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Kölner Tatort in Essen

Der WDR hat der "RUHR.2010" zur Eröffnung ein Geschenk gemacht - mit einem Köln-Tatort, der einige der Spielstätten und Austellungsräume der Kulturhauptstadt zeigte.

Von Karin Fischer | 11.01.2010
    Dieser "Tatort" hatte es in sich.

    Erstens: Er war punktgenau auf den Sonntagabend der Kulturhauptstadt-Eröffnung platziert und hatte einen brisanten Fall zum Thema: Der Geschäftsführer einer Stiftung RUHR.2010, die Gelder fürs Kulturhauptstadtjahr einsammelt, war in einen Baubetrug großen Stils verwickelt und soll außerdem Stiftungsgelder für sich persönlich abgezweigt haben.

    Zweitens: Dieser "Tatort" war emanzipatorisch voll auf der Höhe der Zeit. Drei Frauen, eine davon sogar verheiratet, die sich aus nicht gerade edlen Motiven fremde Männer ins Bett holen und dafür am Ende nicht von der Brüstung stürzen oder tot im Rhein schwimmen – alle Achtung! Dazu die Essener Hauptkommissarin Vossbeck, die ausnahmsweise nicht gut aussehen, sondern tough genug sein musste, ihre Kölner Kollegen Ballauf und Schenk im Griff zu haben – was ihr mühelos gelang. Sonst, das sei zur Beruhigung auch noch gesagt, war alles wie immer: Ein bäriger Dietmar Bär brummelte, ein gut aussehender Klaus Behrendt schaute mal verständnisvoll und häufiger verständnislos, was er ohnehin am besten kann. Und die Currywurstbude am Kölner Rheinufer blieb auch in diesem Film am Ende unangefochten die beste der Region.

    Vorher aber bot sich noch jede Menge Gelegenheit, ein paar Vorzeigeorte der Noch-Nicht-Metropole Ruhr ins Bild zu setzen. Zum Beispiel das 600 Jahre alte Schloss Baldeney bei Essen, das – jedenfalls von außen – die Location für Ballaufs erstes Klassentreffen nach rund 30 Jahren abgab. Die Zeche Zollverein mit ihren schrägen rostroten Stahlgerüsten durfte als Hintergrund nicht fehlen. Und es gab eine spektakuläre Fahrt mit dem gläsernen Aufzug im Inneren des Gasometers Oberhausen, wobei im Hintergrund im wahren Wortsinne der Mond aufging. Das gigantische Gebäude, mit 117 Metern Höhe ehemals der größte Gasometer Europas, ist Wahrzeichen der Stadt und seit Langem zum Kultur- und Ausstellungsort umgewidmet. Christo und Jeanne-Claude hatten hier vor zehn Jahren "The Wall" eingebaut, eine Wand aus 13.000 übereinandergestapelten farbigen Ölfässern. Bis zum Ende des Kulturhauptstadtjahres ist im Gasometer noch die Ausstellung "Sternstunden" zu sehen und unter anderem eben mit 25 Metern Durchmesser der "größte Mond auf Erden".

    Der WDR hat mit diesem Krimi eine famose Punktlandung hingelegt, spannend, vielschichtig und ohne jenes bräsige pc-Gerede, das die oft sozialkritischen Themen des Kölner Tatorts sonst so prägt.

    Damit hat der WDR dem Kulturhauptstadtjahr ein nettes Geschenk gemacht. Das war aber auch gar nicht anders zu erwarten, denn der Sender ist Kulturpartner von "Ruhr.2010". Der Vorteil: Beide Institutionen können Kräfte bündeln und das riesige Angebot der Kulturhauptstadt einem breiten Publikum nahe bringen.

    Möglicher Nachteil: Die "journalistische Begleitung" des Programms der Kulturhauptstadt auf sechs Hörfunkwellen, im WDR-Fernsehen und im Onlineangebot kann kaum eine kritische Begleitung sein. Das Medienunternehmen WDR ist als Medienpartner immer Mitveranstalter und berichtendes Medium zugleich. Als federführende Anstalt beliefert es auch die ganze ARD mit Beiträgen über die Ereignisse im Ruhrgebiet.

    Gerade hat sich der WDR vom "Deutschen Kulturrat" eine Studie erstellen lassen, die bestätigt, dass Kultur in den Rundfunk- und Fernsehsendungen des Senders eine große Rolle spielt. Wohl wahr. Auf eine Kulturquote von 72 Prozent kommt demnach der WDR in seinen Hörfunkwellen, mit einem viel gepriesenen "weiten Kulturbegriff", der auch Rock- und Popmusik sowie die "Beachtung des regionalen Brauchtums" umfasse, wie er beispielsweise im Karneval seinen Ausdruck findet, heißt es in der Studie.

    72 Prozent klingt nach viel. Quantität aber war noch nie ein Kriterium im kritischen Journalismus. Trotz des guten Tatorts also: Geschenke gibt es an Weihnachten. Jetzt ist Januar.