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König Ubu und die metrosexuellen Jünglinge

"The other side" heißt die Ausstellung, mit der der Kunstverein Hannover jetzt die in Deutschland kaum bekannten Werke des Malers Hernan Bas vorstellt. Seine Landschaften sind reich an mythologischen Bezügen, die Einzelfiguren darin stellen die Verbindung zum Betrachter her.

Von Carsten Probst |
    Hernan Bas ist 34 Jahre alt, das ist jung für einen Maler und erst recht für einen, der seit zehn Jahren Bild um Bild produziert in einer nicht zu enden scheinenden Phase besessener Schaffenskraft. Seine Gemälde zeugen von einer mitunter verwirrenden Vielfalt an Maltechniken, flächigen und räumlichen, abstrakten und figürlichen, verwischten Farbwolken wie präzise gezeichneten Konturen, künstlichen und natürlichen Farben. Man entdeckt immer neue Zitate aus moderner Malerei und Literatur in diesen Bildern, ohne dass man das Gefühl hätte, diese Zitate seien Selbstzweck.

    Einmal fühlt man sich von wirr verschränkten, eisklar auf die Leinwand gespachtelten Farbflächen brüsk abgewiesen, man gewinnt keinen emotionalen Zugang zu dem Bild, soll ihn vielleicht nicht gewinnen - dann wieder fühlt man sich wie magisch hineingezogen in eine burleske, höchst rätselhafte Fantasiewelt, wie in dem großformatigen Gemälde "Ubu Roi (the war march)" aus dem Jahr 2009.

    König Ubu aus dem gleichnamigen Theaterstück von Alfred Jarry scheint in seiner dekadenten, brutalen Egomanie beispielhaft für die Art von Figuren zu stehen, die Hernan Bas faszinieren und um die sich diese ganze hochorchestrierte Inszenierung seiner Malerei zu drehen scheinen. Ubu, eine Figur, die Alfred Jarry in zarter Adoleszenz von 15 Jahren als eine Art grotesken neuen Till Eulenspiegel ersonnen hatte, ein Dämon mit unersättlichen Begierden, der zugleich in seiner zwitterhaften Körperlichkeit die traditionellen Geschlechterrollen auflöst.

    Wer den roten Faden in Hernan Bas' virtuosem Spiel mit Farben und Formen suchen will, der findet ihn - vielleicht - hier. Oft sind es klar umrissene Einzelfiguren, die die erste Verbindung zwischen dem Betrachter und dem Bild herstellen. Auffallend oft sind es magere Jünglinge in androgynen Posen, die ein wenig auf das veränderte Körpergefühl der 90er-Jahre verweisen, das sich zu jener Zeit in den bekannten Werbeanzeigen des Modelabels Calvin Klein ausdrückt.

    Gerade für einen Maler wie Hernan Bas, der als Sohn kubanischer Immigranten in Miami geboren wurde, mag der Wechsel vom allgegenwärtigen heterosexuellen Muskelmann an Floridas Stränden zum metrosexuellen Jüngling so etwas wie eine romantische Offenbarung gewesen sein. Aber tatsächlich drücken seine Bilder ein überbordendes Kaleidoskop der Sinnsuche aus, eine Suche nach etwas noch nicht Abgelebtem: Wie definiere ich mich heute als Maler und homosexueller Mann?

    Die Utopien der Moderne sind genauso den Bach heruntergegangen wie die subversiven Ideale schwuler Existenz. Alles ist irgendwie möglich und integriert und dadurch zugleich auch irgendwie egal. Bin ich als Maler hoffnungsloser Traditionalist, als bekennender Schwuler ein Dandy oder auch nicht mehr als ein Zitat der Avantgarde?

    Dämonen der Malerei und der Identifikationen bevölkern die Bilder Hernan Bas'. Mit Dämonen kennt er sich aus. Schon als Kind war er anfällig für den Aberglauben und den Synkretismus, der in der Karibik, aber auch in den Südstaaten Nordamerikas immer noch weit verbreitet ist. Seine Malerei reflektiert Farbe und Abstraktion als Wandlungsformen von Natur und Pflanzen, die seine Protagonisten einhüllen wie ein Geheimnis.

    Bas thematisiert die Suche nach dem Okkulten in Gemälden wie "A Santanist on Sunday" oder als rituelle Begräbniswaschung nach einem Autounfall im Urwald auf der über 5,50 Meter breiten Malerei "The road ahead is golden...silver...bronze". Diese Arbeit wurde er auf der letzten Art Basel Miami Beach zum "best painting" erkoren und war damit zumindest indirekt auch für diese erste Einzelausstellung von Hernan Bas in einer europäischen Kunstinstitution mitverantwortlich.

    Was sagt uns diese Malerei über die Malerei selbst, über ihre Rolle in der Gegenwartskunst? Sie wirkt erfrischend unbefangen im Umgang mit ihrer Tradition. Zugleich aber frönt sie der romantischen Tradition aus erhabener Landschaft mit einsamer, suchender Figur ohne Selbstdistanzierung, ohne Ironie. Obwohl er sich gern auf deutsche Malerei der Romantik bezieht, könnte seine Haltung undeutscher kaum sein. Malerei bedeutet für Hernan Bas nicht die Zuflucht ins Vergangene und Erhabene, sondern seine ständige Prüfung, ein Tasten, dann wieder einen Ausbruch an Lebensenergie - in jedem Fall aber ein höchst undefiniertes Lebensgefühl, weit entfernt von den Gewissheiten seiner großen klassischen Vorbilder. Gerade dadurch aber wirkt sie wie eine höchst verlockende Irritation.