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Kölner Kontaktsport

Dem Hockeyklub Rot-Weiß Köln ist es gelungen, als Aufsteiger aus der zweiten Liga deutscher Meister zu werden. Das Geheimnis des Erfolgs: Mit guten Jobaussichten und Trainingsbedingungen lockte der Verein zahlreiche Nationalspieler nach Köln.

Von Moritz Küpper | 15.08.2009
    "Das Motiv, die Spieler dann nach Köln zu locken war einfach über den schnöden Mammon hinaus Anreize über das Berufsnetzwerk darzustellen und über den Tellerrand hinaus einfach Perspektiven aufzuzeigen."

    Stefan Seitz, ein ehemaliger Bundesligaspieler für Rot-Weiß Köln, war es leid, seinen Verein in den Niederungen der zweiten Liga spielen zu sehen. Zusammen mit seinem ehemaligem Mitspieler Tobias Warweg, entwarf der Rechtsanwalt ein Konzept, dass die Hockeywelt auf den Kopf stellte. Die beiden wollten nicht langsam etwas aufbauen, sie arbeiteten direkt am großen Wurf...

    "Der Anlass war 2006 der imposante Gewinn des WM-Titels der deutschen Nationalmannschaft in Mönchengladbach mit einem überragenden Christopher Zeller, wo wir hinterher in der Begeisterung auch noch erfahren haben, dass er Jura studiert. Und dann kam eins zum anderen."

    Ende 2006 gingen Seitz und Warweg mit ihrer Idee auf fünf der frischgebackenen Weltmeister zu. Und obwohl Rot-Weiß Köln damals in der zweiten Liga spielte, waren die Stützen der Hockeynationalmannschaft schnell überzeugt:

    "Da war ich ziemlich schnell Feuer und Flamme. Hab auch den Kontakt zu den anderen Sportlern hergestellt und dementsprechend war es von Grund auf positive und war überrascht, wie detailliert das geplant war und wie verbindlich die Jungs da auf uns zugekommen sind und das richtige gesucht und auch gefunden haben."

    Timo Weß, damals Kapitän der Nationalmannschaft wechselte im Sommer 2007 ebenso nach Köln, wie sein Bruder Benjamin, Mittelfeldspieler Tibor Weißenborn und die Brüder Zeller. Fünf Weltmeister in Liga zwei.

    Später folgten noch Torhüter Max Weinhold und Mittelfeldregisseur Tobias Hauke. Doch gerade bei den Brüdern Zeller und Weißborn zeigte sich, wie wichtig den Spielern ihre persönliche Zukunft war: Alle drei standen beim holländischen Meister HC Bloemendaal unter Vertrag, in der besten Liga der Welt, bevor das Angebot eines Zweitligisten kam - Christopher Zeller:

    "Ja, es war am Anfang ein bisschen ungewohnt."

    In seinem ersten Jahr in Holland war Zeller gleich Torschützenkönig und Meister geworden und hatte die Chance Profi zu werden. Doch anstatt einen gut dotierten Vertrag zu unterschreiben, entschied sich Zeller für Köln - und für die Perspektive:

    "Im Hockey verdient man eben nicht die große Kohle einfach, um sich nach der sportlichen Aktivität in trockenen Tüchern zu sehen, deswegen ist es für alle Leute, die in der Situation sind, wichtig, die Ausbildung voranzutreiben, so dass man dann mit Ende zwanzig, Anfang dreißig in den Beruf einsteigen kann."

    Das Modell gibt den Spielern Sicherheit - und Zeit ihren Sport auszuüben: Ein Hockey-Nationalspieler muss alleine 150 Tage im Jahr für Lehrgänge einplanen. Hinzu kommen das Training und die Spiele im Verein.
    Rot-Weiß unterstützt die Sportler dabei jeweils individuell: Jura-Student Christopher Zeller wird von Anwalt Stefan Seitz und seiner Kanzlei betreut:

    "Das Konzept ist erst einmal grundsätzlich maßgeschneidert. Pro Spieler haben wir herausgearbeitet, was hinsichtlich seiner Ausbildung als Berufsperspektive in Frage kommt und versuchen dann zum einen parallel zur Ausbildung mit entsprechenden Coaching und berufsbegleitend Praktika den Wissensstand zu fördern und erste Berufserfahrungen bieten zu können."

