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König Kunde ist arbeitslos

Bea : "Herzlich willkommen bei arbeitsagentur.de der Bundesanstalt für Arbeit ... auch Ausbildungs- und Praktikumsplätze finden Sie hier."

Von Stanislaus Kossakowski |
    Das ist Bea, das jüngste Reformkind der Bundesanstalt für Arbeit. Auf der neuen Online-Jobbörse "www.arbeitsagentur.de" weist sie mit strahlender Miene allen Surfern den Weg, die eine Stelle suchen oder eine anbieten möchten. Ganz genau können Arbeitgeber ihre Kriterien für einen gesuchten Mitarbeiter eingeben. Und wer selbst einen Job sucht, wird zu einem Internetformular geleitet, in dem Bea die Qualifikationen des Bewerbers abfragt.

    Bea: "Legen sie zunächst selbst ihr Bewerberprofil an, in dem sie eingeben, was sie suchen und was sie bieten. Das ist ganz einfach."

    Mit dem neuen Online-Angebot will die Bundesanstalt für Arbeit einen bedeutenden Reform-Fortschritt schaffen: "Schneller, effizienter und billiger" heißt die Formel, für die der virtuelle Arbeitsmarkt ein Aushängeschild sein soll. Die drei Service-Portale, die es bisher auf der Homepage der Bundesanstalt gab, waren jedenfalls wenig hilfreich, findet Tanja Dengler, die für ihren mittelständischen Druckereibetrieb auf Personalsuche ist.

    Tanja Dengler :
    Also bisher war es so, dass das Arbeitsamt zwar viele Bewerber vermittelt hat, aber die waren völlig ungeeignet. Das heißt, das war mit großen Kosten für uns verbunden. Es war sehr zeitintensiv, sich mit den Bewerbern auseinanderzusetzen, aber dann festzustellen, dass sie einfach nicht genügend qualifiziert waren für uns.

    Das Neue an der Online-Jobbörse der Arbeitsämter: Stellenangebote und Bewerber-Angaben werden vom Zentralrechner, der nach einer möglichst passgenauen Stellenbesetzung sucht, direkt verglichen. Das erhöht die Treffsicherheit bei der Bewerberauswahl, meint Heinrich Alt, der im Vorstand der Bundesanstalt für Arbeit sitzt. Wie gut die neue Jobbörse letztlich aber funktioniert, hängt seiner Ansicht nach aber maßgeblich von denen ab, die keine Arbeit haben.

    Heinrich Alt :
    "Die Bringschuld der Arbeitslosen liegt darin, dass sie einmal, hoffe ich, viele von ihnen in der Lage sind, mit dem Computer gut umzugehen. Wer das nicht kann, kann das bei uns lernen. Wir finanzieren das auch. Und dann erwarten wir uns von den Arbeitslosen, dass sie ihre Daten möglichst qualifiziert, möglichst vollständig, möglichst gut in dieses System selbst eingeben. Das erspart uns viel Eingabe-Zeit, dass wir die Möglichkeit haben dann in qualifizierten Gesprächen über diese eingegebenen Daten zu sprechen, zu beraten, zu informieren.

    Die Arbeitgeber sind aufgefordert, fleißig freie Stellen in die öffentliche Jobbörse der Bundesanstalt einzutippen. Denn bislang stehen den zwei Millionen Stellensuchenden in "Arbeitsagentur.de" nur 350.000 freie Jobs gegenüber. Damit sich dieses Verhältnis verbessert, schicken Mitarbeiter der Bundesanstalt einen so genannten "Job-Roboter" durchs Netz. Das ist eine Suchmaschine, die Internetseiten von Firmen auf Stellenangebote durchforstet.

    Ein weit größeres Angebot an Stellen ist aber erst durch die Vernetzung mit kommerziellen Jobbörsen zu erwarten. Als Pioniere auf dem virtuellen Vermittlungsmarkt haben die sich bereits bewährt und bieten im Unterschied zu den Arbeitsämtern eher Jobs für Höherqualifizierte.
    Doch aus Sorge um eine mögliche Monopolstellung der Bundesanstalt auf dem Online-Vermittlungsmarkt beteiligen sich bislang gerade mal vier von rund 400 deutschen Online-Jobbörsen am Projekt "Arbeitsagentur.de". Jürgen Koch, der das neue Internetprojekt der Bundesanstalt leitet, glaubt allerdings, die Zurückhaltung werde bald abnehmen.

