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Kölner Verein "Agisra" hilft Geflüchteten
Schutz bei Kinderehe und Zwangsheirat

Geflüchtete Frauen werden während ihrer Odyssee oft Opfer von sexualisierter Gewalt und Missbrauch. Viele Familien verheiraten deshalb ihre Töchter vor der Flucht, damit die Mädchen unterwegs einen männlichen Beschützer an ihrer Seite haben. Am Ziel angekommen, entscheiden sich manche gegen die Ehe. Sie erhalten Hilfe von einem Kölner Verein.

Von Sabine Büttner | 01.06.2017
    Ein älterer Mann schaut ein junges Mädchen mit Brautschleier an.
    Protestaktion der Frauenrechtsorganisation "Terre des Femmes" gegen Kinderehen und Zwangsheirat vor dem Brandenburger Tor. (imago )
    Ein Büro in einem Kölner Wohn- und Geschäftshaus. Hier, mitten in der Stadt, sitzt der Verein "Agisra". Dorthin kommen Frauen in Notsituationen. Die Abkürzung steht für "Arbeitsgemeinschaft gegen internationale sexuelle und rassistische Ausbeutung". Seit fast 25 Jahren helfen die Mitarbeiter Migrantinnen und Geflüchteten. Immer häufiger geht es in den Gesprächen um das Thema "Zwangsheirat". Mitarbeiterin Denise Klein:
    "Wir erleben das immer wieder, dass Mädchen zwangsverheiratet werden um sie auf der Flucht zu schützen. Die Motivation der Eltern, das zu tun, ist der Schutz für die Mädchen. Aber das führt dazu, dass sie in einer Ehe sind, die sie eigentlich nicht wollten."
    Viele weibliche Flüchtlinge haben Angst vor Vergewaltigungen
    Eine sogenannte Schutzehe ist offensichtlich gängige Praxis. Denn besonders Frauen und Mädchen sind auf einer Flucht extremen Gefahren ausgesetzt. Denise Klein hat schon viele schreckliche Geschichten gehört:

    "Viele berichten von sexualisierter Gewalt, Sex for food, von Frauenhandelsstrukturen, die auf der Flucht aufgebaut werden. Dabei ist es wichtig, dass die Frauen einen männlichen Beschützer an der Seite haben."

    Viele weibliche Flüchtlinge haben Angst vor Vergewaltigungen. Immer wieder werden Frauen auf der Flucht missbraucht. Auch Schlepper nutzen die Situation der Frauen aus: Sie fordern Sex von ihnen, als Gegenleistung für ihre Hilfe. Viele Frauen gehen deshalb auch während der Flucht eine Schutzehe ein. Denise Klein von "Agisra" glaubt, dass das Thema die Beratungsstelle in den nächsten Jahren noch stärker begleiten wird:
    Manche Frauen entscheiden sich für ihre Ehe
    "Weil in der Ankommenssituation vieles noch nicht klar ist und die Frauen erst noch in Notunterkünften untergebracht werden, es auch da immer noch als Schutz gesehen wird, einen Ehepartner an der Seite zu haben. Ich kann mir schon vorstellen, wenn sich mehr und mehr Frauen melden, wenn sie hier angekommen sind und mehr Sicherheit haben."

    Der Kölner Verein bietet den Frauen Hilfe an – das kann die Suche nach einem Platz im Frauenhaus sein oder auch die Begleitung bei einem Behördengang. Es kommt aber auch vor, dass Frauen sich für ihre Ehe entscheiden – auch, wenn sie vielleicht eine Zwangsehe ist.