    Seitz ist Wirtschaftsanwalt, berät unter anderem den Fußballtrainer Christoph Daum. Auch die übrigen Mentoren sind namhaft: So unterstützen die Brüder Adenauer mit dem traditionsreichen Kölner Bauunternehmen Bauwens ebenso einen Nationalspieler, wie Tengelmann-Eigner Karl-Erivan Haub.

    Mit Erfolg, wie sich heute - zwei Jahre nach Beginn des Projektes - beispielsweise bei Timo Weß: Als Erster aus der Garde der Kölner Nationalspieler wird er in einigen Monaten sein Studium abschließen. Gerade schreibt er an seiner Diplomarbeit, und die Weichen für den Berufseinstieg des ehemaligen Nationalmannschaftskapitäns sind gestellt:

    "Es gibt da für mich die Möglichkeit anzufangen, auch in einer ordentlichen Position im Unternehmen."

    Doch nicht alle sehen im Kölner Konzept nur Vorteile. Insgesamt gefällt Hockey-Bundestrainer Markus Weise zwar das Projekt, er begrüßt das hohe Trainingsniveau für seine Nationalspieler, sieht aber gleichzeitig die Weiterentwicklungsmöglichkeiten durch die Ballung von Stars gefährdet. Auch Verbandspräsident Stephan Abel ist besorgt:

    "Ich würde das nicht nur positiv sehen, weil es letztlich dazu kommen wird - das ist zumindestens die Gefahr - dass es halt vier-fünf Zentren gibt, wo solche Spieler zusammengefasst werden. Was für die Bundestrainer sicherlich ideal ist. Was aber für das gesamte Spektrum der Bundesliga, die für uns der Rückhalt unsers Sports ist, wenn sich da auch eine Zweiklassengesellschaft entwickelt, ist das vielleicht doch nicht so positiv."

    Dennoch blicken viele Sportinteressierte auf das Kölner Projekt:

    "Das ging bis zuletzt dahin, dass wir auch von der Deutschen Sporthochschule angesprochen wurden, ob wir im Rahmen eines Symposiums unter dem Gesichtspunkt - was uns auch sehr gefreut hat - eines "Best Practice"-Modell im Sport, die Grundsätze dieses Modells, die unternehmensbezogene Förderung einmal im Einzelnen darzustellen."

    Das Kölner Konzept - ein Vorbild für andere Sportarten?

    "Ich bin fest davon überzeugt, dass mehrere Randsportarten die große Chance haben, vergleichbare Konzepte umzusetzen. Es steht und fällt natürlich mit dem Engagement einzelner Leute."

    Tobias Warweg sieht in erster Linie Volleyball, aber auch Leichtathletik und Amateur-Tennis als potenzielle Nachahmer. Eben jene Sportarten, in denen Sportler gezwungen sind, ein zweites Standbein aufzubauen, aber dennoch viel Zeit in Training und Wettkämpfe investieren müssen, um in der Spitze mithalten zu können.

    Allerdings lebt das Modell auch von besonderen Gegebenheiten im Hockey - und ist mit anderen Sportarten schwer zu vergleichen, wie Verbandspräsident Abel zu bedenken gibt:

    "Das was wir vormachen, funktioniert eigentlich nur in solchen Sportarten, wo es tatsächlich Klubstrukturen gibt. Insofern erscheint es mir schwierig zu sein, ein solches Programm eins zu eins woanders zu übertragen."

    In Köln jedenfalls trägt das Konzept mehr als nur erste Früchte: in Halle und Feld stieg der Klub jeweils auf, wurde auf Anhieb auf beiden Belägen Deutscher Meister. Und auch der Ausbildungsstand der Nationalspielern ist gut. Doch Seitz weiß, dass sich das Projekt letztlich nur langfristig bewerten lässt:

    "Wir haben immer gesagt, als wir das erstmal zusammenkamen, wenn wir mal mit dreißig, fünfunddreißig Jahren, wenn ihr so alt seid, und wir sitzen dann zusammen, und ziehen Bilanz, dann ist es erforderlich, dass wir auf beiden Ebenen gepunktet haben."

    Dass sie auf einem guten Weg sind, zeigt nicht nur der sportliche Erfolg, sondern auch die Resonanz unter den Spielern: Für die nächste Saison haben die Kölner bereits einen weiteren Nationalspieler von ihrem Konzept überzeugen können.