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Kölle global

Die Globalisierung wird für die Schäden am Ökosystem, die Arbeitslosigkeit und die Krise der Sozialsysteme verantwortlich gemacht. Gleichzeitig verdanken wir ihr, dass Lebensmittel und Güter hierzulande selten knapp und Reisen auf andere Kontinente billig und einfach sind. Wo überall sich die Globalisierung versteckt und wie sie sich auf den Alltag auswirkt, kann man bei speziellen Stadtrundgängen zum Beispiel durch Köln erfahren.

Von Jens Tönnesmann | 23.05.2006
    "Wir führen Biofisch: Adlerfisch, Wolfsbarsch, Lachsfilet, geräucherten Lachs. Da sind keine Konservierungsstoffe, keine Farbstoffe drin enthalten. Es ist alles auf natureller Basis hergestellt."

    Samstagfrüh auf einem Ökomarkt auf dem Kölner Rudolfplatz. An den Ständen gibt es Gemüse aus kontrolliert biologischem Anbau und Fleisch von Tieren, die artgerecht gehalten wurden. Die Verkäufer wissen genau, woher die Produkte kommen. Nicht Globalisierung, sondern "Regionalisierung" ist hier angesagt. Deswegen ist der Ökomarkt für Boris Loheide von attac und seine Mitstreiter von BUND, Greenpeace und Weltladen der ideale Ausgangspunkt für eine globalisierungskritische Stadtführung. Loheide steht neben einer großen, aufgeblasenen Erdkugel und begrüßt die Gäste:

    "Herzlich willkommen zu Kölle global, dem ersten kölschen, kritischen Stadtrundgang. Uns geht es darum, Stationen, an denen man vorbei läuft oder in die man oft genug auch reingeht, näher zu beleuchten und in einen globalen Blickwinkel zu stellen."

    Vom Ökomarkt geht es zum Lebensmitteldiscounter und weiter zu einem Handyladen. Hier erfahren die Stadtrundgänger zum Beispiel, dass der Rohstoff Coltan, der in ihren Mobiltelefonen steckt, eigentlich aus Afrika kommt. Coltan ist inzwischen so gefragt und wertvoll, dass darum blutige Konflikte ausgetragen werden.

    Auch ein Reisebüro liegt auf der Route des Stadtrundgangs. Dort richten sich alle Augen auf die Pauschalangebote im Schaufenster: Eine Woche Bulgarien für 419, eine Woche Ägypten für 549 und zehn Tage Sydney und Shanghai für 1500 Euro. Natürlich alles inklusive. Bettina Lindner vom BUND Köln sieht das kritisch:

    "Wenn man sich diese ganzen Angebote vor Augen hält, fallen zwei Aspekte besonders auf. Der eine ist: Durch die Globalisierung werden Distanzen immer leichter und immer schneller überwindbar. Und es ist es natürlich so, dass Reisen immer billiger werden. Immer mehr Menschen fliegen immer weiter. Ein Liter Treibstoff in Flughöhe ausgestoßen hat auf den Treibhauseffekt eine dreimal so hohe Auswirkung wie ein Liter am Boden."

    Mit unserem Konsum bestimmen wir, welche Formen die Globalisierung annimmt, ob sie der Umwelt schadet und wer davon profitiert, so die Botschaft der Stadtführung. Die untermauern die Stadtführer mit einer Vielzahl von Fakten. Sie erzählen zum Beispiel, dass man jedes Jahr eine halbe Tonne CO2 einsparen könnte, wenn man auf vier Tankfüllungen verzichten würde. Und sie verraten, wer beim Kauf einer Tafel Schokolade eigentlich am meisten verdient. Von dem Geld, das man für eine gewöhnliche Tafel bezahlt, komme bei den Kakaobauern weniger als ein Zehntel an, meinen die Stadtführer. Bei einer Tafel mit dem Transfair-Siegel sei es immerhin fast ein Drittel des Kaufpreises. Das soll die Teilnehmer zum Grübeln bringen. Manche haben ihre Gewohnheiten schon umgestellt:

    "Ich gehe schon gezielt auf dem Ökomarkt einkaufen und gucke halt auch, dass ich beim Einkaufen ein gewisses Maß an regionalen Produkten oder an biologisch angebauten Produkten einbaue."

    "Ich würde jetzt nicht für eine Woche ans Meer fahren, wenn eine weite Reise da dran hängt."

    "Ich esse nur Biofleisch. Ich gehe nicht zu Discountern einkaufen. Und ich kaufe meine Kleidung bewusst nicht bei großen Markenherstellern, von denen ich weiß, dass sie billig produzieren."

    "Ich bin schon bewusster geworden. Aber ich muss gestehen: Bei Aldi gehe ich einkaufen - einfach, um mit dem zur Verfügung stehenden Geld etwas besser hinzukommen."

    Globalisierungskritische Stadtrundgänge wie den in Köln gibt es unter anderem auch in Bremen, Dortmund oder Tübingen. Zwar steht dabei stets die Kritik im Vordergrund. Aber dass die Globalisierung auch ihre schönen Seiten hat, räumt auch Stadtführer Boris Loheide von attac ein:

    "Das Schöne an der Globalisierung ist der Kontakt und die Vielfalt, die möglich ist. Andere Nationalitäten, andere Kulturen, andere Speisen, andere Alltagsgegenstände - das ist Globalisierung für mich, dass es einfach nicht so aussieht wie vor 50 Jahren.""