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Kölner Oper im Schwebezustand

Opernkritiker Frieder Reininghaus sieht die Intendantensuche für die Kölner Oper in einer Sackgasse. "Es ist sehr viel Porzellan zerschlagen worden, denn es ist davon auszugehen, dass kein auch nur halbwegs reputierter Regisseur oder Intendant aus Mitteleuropa sich bereitfinden wird, in dieses Haifischbecken Köln hineinzusteigen", sagte er.

Moderation: Karin Fischer |
    Karin Fischer: Über die Kölner Kulturpolitik ist schon viel gelästert worden. Ein Elefant im Porzellanladen nimmt sich dagegen aus wie eine Ballerina. Insofern könnte man die neueste Nachricht belächeln, die lautet, die Stadträte haben beide Kandidaten für die Opernintendanz in Köln, den ehemaligen Aachener Intendanten Paul Esterhazy und den Chefdramaturgen der RhurTriennale, Thomas Wördehoff, abgelehnt. Begründung: Deren Profil passe nun doch nicht genau zu den Ansprüchen, die man in Köln in Sachen Musiktheater und Opernumbau habe. Oberbürgermeister Schramma schiebt den Schwarzen Peter jetzt der Findungskommission zu.

    Frage an unseren Opernkritiker, Frieder Reininghaus, der die ganze Angelegenheit intensiv beobachtet hat, wie viel Porzellan ist mit dieser Entscheidung, die ja eigentlich eine Nichtentscheidung ist, zerschlagen?

    Frieder Reininghaus: Es ist sehr viel Porzellan zerschlagen worden, denn es ist davon auszugehen, dass kein auch nur halbwegs reputierter Regisseur oder Intendant aus Mitteleuropa sich bereitfinden wird, in dieses Haifischbecken Köln hineinzusteigen.

    Fischer: Diese anderen Kandidaten soll es ja wohl schon gegeben haben. Und überhaupt ist es ja nicht der erste Fauxpas, den die Kölner Kulturpolitik sich leistet. Vor einiger Zeit war es Barbara Mundel, die erst ein- und dann wieder ausgeladen wurde. Während der jetzigen Suche gab es Irritationen, weil der Kölner Kulturdezernent Georg Quander sich selbst für eine Intendanz ins Spiel gebracht hat, ist es ja jetzt offensichtlich so, dass man sich nicht auf einen Kandidaten aus der zweiten Reihe verständigen wollte. Wer würde überhaupt noch zur Verfügung stehen? Das Spiel ist ja wieder offen.

    Reininghaus: Das Spiel ist offen, aber es ist überhaupt nicht davon auszugehen, dass hochkarätigere Bewerber, die es ja gar nicht sind, sondern die ja gebeten werden müssten, sich bereitzufinden für die Kandidatur, also Leute wie Andreas Homoki, Intendant der Komischen Oper im Augenblick noch, oder Uwe Eric Laufenberg, Intendant des Hans-Otto-Theaters in Potsdam, dass Kandidaten von diesem Kaliber bereit wären, sich nach Köln zu bewegen. Und das hat sehr viel damit zu tun, dass der Generalmusikdirektor und Gürzenich-Kapellmeister Markus Stenz sowohl jetzt bei diesem Verfahren als auch bereits zu Beginn des Jahrzehnts, als Barbara Mundel nach Köln verpflichtet werden sollte, eine außerordentlich üble Rolle gespielt hat. Es scheint so zu sein, dass er in seiner Selbstüberschätzung und Eitelkeit keinen Kandidaten neben sich dulden möchte, der ein einigermaßen ausgebildetes künstlerisches Profil hat. Und der Tenor auch vieler Leserbriefe und E-Mail-Zuschriften, die uns erreichen, lautet in etwa: Stenz beschert in der Philharmonie mit dem Gürzenich-Orchester Sternstunden, mit der Oper sieht es zugegebenermaßen ganz, ganz übel aus. Und genau dieser Zustand könnte ja Herrn Stenz weiterhin sehr willkommen sein, dass er brillieren kann und die Kölner Oper, ob der es besser oder schlechter geht, das scheint diesem Kapellmeister einfach scheißegal.

