Lear: " Jetzt siehst du, wie die Welt geht. "
Gloster: " Ich sehe es fühlend. "
Lear: " Was du bist doch wahnsinnig, man kann doch sehen, wie es in der Welt zugeht, auch ohne Augen. Schau doch mit den Ohren. "
Ein kleiner Trompeterstoß hat ihn fast unbemerkt angekündigt, dann schlurft dieser Lear aus der Dunkelheit der Bühnentiefe hinten links heran, dorthin, wo seit Beginn seine Krone auf einem Kissen liegt, dorthin, in die Bühnenmitte, wo er gleich die Landkarte seines Reiches irgendwie nachlässig zerreißen wird, um seine Macht unter seinen drei Töchtern zu verteilen. Aus der gleichen Dunkelheit und aus der gleichen Ecke wird der gleiche Lear vier Stunden später heranwimmern, den Körper seiner jüngsten Tochter Cordelia, die man gerade abgeschlachtet hat, in ein Tuch gehüllt hinter sich herziehend. Dazwischen liegt der tiefe Fall des greisen Lear vom mächtigen König im noch eigenen Palast zum wahnsinnigen Obdachlosen auf der Heide. Er, der sein Erbe weniger mit dem Gestus der Großzügigkeit als mit dem der Anmaßung verteilt, und zudem noch als Vorleistung nach absoluten Liebesschwüren der Begünstigten giert, er wird ausgerechnet von der jüngsten, seiner Lieblingstochter, enttäuscht. Dass er sie deshalb verstößt, das ist bei Shakespeare der Anfang vom Ende.
Lear:" Ich sage mich los von allen Vaterpflichten, von aller Gemeinsamkeit von aller Blutverwandtschaft. Von nun an bist du mir fremd, du bist nicht mehr meine Tochter, du. "
Wie ein alttestamentarischer Gottvater mit schlohweißem Schopf stößt Gerd Voss als Lear den Bannfluch hervor. Er spielt diesen König gleich zu Beginn majestätisch zwar, aber vor allem auch schon: als alten Mann, als 80-Jährigen, alterstolz aufrecht aber auch schon todes-trotzend. Strauchelnd manchmal, dann immer öfter. Das Alter, das so oft auf erschreckende Weise die Würde des Menschen anzugreifen scheint, hat mit der Königswürde wohl noch leichteres Spiel. Dieser Lear hat seinen Zenit weit hinter sich, es ist ein Greis der da mit seiner Hundertschaft Ritter ins jeweilige Haus der beiden verbleibenden Töchter einfällt, die allerdings auch nichts besseres zu tun haben, als den Alten schließlich auf die Heide zu jagen, wo Lear im Sturm dem Wahnsinn verfällt.
Die Inszenierung des Wiener Festwochenintendanten Luc Bondy ist ganz auf den Lear des 65-jährigen Gerd Voss konzentriert, der wohl - das ist nach dieser Premiere klar - tatsächlich der Lear der Stunde ist. Voss präsentiert die Figur mit der von ihm bekannten Schauspielerwucht und -wonne, und fächert sie dabei in ihrer ganzen Menschlichkeit auf: von der angemaßten Höhe der Macht bis hinunter zu Verzweiflung und Wahnsinn, der Bürde des Alters und schließlich zum Tod. Trägt er dabei zu Beginn noch edles Samt, so quillt ihm bald schon daraus das weiße Untergewand, das später dann seine schmutzigen langen Unterhosen umschlottern wird. Dabei beweist Voss immer wieder den Mut zur herzerweichenden Lächerlichkeit, in der der alte Mensch Lear zunächst noch nach der alten Würde strebt, um schließlich dann nur noch die Mühe zu zeigen, sich aufrecht zu halten. Dass er hier kurz vor dem Tod gleichsam sehend und erkennend wird, das verbindet ihn mit seinem Leidensgefährten dem geblendeten Gloster.
Lear: " Jetzt siehst du, wie die Welt geht. "
Gloster: " Ich sehe es fühlend. "
Lear: " Was du bist doch wahnsinnig, man kann doch sehen, wie es in der Welt zugeht, auch ohne Augen. Schau doch mit den Ohren. "
Luc Bondy hat diesen König Lear im Wiener Burgtheater immer wieder in großen, manchmal sogar großartigen Bildern in Szene gesetzt, auf leerer Bühne oder vor den hohen verschiebbaren Türmen der Macht, doch dazwischen gibt es auch Leerläufe, in denen er Shakespeare wohl unergründlichstes Monumentalwerk einfach nur behäbig ausbuchstabiert. Dass man sich dabei als Zuschauer so auf Gerd Voss als Lear fokussiert, liegt sicherlich zum einen im Werk selbst begründet, das ja seinen ganzen Reichtum in eben dieser Titelfigur spiegelt, doch zugleich wird man das Gefühl nicht los, das Gerd Voss diesen Lear auf einem Niveau ausschreitet, an das kaum jemand aus dem unleugbar hochkarätigen Ensemble in dieser Inszenierung heranreicht. Und so ist aus diesem Lear gleichsam ein Stück geworden, das vielleicht sogar zu erwarten war, sein Titel: König Voss.
