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König Artus zwischen Wunsch und Wirklichkeit

Artur und die Ritter der Tafelrunde - jeder kennt diese Geschichte und zwar nicht erst seit Hollywood sich des Themas angenommen hat. Sie beinhaltet den Gründungsmythos Großbritanniens und hat sich von diesen Wurzeln über Jahrhunderte hinweg in das Gedächtnis der ganzen Welt eingeschrieben. Jetzt hat der Berliner Germanist Jürgen Wolf ein neues Buch auf Deutsch zu Mythos und Wahrheit des legendären Königs vorgelegt.

Von Bettina Mittelstrass |
    Wir befinden uns im "Dark age", einem frühen, finsteren Zeitalter voller Not und Elend. England im 5. Jahrhundert. Da zieht ein 15-Jähriger das mächtige Schwert Excalibur aus einem Stein, vereint in vielen Schlachten die römischen Briten und die Sachsen zu einem starken Königreich und wird ein legendärer König: Artus.

    "Also das Ganze ist ein historischer Hintergrund, der hier zu greifen ist. Das heißt, die Sachsen haben Teile Englands schon erobert und dieses römische Britannien, das ja vielleicht arturische Britannien, die versuchen in verschiedenen Schlachten sich gegen die Sachsen zur Wehr zu setzen und diese Schlachten tauchen schon in der historischen Überlieferung im 6. und 7. Jahrhundert dann auf. Und später in der gesamten Artus-Geschichte sind diese Schlachten, zumindest in der historischen Überlieferung immer enthalten."

    Schlachten sind der Kern des Ganzen, sagt der Germanist Jürgen Wolf, Professor an der Technischen Universität Berlin. Als der Chronist Geoffrey of Monmouth Anfang des 12. Jahrhunderts seine Geschichte der Könige von Britannien in Latein verfasst, baut er relevante Schlachten und einen König Artus mit ein. Von nun an gilt die Verbindung als historische Wahrheit und das hat einen Grund: 1066 wurde England von den Normannen erobert und das Land war zu Geoffrys Zeiten in Angelsachen und Normannen gespalten. Thronstreitigkeiten kamen hinzu. Ein verbindendes Element musste her und die Legitimation für umfassende Macht. Nichts eignete sich dafür besser als ein gemeinsamer Ahnherr.

    "Und da könnte man sagen, erfindet Geoffrey of Monmouth im Auftrag des normannischen Königshauses eine britische Urgeschichte, in der dann Artus der zentrale Held wird, an den sich alle anbinden können, also sowohl die Angelsachsen als auch die Normannen. Und das Verfahren scheint funktioniert zu haben. Es dauert nur wenige Jahre bis für Britannien diese Figur des König Artus zu einer zentralen Vorbildfigur geworden ist."

    Das Einigungswerk von König Artus wird zur historischen Grundlage des normannisch-britischen Herrschaftsverständnisses bis fast in die Moderne, sagt Jürgen Wolf. Noch im 12. Jahrhundert werden feindlichen Zweiflern handfeste Beweise entgegengesetzt. Grabungen werden angestrengt und bringen selbstverständlich Belege für die reale Existenz von Artus. Zugleich wird die Geschichte um spannende Mythen angereichert:

    "Nach den Schlachten gibt es immer Frieden. Frieden ist ein ganz großes Problem, weil im Frieden nichts passiert."

    Geoffrey füllt die Lücke mit höfischen Festen auf der Burg Camelot. Als seine lateinische Chronik wenige Jahre später ins Altfranzösische, am anglo-normannischen Hof die geläufige Volkssprache, übersetzt wird, hat der Autor Wace die friedlichen Passagen deutlich ausgeschmückt.

    "Da wird zum Beispiel berichtet, dass die Artusritter in diesen Friedenszeiten verschiedene Abenteuer erleben. Und dass sie von diesen Abenteuern erzählen. Dabei treffen sie sich zufällig, so berichtet Wace, an einer table ronde. Und damit war die Tafelrunde erfunden."

    Die Tafelrunde wird dann wirklich gebaut und gilt fortan als echt. Bis heute ist uns der "Runde Tisch" ein Begriff. Er steht für das Gespräch unter Gleichberechtigten. Ist da schon die Tafelrunde ein Muster für diese Idee?

    "Wir sollten uns nicht von unseren absolutistischen Herrschern der Moderne in die Irre führen lassen. Denn in der Zeit, in der diese Vorstellung der Table Ronde entwickelt wird, also im 12. Jahrhundert, ist es schon so, dass der König immer auch ganz stark auf seine Ratgeber, also seine Fürsten drumherum angewiesen ist. Und das Modell, was dort erfunden wird, ist auch so etwas wie ein Spiegel der Realität."

    Die Helden- oder Liebesgeschichten um Tafelritter wie Gawein, Lanzelot oder Galahad sind schillernde Erfindungen, aber sie haben bestimmte Funktionen. Immer wieder wird ideales Rittertum verhandelt und alles zusammen gibt ein Muster für die Inszenierung von Herrschaft ab. Als die Tudors in England neu die Macht übernehmen, wird die Inszenierung von Kontinuität wichtig und im 16. Jahrhundert stellt sich König Heinrich VIII selbst als der aus Avalon wiedergekehrte König dar:

    "Unter seiner Regie gibt es zahlreiche Artus Turniere, Artus Feste. Er baut ein neues Camelot, er lässt zum Beispiel auch die Tafelrunde in Winchester Castle neu streichen, justamente natürlich in den Farben der Tudors und ganz zufällig das Porträt, was in diese Tafelrunde eingemalt wird, ist sein Porträt."

    Selbst ein deutscher Herrscher, Kaiser Maximilian von Habsburg, greift in dieser Zeit in die Artus-Trickkiste und geht als der "letzten Ritter" in die Erinnerung ein.

    "Und wir finden in dieser Zeit dann überall in Rathäusern, in großen Burgen, in Schlössern Artusfiguren. Denn Artus ist mittlerweile aufgestiegen zu einem der neuen, größten Helden der Welt."

    Erst die Zeit der europäischen Aufklärung bringt viel Kritik an der Artus Legende. Händeringend sucht man daraufhin nach Wahrheit und findet nicht viel mehr als irgendwann einmal ein paar Schlachten mit erfolgreichen Heerführern. Als Schablone für Herrschaft wird die Artusfigur unbrauchbar. Aber damit ist sie noch lange nicht vergessen. Jürgen Wolf:

    "Jetzt wird die Artuswelt das Faszinosum für eine aufkommende romantische Idee vom Mittelalter! Und da sind Artus und die Ritter und dann Avalon, die Frau vom See, Feen – ja quasi das neue Muster für Artus und eine Artuswelt. Und Lord Tennyson mit seinen großen Geschichten rund um Artus, ihm gelingt es, diese Vorstellung jetzt in unglaublich erfolgreiche Romane umzumünzen. Und damit ist Artus, jetzt vielleicht nicht mehr unbedingt der historische aber ein ideal-romantischer Artus, genauso populär, vielleicht sogar noch populärer als vorher."