    Jürgen Koch:
    "Wir werden also im Dezember zehn Jobbörsen angeschlossen haben und bis Mitte nächsten Jahres gehe ich davon aus, dass wir auf 60 bis 70 Börsen kommen werden. Und das ist für diesen Zeitraum ein erstes sehr gutes Ergebnis.

    Über den virtuellen Arbeitsmarkt, der im kommenden Sommer noch um eine Online-Beratung erweitert werden soll, will die Bundesanstalt in Zukunft die Hälfte ihrer gesamten Stellenvermittlung abwickeln. Der Behörde ist das Investitionen von insgesamt 77 Millionen Euro wert. Vorstandsmitglied Heinrich Alt erwartet sich dafür spürbare Erleichterungen auf dem Arbeitsmarkt.

    Heinrich Alt :
    "Also wir ham derzeit eine durchschnittliche Dauer von 33 Wochen in der Arbeitslosigkeit. Das ist auch im internationalen Vergleich relativ lang. Es gibt viele Länder, die liegen zwischen 20 und 30 Wochen. Und wenn es uns gelingen würde, mithilfe dieses neuen Systems die Arbeitslosigkeit im Durchschnitt um eine Woche zu reduzieren, dann hätten wir Einsparungen auf der Leistungsseite von einer Milliarde Euro. Und ich glaub, das würde diese Investition mehr als rechtfertigen.

    Nach Einschätzung von Behördenchef Florian Gerster wird allein die Reform der Bundesanstalt für Arbeit die Zahl der Arbeitslosen um ganze 400.000 senken. Dabei setzt er nicht nur auf moderne EDV-Methoden, die von "computertauglichen Klienten" ausgehen Auch die Arbeitsämter sollen sich verändern. Ein Versuch läuft derzeit im Arbeitsamt Heilbronn. – Ein grauer, lichtarmer Betonbau, in dem man eher auf Warteschlangen und mürrische Antworten gefasst ist. Stattdessen treten den Besuchern schon beim ersten Schritt über die Eingangsschwelle aufgeschlossene Angestellte entgegen.

    Arbeitsamt Heilbronn (Empfang):
    Hallo, Morgen! Bitteschön. Hier. Kindergeld? 2. Stock hoch, des is Kindergeld. Morgen bitte schön, wo möchten Sie denn hin? Ja einfach Informationen irgendwo holen. Ja, gehen Sie mal zur Kollegin, die gibt sie Ihnen, wissen sie wo?
    Hab Termin im 2. Stock. Ja, dann dürfen Sie grad rein. Dankeschön. Hallo, Morgen, bitteschon, wo möchten Sie denn hin. Zum Computer. Zum Computer, ja grad hier rein. Stelle aham. Bis zum 2. 12. Muss ich abgeben für Arbeitslosenhilfe. (blättern) O.K. Den Arbeitslosenhilferantrag, den dürfen sie jetzt sofort abgeben im Zimmer 142, ja? Danke schön. Auf Wiedersehen.

    Im Arbeitsamt Heilbronn ist der "Kunde" – wie der Arbeitslose und sonstige Behördenbesucher dort konsequent genannt werden – König. Seit Oktober läuft in dem "Arbeitsamt der Zukunft" die Vorphase für einen Modellversuch, ein so genannter "Konzepttest". Zu den zentralen Elementen gehört dabei ein provisorisch eingerichteter Infotresen mitten im Foyer. Er ist die Anlaufstelle für alle Besucher, die ohne Terminvereinbarung kommen, und erstmal Beratung brauchen.

    Arbeitsamt Heilbronn (Tresen):
    Und Insolvenzgeld ham sie schon beantragt? Ja hab ich schon. Personalausweis ham sie dabei? Wir ham im Moment an Konzepttest hier im Haus, Das heißt, wir würden mit ihnen jetz mal testen... Sie dürfen den Hörer abnehmen, roten Knopf drücken und da meldet sich dann die Kollegin. Grüß Gott, Clont ist mein Name. C-L-O-N-T, ... wollt mich arbeitslos melden.

