele Europaabgeordnete schütteln verwundert mit dem Kopf, so auch Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments, Silvana Koch-Mehrin (FDP). Guten Morgen.

    Silvana Koch-Mehrin: Guten Morgen, Herr Müller!

    Müller: Frau Koch-Mehrin, ist Manuel Barroso ein demokratischer Sonnenkönig?

    Koch-Mehrin: Also weder König, noch demokratisch. Das ist, glaube ich, auch genau das Problem. Richtig ist natürlich, dass Europa zu oft als ferne Bürokratie wahrgenommen wird, man hat kein Bild und auch keine Person, keinen echt lebenden Menschen sozusagen vor Augen, wenn man an EU denkt. Das Problem ist nur, dass hier, finde ich, der zweite Schritt vor dem ersten gemacht wird, nämlich die Kommunikationsstrategie auf eine Person ausgerichtet, die ja gerade noch nicht demokratisch legitimiert ist, wie das bei Merkel oder bei Sarkozy eben ist. Insofern gibt es da einen großen Unterschied und ich glaube, man muss erst mal die demokratischen Defizite abbauen, bevor man dann sagen kann, es gibt hier einen Chef, den man auch entsprechend so ins Licht dann stellt.

    Müller: Aber dann würden wir vermutlich ja erst in 20, 30 Jahren wieder über das Thema reden?

    Koch-Mehrin: Wir können ja zumindest anfangen damit, dass diejenigen, die demokratisch gewählt sind, auch in den Regierungen zu Hause häufig, sehr viel deutlicher machen, wo eigentlich der Beitrag Europas ist, und bei den meisten Themen, die wir inzwischen innenpolitisch diskutieren, handelt es sich ja eigentlich um Themen mit Europabezug. Das wird aber viel zu oft in den Debatten in Deutschland gar nicht klar und es wäre schon dann auch, sage ich mal, ehrlicher, wenn wir um Umweltpolitik, wenn wir um Energiepolitik, was auch immer reden in Deutschland, dass man immer sagt, dass eigentlich der größte Teil dessen inzwischen ein europäisches gemeinsames Projekt ist und nicht mehr nur uns in Deutschland allein betrifft.

    Müller: Also leiden alle Europäer beziehungsweise die für Europa in Europa tätig sind, Sie ja auch, unter fehlender Medienpräsenz?

    Koch-Mehrin: Ich glaube, es ist wirklich jetzt keine Überraschung, weder für Sie sozusagen als Medienschaffender, noch für die Zuhörer, dass man von Europa wenn überhaupt, dann ab und an Krisenmeldungen oder Skandalmeldungen mitbekommt, aber die eigentliche Berichterstattung über Themen, die diskutiert werden, und das vergleicht mit den Diskussionen in Berlin, dass das minimal ist, dass da kaum was rüberkommt. Und wir haben dann auch eine Akzeptanzkrise von Europa. Die in Brüssel, die werden weit weg irgendwie wahrgenommen, oder eben auch abschätzig beurteilt, aber ich glaube nicht, dass man das ändern kann, indem man eine Kommunikationsoffensive für eine Person macht, sondern eben diese politischen Themen eher zu Innenpolitik macht und dort die Wahrnehmung, die es dafür ja schon gibt, nutzt, als dass man eine ganz neue Offensive da startet.

    Müller: Sie haben ja in Europa noch ein Gesicht, was ja zumindest ganz oben steht, im Ranking sowie auch in der Außendarstellung. Das ist der Konkurrent von Manuel Barroso, Hermann van Rompuy. Da ist ja auch umstritten: Ist er jetzt nun telegen oder nicht. Hat die Europäische Union sich damit einen Bärendienst erwiesen?

    Koch-Mehrin: Wir haben derzeit ziemlich viele Präsidenten und es ist natürlich nicht so ganz einfach, dann zu unterscheiden, wer ist jetzt sozusagen der wichtigste Präsident. Ich glaube, die beteiligten Personen sind sich da auch noch nicht so ganz einig, wer da nun welche Rolle im Einzelnen gerade auch vor der Öffentlichkeit einnehmen soll. Wir haben jetzt diese Situation, mit der müssen wir jetzt erst mal klarkommen. Wenn es irgendwann einen anderen Vertrag gibt, hoffe ich darauf, dass man es schafft, zum Beispiel einen Präsidenten für Europa zu haben, den man auch direkt wählen kann, wo wir, wo die Bürgerinnen und Bürger die Möglichkeit haben zu sagen, den will ich als Präsidenten von Europa haben. Wir haben jetzt das Spiel, dass die Regierungschefs sich auf Kompromisskandidaten einigen und die dann eben vorgestellt werden, installiert werden, ohne dass es dafür wirklich demokratische Prozesse gibt.

    Müller: Frau Koch-Mehrin, reden wir noch einmal über diese Pläne von Manuel Barroso, sich ein neues Team zu schaffen, permanent in Begleitung zu sein, das heißt omnipräsent zu sein in irgendeiner Form auch immer. Das kostet Millionen. Sie haben das in einem ersten Schritt im Parlament erst einmal gestoppt. Wie geht das jetzt weiter?

    Koch-Mehrin: Ja, das ist richtig. Wir haben das im Parlament mit, sage ich mal, Überraschung zur Kenntnis genommen, was da die Überlegungen sind, und haben gesagt, das wollen wir erst mal genauer wissen, was läuft denn da, da wollen wir ein paar Erklärungen haben. Und dann hat der Haushaltsausschuss auf Initiative der FDP das entsprechend in die sogenannte Reserve gestellt. Das heißt, das Geld wird erst freigegeben, wenn die Kommission entsprechend Rechenschaft ablegt über ihre Pläne. Und nun gibt es die Einwilligung, dass das passieren soll, nach ziemlichem Hin- und Hergeziehe, aber insofern hat das Parlament da einen Erfolg bekommen, dass die EU-Kommission nun erst einmal darstellt, was eigentlich genau passieren soll, was jetzt inzwischen ja nur noch Überlegungen sind, ob das nun konkret wird oder nicht.

    Müller: Aber dann bekommt Barroso doch seinen Hofstaat?

    Koch-Mehrin: Das ist die Frage. Wir haben das Geld noch nicht freigegeben und es gibt insgesamt ein sehr viel größeres Kommunikationsbudget, da sind alle Websites, alle Broschüren, alles, was die EU so macht, für Kommunikation. Und diese, sage ich mal, sehr personalisierte Kommunikationsunterstützung wird hier auch parteiübergreifend als nicht sehr wünschenswert gesehen. Deswegen müssen wir jetzt erstens mal genau darlegen lassen, was soll jetzt aus den Überlegungen werden, soll die Hofberichterstattung beibehalten bleiben oder nicht. Wenn sich das ändert, dann können wir das Geld freigeben. Wenn sich das nicht ändert, werden wir sicherlich nicht diesen Schritt so machen. Aber alles steht natürlich jetzt unter dem Vorbehalt, dass es überhaupt einen Haushalt gibt. Das ist ja sowieso noch die sozusagen viel größere Frage, die sich damit verknüpft.

    Müller: Bei uns heute Morgen im Deutschlandfunk die Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments, Silvana Koch-Mehrin (FDP). Vielen Dank für das Gespräch und auf Wiederhören.

    Koch-Mehrin: Ich danke Ihnen! Auf Wiederhören.