
Es ist alles so schön grün hier. Großleinwände mit computerbelebten Wald oder Seelandschaften, gepflanzte Wandinstallationen, Riesenspaliere oder wenigstens Topfpflanzen in Hülle und Fülle - die Ambientes könnten das allgemeine Bekenntnis zur Naturnähe nicht besser ausdrücken. Allerdings reicht nichts heran an die echten Moosgarnituren eines österreichischen Ausstellers: Wandteppiche und Bilder, dick und weich, eben moosig, auf nachhaltiger Basis geerntet, getrocknet, präpariert, immergrün. Dass sie nicht nur von Privatleuten gekauft werden, sondern auch in Arztpraxen beliebt sind, kann nicht verwundern, einem Moosteppich sieht man die beruhigende Wirkung durchaus an. Hier wartet man geradezu, und nicht vergebens, auf das bei dieser Messe allgegenwärtige Stichwort: Wohlfühloase. Dafür wird den Presseleuten ein Beispiel nach dem anderen gegeben.
"Das Besondere an diesem Sofa ist, dass es hier die Rear Speaker in den Armlehnen integriert hat. Wir sprechen die feminineren Kunden an, die es weich haben wollen, die tiefen Sitzkomfort mögen."
Das Bad als Wohlfühloase
Maximale Erfüllung der Kuschelbedürfnisse gestresster Zeitgenossen - sie kann mittlerweile in nahezu jedem Raum inszeniert werden, aber traditionell eignet sich dafür doch das Bad.
Das Bad ist in den letzten Jahren ja von einem Funktionsraum geworden zu einer Wohlfühloase."
Man könnte auch von Jahrzehnten sprechen, in denen das Badezimmer technisch aufgerüstet und designerisch ambitioniert veredelt wurde. Was kann da noch kommen? In smarten Zeiten zum Beispiel die lebensangepasste Lichtgebung: Der Spiegelschrank kann nicht nur, Respekt, den ganzen Raum ausleuchten, er gibt auch den Stimmungs-Rhythmus vor: Aktivierungslicht am Morgen. Dämmerndes Entspannungslicht vor dem Einschlafen. Aber Wohlfühloase kann auch anderes bedeuten
"Wir stellen hier auf der imm die erste stoffverkleidete Badewanne aus."
Das Meiste war schon einmal da
Der Bezug, in einem noblen Anthrazit, das an die 60er erinnert und heuer auch auf echten Sofas und Sesseln stark präsent ist, stellt eine Idee dar: die Abkehr von räumlichen Funktionstrennungen. Die Idee wurde öfter mal ausgerufen, wie so vieles andere auch. Überhaupt ist das Meiste schon da gewesen - und immer noch da. Große Schlagworte aus dem Wortschatz der empirischen Soziologie, mit denen früher Trends beglaubigt wurden, hört man kaum noch. Cocooning, Overstatement, neue Einfachheit - aufs hochinvidualisierte Käuferverhalten passt kein Begriff mehr, wenn man vom Anything Goes absieht.
Sachliche Stuhl- und Couchformen, daneben ausufernde Garnituren, deren Größe mit hiesigen demografischen Verhältnissen nichts zu tun hat. Boxspringbetten und die Frage, was nach dem Boxspringbett kommt. Edles Design und mörderischer Kitsch, alle dürfen miteinander. Es ist, wie immer schon, die Technik, die die Unterschiede macht. Zum dritten Mal steht auf der Kölner Messe ein Smart House zur praktischen Einübung in den Alltag eines digital vernetzten Haushalts. Aber auch die Hersteller zeigen, was sie für diesen langsam, aber sicher wachsenden Markt schon haben; einer baute sein eigenes kleines Smart House auf.
"Wenn niemand zuhause ist und ich komme nach Hause und das Haus erkennt mich, dann kann gleich ein Szenario abgespielt werden, wo eben das Licht oder meine persönliche Playlist über die Box abgespielt werden."
Digital vernetztes Wohnen - aber Alexa antwortet nicht
Bei seiner Präsentation erkannte das Haus seinen Herrn übrigens nicht auf Anhieb; es machte die Tür nicht auf. Und auf die Anweisung "Alexa, frage Miele, wann der Dampfgarer fertig ist?" schwieg Alexa. Auch im Smart House wird man noch gebraucht, um die Alarmanlage auszuschalten oder die Küche aus dem Schlafmodus zu wecken. Nicht nur das Smart House zeigt, dass aus der Kölner Möbelmesse längst eine Einrichtungsmesse geworden ist, offen nach allen Seiten. Nicht, dass Design-Objekte darüber vernachlässigt würden. Sie finden sich bei den Jungdesignern in Halle 3 oder im traditionellen Fantasie-Schauraum "Das Haus", dieses Jahr keine übergroße Puppenstube, sondern eine Sammlung erlesenster Einzelstücke. Offen ist man auch für den eigentlich händlerfeindlichen Onlinehandel: Der hält heute auf der Messe Hof, in Gestalt des Otto-Versands.
"Vom Jahr 2014 bis 2017 hat der Online-Möbelkauf zugenommen, von 22 auf 37 Prozent."
An diesem Stand, wo man unter anderem die eigene, gescannte Wohnung virtuell probeeinrichten kann, wird an den Publikumstagen am Wochenende viel los sein.