    Sieben Minuten hat der gelernte Drehermit einer Sachbearbeiterin des behördeneigenen Call-Centers telefoniert. Insgesamt hielt sich der Mann eine Viertel Stunde im Arbeitsamt auf ´ und verlässt das Haus mit einer Terminzusage und klaren Anweisungen, was er zum nächsten Behördenbesuch mitbringen muss. Die Jobvermittlerin Sandra Büchele und ihre Kollegen im Bürotrakt des Heilbronner Arbeitsamtes betrachten das zufrieden als Schritt zu mehr Effizienz.

    Sandra Büchele:
    Ich kann mich auf das Beratungsgespräch vorbereiten, d.h. ich weiß schon was fürn Kunde mich erwartet. Und kann mir schon überlegen, was für Dienstleistungen ich ihm anbieten kann, um seine Arbeitslosigkeit zu beenden.

    Etwa 70 Prozent der Anliegen lassen sich schon an der Infotheke klären, ohne dass Berater, Vermittler oder Sachbearbeiter eingeschaltet werden, meint der Leiter des Heilbronner Projekts, Rainer Bomba. Und das sei gut so, denn schließlich habe niemand seine Zeit gepachtet, sagt er – und wagt eine optimistische Prognose.
    Rainer Bomba:
    "Ich gehe eher davon aus, dass die Zahl der Anliegen, die geklärt werden kann, über 70 Prozent liegt. Denn es zeigt sich inzwischen schon eins ganz klar: Der Kunde hat den Hang zum Telefon und versucht von zuhause aus viel zu klären, was bisher nicht möglich war.

    In der Hauptstelle der Bundesanstalt für Arbeit feiert man das Heilbronner Konzept schon jetzt als "Quantensprung in der Vermittlung". Im Januar sollen neun weitere Arbeitsämter zu Modellprojekten nach Heilbronner Vorbild umorganisiert werden. Bis zum Jahresende 2004 – so die Zielvorgabe – werden alle 180 Arbeitsämter in der Republik nach dem neuen Konzept arbeiten. Bis sich der Betrieb richtig eingependelt hat, wird es bis Ende 2005 dauern, schätzt Arbeitsamts-Reformer Rainer Bomba. Doch weiß er, dass auch mancher "Kunde" seine Zeit zur Umstellung brauchen wird.

    Rainer Bomb :
    "Das ist ein Lernprozess. Der Kunde, der neu in das Amt reinkommt, wird das System, das wir jetzt testen, ganz einfach übernehmen, weil es für ihn das neue System ist. Die Kunden, die also ich sag mal also wirklich Zwischenfälle provozieren und das neue System nicht annehmen können oder wollen, auch die müssen sich daran gewöhnen, dass bei der Bundesanstalt für Arbeit eine andere Zeit eingekehrt ist.

    "Fördern und Fordern" heißt bekanntlich die Losung, die Vorstandschef Florian Gerster ausgegeben hat. Je nachdem, ob sich König Kunde gut fordern lässt oder mit dem System eher überfordert ist, teilt ihn das Arbeitsamt in bestimmte Kategorien ein. Der so genannte "Marktkunde" ist der angesehenste bei den Behördenreformern. Er ist eher jung, gut qualifiziert, computererfahren und vermitttelt sich quasi von selbst. Wer schon länger als ein halbes Jahr vergeblich nach Arbeit sucht, Weiterbildung braucht oder einfach Schwierigkeiten beim Ausfüllen von Formularen hat, gilt als "Beratungskunde". Menschen mit Sprachproblemen, Überschuldete und Drogenabhängige, gelten im Arbeitsamt der Zukunft als besonders schwere Fälle und sind damit "Betreuungskunden". Eine eigentümliche Klassifizierung. Abwerten soll die aber niemanden, beteuert Frank Weise, Vorstandsmitglied der Bundesanstalt.

