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Kochbuch
Anleitungen für intelligentes Dippen

Es soll ja Menschen geben, die gedankenlos alles in sich hinein stopfen. Für die ist das Buch "Eat More Better" von Dan Pashman definitiv nichts. Alle anderen finden darin aber wie in Pashmans Podcasts auch interessante Ideen und Überlegungen zum Essen - und wie man besser essen kann.

Von Sacha Verna | 02.02.2016
    Vegetarische Frühlingsrollen
    Über Essen kann man auch philosophieren, wie etwa Dan Pashman in seinem Buch. (Deutschlandradio / Ellen Wilke)
    Es gibt Fragen, die sind existenziell – warum sind wir hier, wo ist Gott, und so weiter. Daneben gibt es Fragen, die sich in gewissen Momenten als existenziell erweisen. Zum Beispiel: Nehmen wir an, ich habe mir soeben an einem Straßenkarren in New York einen Hotdog gekauft. Amerikanisch maximiert mit Sauerkraut, Senf und Ketchup. Brötchen, Wurst und Garnituren harren verlockend duftend meines ersten Bissens, als sich plötzlich, der Chinesischen Mauer gleich, zwischen mich und dem Objekt meines Begehrens die Frage drängt: Was bin ich nun eigentlich zu verzehren im Begriff – ein Sandwich?
    Der Erfinder des Sandwiches, der Earl of Sandwich, hat dasselbe als essbares Ding definiert, das aus einer Füllung zwischen zwei identischen Schichten besteht. Es soll in einer Hand zu halten sein, ohne dass die Finger die Füllung berühren. Beides trifft auf den Hotdog zu. Aber warum nennt man den Hotdog dann Hotdog? Bildet er etwa eine eigene Kategorie? Wovon man nicht sprechen kann, das soll man nicht essen. Das musste schon mancher hungernde Philosoph feststellen.
    Noch immer habe ich nicht angefangen, meinen Hotdog zu essen. Meine Genussfähigkeit ist angeschlagen, obwohl ich die Begriffsklärung auf später verschiebe. Vergeblich. Die zweite Frage wartet bereits: Was erhoffe ich mir von meinem ersten und von jedem weiteren Bissen - Vielfalt oder Gleichförmigkeit? Bevorzuge ich jeweils dasselbe Verhältnis von Brötchen, Wurst und Belägen oder mag ich Überraschungen, also einmal mehr Ketchup als Wust, einmal mehr Sauerkraut als Brot? Während ich noch hin und her überlege, wird der Hotdog langsam kalt. Oder die gesandwichte Wurst. Jedenfalls ist es ein kulinarisches Trauerspiel.
    Rettung naht in der Gestalt von Dan Pashman. Dan Pashman ist der Moderator eines Podcats namens "The Sporkful". "Spork", wie das Zwitterutensil aus Gabel und Löffel. Das Motto des Podcasts lautet: "It's for eaters not for foodies". "Für Esser, nicht für Foodies". Dabei sind mit "foodies" jene Menschen gemeint, die jeden aufgehübschten Avocado-Toast, der ihnen unters Messer kommt, mit ihren Instagram-Followern teilen und sich auf Facebook und Twitter rhapsodisch über ihr selbst gemachtes Kimchi auslassen. Bei Dan Pashman geht es ums Essen, nicht um Foodpornografie. Und zwar geht es darum, wie man mehr besser isst – "How to eat more better". In jeder wöchentlichen Sendung widmet sich Pashman Themen wie: Optimale Sättigung und Zufriedenheit in Buffet-Situationen. Erfolgreiche Kartoffelpüree-mit-Bratensoßen-See-Konstruktion. Pro und Contra Popcorn am Arbeitsplatz.
    Flussdiagramme zum Entscheidungsprozess am Snack-Automaten
    Meistens diskutiert Pashman mit Gästen, die ähnlich dezidierte Ansichten haben wie er selber. Oft betreibt er Feldforschung. Einmal hat er mit einem indischen Taxifahrer bei 80 Stundenkilometern auf der Autobahn das Fasten während des Ramadans gebrochen. Ein anderes Mal unternahm er einen epischen Doughnut-Test-Trip quer durch die Vereinigten Staaten.
    Vor Kurzem ist ein Buch zum Sporkful-Podcast erschienen: "Eat More Better". Darin zeigt sich Dan Pashman von seiner sokratischen Seite. Gegenstand eines Gesprächs zwischen Sokrates Thrasymachos à la Pashman ist der Knusper-Mix. Das heißt, eine Mischung aus Salzbrezeln, Bagel-Chips, Erdnüssen und Weizenflakes. Sokrates schnappt sich sofort und ausschließlich die Brezeln. Thrasymachos ärgert sich darüber. Erst nachdem sich auch Kant und Nietzsche eingeschaltet haben, wird der Streit beigelegt. Sokrates hat das Recht eines jeden auf seine Knusper-Mix-Lieblingselemente rhetorisch brillant dargelegt und somit bewiesen.
    Das Buch enthält Anleitungen für intelligentes Dippen. Flussdiagramme, die den Entscheidungsprozess vor Snack-Automaten erleichtern. Und selbstverständlich enthält diese Bibel aller Gaumenfreudengipfelstürmer Begriffsklärungen. Der Hotdog ist gemäß Dan Pashman ganz eindeutig ein Sandwich. Pashman plädiert überdies für Gleichförmigkeit bei jedem Bissen. Seiner Ansicht ist nur ein Bissen, der sich aus der idealen Kombination aller Elemente eines Gerichts zusammensetzt, ein guter Bissen. Sie sagen "Humbug!"? Wir sagen Hamburger. Oder Cheeseburger? Nicht verzagen, Dan Pashman fragen.
    Dan Pashman: Eat More Better. How to Make Every Bite More Delicious. Simon & Schuster, New York 2014. 340 Seiten. Ca. 25 Euro.