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Köche unter Kostendruck

Kantinenbetreiber stehen vor schwierigen Aufgaben, sagt David Gunderlach, Chef des Testportals "diekantinen.de". Die Kunden würden "extrem viel erwarten", seien aber nicht bereit, dafür viel zu bezahlen. Wichtig sei vor allem, ihre Wünsche ernst zu nehmen.

David Gunderlach im Gespräch mit Tobias Armbrüster |
    Tobias Armbrüster: Was gibt es heute in der Kantine? Das ist in deutschen Büros eine der meistgestellten Fragen. Das Kantinenessen selbst ist eins der meistdiskutierten Themen, und was die Deutschen essen, das kann mitunter Wahlen entscheiden, wie der Veggie-Day-Vorschlag der Grünen gezeigt hat. Wie verändert sich das Kantinenessen und was sollten wir von einer Kantinenküche erwarten? Darüber wollen wir sprechen mit David Gunderlach, er betreibt das Kantinen-Vergleichsportal "diekantinen.de". Schönen guten Tag, Herr Gunderlach.

    David Gunderlach: Schönen guten Morgen, Herr Armbrüster.

    Armbrüster: Herr Gunderlach, können Sie uns sagen, was eine gute Kantine ausmacht?

    Gunderlach: Eine gute Kantine macht vor allem aus, dass sie auf die Bedürfnisse ihrer Kunden eingeht. Wichtig sind auch natürlich Kriterien, dass ich frisches Gemüse, frisches Obst, Salate und so weiter auf den Speiseplan bringe. Aber ganz, ganz wichtig: immer im Auge behalten, was will mein Kunde mittags essen.

    Armbrüster: Das heißt, man muss immer den Austausch mit dem Kunden suchen, mit den Leuten, die da reinkommen?

    Gunderlach: Das ist das Allerwichtigste.

    Armbrüster: Wie soll das geschehen?

    Gunderlach: Wie soll das geschehen? – Manche Kantinen machen das, indem sie Umfragen regelmäßig betreiben und die Kunden fragen, wie das Essen schmeckt, was sie verbessern können und so weiter. Also es ist relativ einfach, im Austausch mit den Kunden zu bleiben.

    Armbrüster: Sie, Herr Gunderlach, haben ja einen ziemlich guten Überblick darüber, was sich in Kantinen so tut. Wie hat sich das Kantinenessen in Deutschland denn in den letzten Jahren verändert?

    Gunderlach: Das Kantinenessen hat sich dahingehend verändert, dass Kantinenbetreiber, die nicht zeitgemäß und kundenorientiert kochen, auch wieder ganz schnell weg sind vom Fenster. In Berlin sehe ich immer wieder, dass Kantinenbetreiber den Laden zumachen und neue Kantinenbetreiber gesucht werden. Es wird neu ausgeschrieben, sobald das nicht funktioniert.

    Armbrüster: Unter welchem Druck arbeiten die Kantinenbetreiber denn?

    Gunderlach: Das ist ein ganz, ganz wichtiger Punkt, den Sie ansprechen. Der Druck ist enorm. Die Kunden erwarten extrem viel von den Betreibern und sind allerdings nicht bereit, viel zu geben. Das heißt, ich will eigentlich ein Steak Stroganoff für 3,50 Euro haben, was eigentlich nicht machbar ist, wenn es nicht subventioniert ist. Heute fallen Subventionierungen immer mehr weg.

    Armbrüster: Und wie helfen sich die Kantinenbetreiber da? Ich schätze mal, die müssen Leute von außen reinholen?

    Gunderlach: Das ist richtig. Sie müssen Leute von außen reinholen. Das gilt natürlich nur für die öffentlich zugänglichen Kantinen, die wir ja gelistet haben. Wir haben keine Betriebskantinen, in die Sie nicht reinkommen. Und da ist es in der Regel so: Sie müssen 15 bis 30 Prozent Klientel von außen in die Kantinen bringen.

    Armbrüster: Was darf denn ein Kantinenessen kosten in Deutschland?

    Gunderlach: Die Schmerzgrenze liegt ungefähr bei fünf Euro. In der Regel sind es 3,80, vier Euro, aber dann sind das schon die Essen, die sozusagen auf dem Speiseplan dann hochwertiger sind.