    Frank Weise:
    "Das hat nur den Zweck, dass wir uns auf diesen Kunden und seine spezifischen Probleme wirklich einstellen können. Es wird eben der Kunde kommen, der braucht nur den Hinweis auf den virtuellen Arbeitsmarkt und er kann vielleicht mit einer kleinen Anleitung seine Bewerbung schreiben und kümmert sich selbst. Wir werden aber auch den Kunden haben, dem wir helfen müssen, seine Themen zu sortieren und vielleicht zu qualifizieren, bevor er überhaupt arbeitsmarktfähig ist. Und um diese Zuwendung in der Zeit in den Kosten, richtig zu organisieren, müssen wir die Probleme der Kunden differenzieren."

    Wesentliches Ziel der Reform ist freilich auch, Geld einzusparen. Frank Weise, der aus der freien Wirtschaft kommt und seit knapp zwei Jahren im Vorstand der Bundesanstalt für die Finanzen zuständig ist, spricht deshalb viel vom Controlling. Und nimmt damit einen Begriff in den Mund, der in dem über 50-jährigen Beamtenapparat bislang ein Fremdwort gewesen ist.

    Frank Weise:
    "Der Kerngedanke des Controlling ist, in Vergleichbaren Arbeitsämtern haben wir heute bestimmte Kosten und Leistungen im Rahmen unseres Auftrags. Und dort hat Betriebswirtschaft eine Bedeutung. Wir müssen einfach erklären, wenn in einem Arbeitsamt die Kosten einer Qualifizierung wesentlich höher sind als in einem Vergleichbaren, dann lohnt es sich nachzufragen. Und ich wünsche dann unseren Führungskräften ne glückliche Hand für die richtige Entscheidung.

    Außer dem Finanzvorstand versuchen auch Unternehmensberater von McKinsey, die Arbeitsämter auf betriebswirtschaftliches Denken umzupolen. Das ist wie so oft mit dem Um- und Abbau von Personal verbunden. So soll die Mitarbeiterzahl in der Hauptstelle der Nürnberger Bundesbehörde von 1.100 auf 400 verringert werden. Ziel ist, das Amt als Führungszentrale und Innovationsschmiede für Arbeitsmarktideen zu profilieren. Der Großteil der Beschäftigten wird auf andere Häuser verteilt, 200 verlassen die Bundesanstalt ganz. Auch dem Personalstamm der Landesarbeitsämter, die völlig neu strukturiert und zu so genannten "Regionaldirektionen" gemacht werden sollen, steht eine Kürzung bevor. Unter den insgesamt 90.000 Beschäftigten in der Bundesanstalt wächst da die Verunsicherung, stellt Eberhard Einsiedler fest. Er ist Vorsitzender des Hauptpersonalrats der Behörde.

    Eberhard Einsiedler:
    "Die Stimmung ist zur Zeit sicherlich nicht als gut zu bezeichnen, was aber auch damit zu tun hat, dass noch sehr viel Unsicherheit unterwegs ist. Wir haben Unklarheit jetzt noch für den ganzen Reformprozess. Da ist es dringend erforderlich, dass dieser Reformprozess schnell klare Konturen gewinnt. Für die Kollegen draußen ist das alles noch nicht so sichtbar.

    In einer behördeninternen Umfrage, an der sich Zweidrittel aller Mitarbeiter beteiligt haben, erklärten ganze 90 Prozent, sie sähen nicht den Sinn und nicht die Zielausrichtung der Reformen. Vorstandsmitglied Frank Weise, der die Befragung in Auftrag gegeben hat, reagiert auf dieses Ergebnis jedoch gelassen.

    Frank Weise:
    "Wir können uns das erklären. Es ist nicht erfreulich, aber ich glaube, es ist vielleicht gut so, dass wir das wissen. Denn jetzt kommts erstens drauf an, dass wir unseren Mitarbeitern und Führungskräften etwas Überzeugendes in die Hand geben, was sie wirklich motiviert bei dieser Form mitzuarbeiten. Und das Zweite ist, wir haben als Führungskräfte eine Aufgabe, uns diesem Gespräch zu stellen. Und das werden wir tun.