    Fischer: Jetzt ist von einer Interimslösung die Rede, die bis ungefähr 2013 laufen soll. Was ist dran an den Gerüchten, dass sich Georg Quander dann doch möglicherweise wieder in den Vordergrund schieben möchte?

    Reininghaus: Also was Georg Quander betrifft, muss man sagen, dass seine eigene künstlerische Biografie alles andere als illuster ist. Er trat in den 80er Jahren hervor als Librettist, war dann einige Jahre lang glücklos unter Daniel Barenboim als Intendant der Staatsoper tätig. Er ist im Opernfach gescheitert und hat auch keinen Job mehr bekommen.

    Fischer: Nicht als Kölner Kulturdezernent, wo er schon einiges geleistet hat, zum Beispiel zusätzliche Gelder für den Etat zu beschaffen?

    Reininghaus: Das war, glaube ich, eine Frage der allgemeinen Politik, die in Köln anstand, wenn Köln als Kulturstandort, wie das so grauenhaft heißt, nicht völlig ins Hintertreffen geraten wollte, also nicht noch weiter als von der 35. Stelle abrutschen wollte in der Bundesrepublik, es ist, glaube ich, die viertgrößte Stadt, dann musste wieder Geld investiert werden. Ich halte das für keine persönliche Leistung, sondern es ist eine reine Amtswaltung eines Vorganges, der ohnedies zwingend anstand und dem sich niemand in der Stadtspitze verschließen konnte.

    Fischer: Dann lassen Sie uns darüber reden, Herr Reininghaus, was die Kölner Oper oder wen sie braucht, wenn man einbezieht, dass das Haus einen mehrjährigen Umbau auch noch vor sich hat.

    Reininghaus: Dieser Umbau steht ohnedies an, und ob mit Thomas Wördehoff oder mit Paul Esterhazy war klar, dass ein neuer Intendant frühestens im Jahr 2010 beginnen kann, ein eigenes Programm zu entwickeln. Bis dahin sind ja auch noch Verträge gemacht und werden, wie gesagt, Interimslösungen nötig sein. Aber es wäre ja entscheidend, jetzt Pflöcke einzuschlagen für das nächste Jahrzehnt. Und da bot sich sowohl Thomas Wördehoff an, der gestern am Telefon sagte, dass er natürlich hell entsetzt ist über das, was da passiert ist, dass man so mit keinem Kandidaten umgehen kann. Also entweder hätte es mit Thomas Wördehoff eine Lösung gegeben, die wahrscheinlich in gewisser Weise den Zuschnitt der Inszenierungen der RuhrTriennale gehabt hätte, auf der anderen Seite Paul Esterhazy ein entschiedener Mann der Moderne. Der hatte natürlich die Idee anzuknüpfen an dem, was die Kölner Oper sowohl in den 20er Jahren als auch in den 60er Jahren war, nämlich eines der ersten Häuser in Europa. In den 20er Jahren war Klemperer hier Kapellmeister, in den 60er Jahren sind unter Michael Gielen hier Uraufführungen wie "Die Soldaten" von Bernd Alois Zimmermann veranstaltet worden. Also die Dinge, die in der Operngeschichte weit hinaus geleuchtet haben. Schauen Sie, Paul Esterhazy hat schon vor zweieinhalb Jahrzehnten für John Dew die Idee der Wiederentdeckung der von den Nazis unterdrückten Stücke entwickelt. Das denkt sich ja nicht jeden Tag neu, und so etwas lässt sich auch nicht beliebig oft finden. Aber es wäre ihm zuzutrauen, dass so, wie er für Bielefeld vor 25 Jahren eine Strategie entwickelt hat, so wie er dieses völlig heruntergewirtschaftete Theater in Aachen zu einem respektablen Haus wieder gemacht hat, er natürlich auch für Köln eine entsprechende strategische Lösung gefunden hätte, zumal wenn noch drei Jahre Vorlauf bestehen.

    Fischer: Frieder Reininghaus, vielen Dank für diese Einschätzung zum neuen Kölner Opernskandal.