    Armbrüster: Und dafür kriegt man dann aber auch ein komplettes Menü?

    Gunderlach: Dafür kriegen Sie ein komplettes Menü, ja.

    Armbrüster: Kann man sagen, was das beliebteste Kantinenessen in Deutschland ist?

    Gunderlach: Das ist natürlich regional ganz unterschiedlich. Ein Bayer wird sagen, mein Schweinebraten ist mir vielleicht das wichtigste. Ich kenne mich sehr, sehr gut in Berlin aus, und in Berlin ist es die Curry-Wurst. Die muss mindestens einmal die Woche auf dem Speiseplan stehen, ansonsten gibt es Ärger mit der Klientel.

    Armbrüster: Sie vergleichen ja jetzt in Ihrem Internet-Portal verschiedene öffentlich zugängliche Kantinen miteinander. Wie funktioniert das genau?

    Gunderlach: Na ja, wir fahren zweigleisig. Zum einen gehen Journalistenkollegen in die Kantinen hinein und testen diese Kantinen. Auf der anderen Seite gibt es eine Bewertungsmöglichkeit seitens des Users. Sie können ein bis drei Chilis vergeben.

    Armbrüster: Das heißt, wenn ich in eine Kantine reingehe und die ist bei Ihnen gelistet, kann ich hinterher eine Bewertung abgeben?

    Gunderlach: Sie können eine Bewertung abgeben. Sie können uns aber auch schreiben, und in dem Moment, wenn der Artikel vernünftig ist, dann werden wir den auch veröffentlichen.

    Armbrüster: Haben Sie den Eindruck, dass Kantinenbetreiber sich an dieses Vergleichsportal halten, dass sie da mal reingucken, wie sie denn so stehen im Ranking?

    Gunderlach: Ja, das wird gemacht, und ich bekomme auch regelmäßig Feedback darüber. Wir werden sehr, sehr genau beobachtet, so genau, wie wir auch Kantinen beobachten.

    Armbrüster: Und ärgern sich da manche Kantinenbeobachter möglicherweise auch über schlechte Kritiken?

    Gunderlach: Natürlich ärgern die sich darüber. Der Fairness halber müssen wir sagen, es kann immer mal Tage geben, an denen ein Gericht vielleicht nicht so gelingt. Wir testen nicht nur einmal, wir testen auch zweimal in Abständen, und dann hat man ein relativ gutes Bild, ob das die Regel ist, dass diese Kantine einfach nicht kocht, dass die Köche dort nicht kochen können, oder aber, dass es einfach mal ein Gericht war, das vielleicht auch dem Tester nicht so gut geschmeckt hat.

    Armbrüster: Herr Gunderlach, an wie vielen Tagen in der Woche darf ich denn aus einer Kantine rausgehen und sagen, eigentlich hat mir nichts von dem, was da heute angeboten wurde, wirklich zugesagt?

    Gunderlach: Eigentlich gar nicht, denn ich bin auch selbst verantwortlich für das, was ich esse. Wenn ich in eine Kantine hineingehe und genau das esse, was ich vorgesetzt bekomme, dann geht es mir danach vielleicht auch so, denn die Kantinen kochen häufig viel zu viel, sie bieten viel zu viel auf dem Teller an. Aber ich kann ja entscheiden. Ich kann sagen, bitte geben sie mir ein Stück Fleisch drauf, ich verzichte auf die Soße und ich esse einen Salat dazu. Aber das tun viele Kunden nicht. Sie lassen sich das auf dem Teller servieren und essen das dann und sind dann vielleicht unzufrieden, weil sie diese Eigenverantwortung auch nicht übernehmen wollen.

    Armbrüster: David Gunderlach war das, Betreiber und Herausgeber von "diekantinen.de", einem Vergleichsportal für Kantinen im Internet. Besten Dank, Herr Gunderlach, für das Gespräch heute Morgen.

    Gunderlach: Vielen Dank, Herr Armbrüster. Ihnen einen schönen Tag.

    Armbrüster: Schönen Tag Ihnen auch.


    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.