    Über das Intranet teilt die Nürnberger Zentrale den Beschäftigten in den Außenstellen die neuesten Reformschritte mit. Auch erste Erfolge, etwa aus dem Modellamt Heilbronn. Doch seien die Informationen oft zu umfangreich, schwer verständlich und ungenau, so die allgemein verbreitete Klage in den Arbeitsämtern. Die Bundesanstalt hat eben noch Kommunikationsprobleme, findet der oberste Personalrat, Eberhard Einsiedler. Besonders schwer hätten das zum Beispiel seine Kollegen aus der Abteilung "Leistungsmissbrauch und Schwarzarbeit" zu spüren bekommen.

    Eberhard Einsiedler:
    Wenn ich mir überleg, dass die Politik jetzt wie geschehen, über 2.500 Leute von heut auf morgen wegverlagert zum Zoll. Und unsere Beschäftigten wie wir auch das aus der Zeitung lesen, ist das ein Punkt der sicherlich net zur Aufhellung, zur besseren Stimmung beiträgt.
    Wie stark der Einfluss der Politik auf den Reformprozess ist, zeigt dieser Tage die erhitzt geführte Debatte um den PR-Beratervertrag, den Behördenchef Florian Gerster mit der Berliner Firma WMP abgeschlossen hat. Gerster habe mit 1,3 Millionen Euro eine zu hohe Summe für die interne und externe Kommunikation der Bundesanstalt bewilligt und den Kontrakt darüber hinaus ohne Not im Eilverfahren vergeben, lautet die Kritik aus den Reihen der Unionsparteien. Mittlerweile haben WMP-Chef Bernd Schiphorst und der Vorstand der Bundesanstalt die Verträge einvernehmlich aufgelöst. Dennoch weist Florian Gerster die Vorwürfe gegen ihn als völlig haltlos zurück. Er wertet das Ganze als üble Kampagne.

    Florian Gerster:
    Ausgelöst wurde die Kampagne, die uns jetzt im Augenblick beschäftigt offensichtlich von einer Anfrage der CDU/CSU im deutschen Bundestag. Daraus ist wenige Tage später eine – wie ich finde – beispiellos inszenierte Medienkampagne der "Bild am Sonntag" geworden.

    Eine Kampagne, die manchen Beschäftigten in der Bundesanstalt den Atem anhalten lässt. Denn neben raschen Rücktrittsforderungen und Vorschlägen für die Nachfolge Gersters war aus den Reihen der Politik zum wiederholten Mal der Ruf zu hören, die Behörde gänzlich zu zerschlagen. Nach Ansicht von Personalvertretern in der Bundesanstalt hat das die Motivation für den angelaufenen Reformprozess schwer beeinträchtigt. Doch derjenige, der im Mittelpunkt der Debatte steht, Florian Gerster, hält die Affäre offenbar bereits für so gut wie überstanden. Bei seinem ersten Routineauftritt während der aktuellen Krise – zur Bekanntgabe der neuen Arbeitslosenzahlen – blickte er tatkräftig nach vorn, als würden er und seine Behörde bald schon wieder auf bessere Zeiten zusteuern.

    Florian Gerster:
    Wir müssen die BA nach dieser Unruhe wieder in ruhiges Fahrwasser bringen. Das war übrigens auch der Grund für die Vergabe dieses Beratungsauftrages. Wir waren im Frühjahr in einem sehr unruhigen Fahrwasser. Wir können das nachweisen anhand der Schlagzeilen, die in den Medien über die BA und Persönlichkeiten der BA zu lesen waren.

    Dennoch ist der Ärger um die PR-Verträge noch nicht ad acta gelegt. Am Dienstag wird sich der Verwaltungsrat der Bundesanstalt mit dem Untersuchungsergebnis des Bundesrechnungshofs befassen. Auch wenn sich der Verwaltungsrat bereits mehrheitlich hinter Gerster gestellt hat, gibt es doch auch schwankende Ratsmitglieder auf Seiten der Gewerkschaften und der öffentlichen Hand, die mit der Person und dem eigenwilligen Führungsstil Florian Gersters immer wieder ihre Probleme haben. Der auch bei seinen Mitarbeitern nicht unumstrittene Mann an der Spitze der Behörde bemüht sich derweil, auf erste Erfolge der Reformen hinzuweisen.