Gloster: " Ich sehe es fühlend. "
Lear: " Was du bist doch wahnsinnig, man kann doch sehen, wie es in der Welt zugeht, auch ohne Augen. Schau doch mit den Ohren. "
Ein kleiner Trompeterstoß hat ihn fast unbemerkt angekündigt, dann schlurft dieser Lear aus der Dunkelheit der Bühnentiefe hinten links heran, dorthin, wo seit Beginn seine Krone auf einem Kissen liegt, dorthin, in die Bühnenmitte, wo er gleich die Landkarte seines Reiches irgendwie nachlässig zerreißen wird, um seine Macht unter seinen drei Töchtern zu verteilen. Aus der gleichen Dunkelheit und aus der gleichen Ecke wird der gleiche Lear vier Stunden später heranwimmern, den Körper seiner jüngsten Tochter Cordelia, die man gerade abgeschlachtet hat, in ein Tuch gehüllt hinter sich herziehend. Dazwischen liegt der tiefe Fall des greisen Lear vom mächtigen König im noch eigenen Palast zum wahnsinnigen Obdachlosen auf der Heide. Er, der sein Erbe weniger mit dem Gestus der Großzügigkeit als mit dem der Anmaßung verteilt, und zudem noch als Vorleistung nach absoluten Liebesschwüren der Begünstigten giert, er wird ausgerechnet von der jüngsten, seiner Lieblingstochter, enttäuscht. Dass er sie deshalb verstößt, das ist bei Shakespeare der Anfang vom Ende.
Lear:" Ich sage mich los von allen Vaterpflichten, von aller Gemeinsamkeit von aller Blutverwandtschaft. Von nun an bist du mir fremd, du bist nicht mehr meine Tochter, du. "
Wie ein alttestamentarischer Gottvater mit schlohweißem Schopf stößt Gerd Voss als Lear den Bannfluch hervor. Er spielt diesen König gleich zu Beginn majestätisch zwar, aber vor allem auch schon: als alten Mann, als 80-Jährigen, alterstolz aufrecht aber auch schon todes-trotzend. Strauchelnd manchmal, dann immer öfter. Das Alter, das so oft auf erschreckende Weise die Würde des Menschen anzugreifen scheint, hat mit der Königswürde wohl noch leichteres Spiel. Dieser Lear hat seinen Zenit weit hinter sich, es ist ein Greis der da mit seiner Hundertschaft Ritter ins jeweilige Haus der beiden verbleibenden Töchter einfällt, die allerdings auch nichts besseres zu tun haben, als den Alten schließlich auf die Heide zu jagen, wo Lear im Sturm dem Wahnsinn verfällt.
Die Inszenierung des Wiener Festwochenintendanten Luc Bondy ist ganz auf den Lear des 65-jährigen Gerd Voss konzentriert, der wohl - das ist nach dieser Premiere klar - tatsächlich der Lear der Stunde ist. Voss präsentiert die Figur mit der von ihm bekannten Schauspielerwucht und -wonne, und fächert sie dabei in ihrer ganzen Menschlichkeit auf: von der angemaßten Höhe der Macht bis hinunter zu Verzweiflung und Wahnsinn, der Bürde des Alters und schließlich zum Tod. Trägt er dabei zu Beginn noch edles Samt, so quillt ihm bald schon daraus das weiße Untergewand, das später dann seine schmutzigen langen Unterhosen umschlottern wird. Dabei beweist Voss immer wieder den Mut zur herzerweichenden Lächerlichkeit, in der der alte Mensch Lear zunächst noch nach der alten Würde strebt, um schließlich dann nur noch die Mühe zu zeigen, sich aufrecht zu halten. Dass er hier kurz vor dem Tod gleichsam sehend und erkennend wird, das verbindet ihn mit seinem Leidensgefährten dem geblendeten Gloster.
Lear: " Jetzt siehst du, wie die Welt geht. "
Gloster: " Ich sehe es fühlend. "
Lear: " Was du bist doch wahnsinnig, man kann doch sehen, wie es in der Welt zugeht, auch ohne Augen. Schau doch mit den Ohren. "
Luc Bondy hat diesen König Lear im Wiener Burgtheater immer wieder in großen, manchmal sogar großartigen Bildern in Szene gesetzt, auf leerer Bühne oder vor den hohen verschiebbaren Türmen der Macht, doch dazwischen gibt es auch Leerläufe, in denen er Shakespeare wohl unergründlichstes Monumentalwerk einfach nur behäbig ausbuchstabiert. Dass man sich dabei als Zuschauer so auf Gerd Voss als Lear fokussiert, liegt sicherlich zum einen im Werk selbst begründet, das ja seinen ganzen Reichtum in eben dieser Titelfigur spiegelt, doch zugleich wird man das Gefühl nicht los, das Gerd Voss diesen Lear auf einem Niveau ausschreitet, an das kaum jemand aus dem unleugbar hochkarätigen Ensemble in dieser Inszenierung heranreicht. Und so ist aus diesem Lear gleichsam ein Stück geworden, das vielleicht sogar zu erwarten war, sein Titel: König Voss.