    Florian Gerster:
    Wir haben ein Veränderungstempo, das ungewöhnlich ist. in den Modellarbeitsämtern, wo ja schon die neue Welt gewissermaßen stückweise verwirklicht wird. Virtueller Arbeitsmarkt bzw. der schrittweise Einstieg in den virtuellen Arbeitsmarkt, alles zusammengenommen haben wir ein Reformtempo, das sich sehen lassen kann.

    Damit es in dieser Geschwindigkeit weiter gehen könne, brauche es politische Entscheidungen, sagt Gerster, und damit meint er die noch immer auf Eis liegenden Reformgesetze Hartz III und IV. Die beiden Gesetzesvorlagen sind maßgebliche Grundlage für die Reform der Behörde zur "Bundesagentur für Arbeit". Darin liegt die neue Kernkompetenz der Behörde verankert. Sie lautet "vermitteln" statt wie bisher "verwalten". Die Gesetzentwürfe sehen auch Freiheiten zur Bildung neuer, flacher Führungsstrukturen vor. Nicht zuletzt geht es um die Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe zum so genannten Arbeitslosengeld II. Das würde eine intensive Zusammenarbeit zwischen Arbeitsämtern und Kommunen erfordern.

    An diesem Wochenende ist der Vermittlungsausschuss des Bundestags über die Gesetzentwürfe In die heiße Beratungsphase getreten. Die Vorlagen hatten im Bundesrat keine Mehrheit erlangt. Jetzt hofft die Bundesregierung, dass Gespräche mit Oppositionsvertretern noch einen Kompromiss ergeben. Ob es dazu kommt ist ungewiss. In der Bundesanstalt für Arbeit sieht der oberste Personalvertreter Eberhard Einsiedler bereits schwarz: Ihm erscheint es allzu auffällig, dass die Unionsparteien den Auftakt der Affäre um die PR-Verträge dafür genutzt hätten, Stimmung gegen die Hartz-Gesetze zu machen. Etwa am Beispiel des Arbeitslosengeldes "ALG II".

    Eberhard Einsiedler:
    "Für mich gibt’s einen ganz engen Zusammenhang mit der bevorstehenden Entscheidung im Vermittlungsausschuss. Wenn bereits ein Tag nach Veröffentlichung in der "Bild am Sonntag" Herr Kauder von der CDU Rückschlüsse zieht und der Meinung ist, dass das ein Beleg dafür wär, dass die Bundesanstalt wohl nicht in der Lage wär, ALG II und die Aufgabe, die damit verbunden ist, zu bewältigen, dann liegt für mich der Verdacht nahe, dass || das Mittel zum Zweck ist, man Herrn Gerster schlägt und die Institution Bundesanstalt versucht, dabei zu treffen.
    Auf das Arbeitslosengeld II, betont Einsiedler, bereite sich die Bundesanstalt seit langem vor, obwohl bis heute nicht klar sei, ob die Regelung überhaupt kommen werde, Und während weiter über Kompetenz und Unfähigkeit, über Reformwillen und Motivationsverlust in der Bundesanstalt für Arbeit diskuttiert wird, schließlich die gesamte Behörde in Frage steht, bekommen die Beschäftigten in den Arbeitsämtern ein flaues Gefühl im Magen. So wie Gerd Link und seine Kollegen vom Arbeitsamt in Nürnberg.

    Gerd Link:
    "Wir haben ganz einfach Angst, dass die Politik aus heiterem Himmel heraus mit einer Blitzidee plötzlich wieder komplette Dinge ändert und völlig andere Dinge einführen will.

    König Kunde reibt sich derweil die Augen und fragt sich, ob sich überhaupt noch jemand Sorgen um ihn macht. Denn König Kunde ist gemeinsam mit über 4 Millionen anderen Leidensgenossen arbeitslos. Ihm bleibt vorerst Bea, die freundliche Beraterin in der Jobbörse der Arbeitsämter. Sie macht Mut per Mausklick.

    Bea:
    "Viel Erfolg bei der Stellensuche mit Arbeitsagentur.de"