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Königsberg - bald auferstanden aus Ruinen?

Mehr Lebendigkeit, mehr Wohlstand wünscht sich der russische Architekt Arthur Sarnitz für Kaliningrad. Er setzt dabei auf Vergangenes, er will die Stadt exakt so wiederaufbauen, wie Königsberg vor dem Zweiten Weltkrieg einmal aussah - nur eine Vision?

Von Hartmut Idzko | 20.06.2011
    Orgelklänge aus dem Königsberger Dom. Er steht wieder in alter Pracht da - in fast 20-jähriger Kleinarbeit wurde er im alten gotischen Stil wieder aufgebaut. Vor dem markanten Backsteinbau aus dem 14. Jahrhundert eine Grünanlage mit wenigen Bäumen und fast menschenleer. Eine Insel umschlungen von dem Fluss Pregel. Einst tobte hier das Leben. In vielen kleinen Gassen und Straßen, mit Geschäften und Cafés. In einem bunten Architektur-Stilgemisch. Zeugnis der vielfältigen Kultur in Königsberg über viele Jahrhunderte.

    Doch heute trödeln nur einige Spaziergänger verträumt über den großen, fast unwirtlichen Platz. Ein Mann kommt hier beinah täglich her. Es ist Arthur Sarnitz, Architekt in Kaliningrad, wie die Stadt heute heißt. In Kaliningrad geboren und aufgewachsen. Seit fünf Jahren bereits träumt er davon, dass hier auf der Insel vor dem Dom wieder die alte deutsche Stadt Königsberg entstehen soll. Ungezählte Aufnahmen, Zeichnungen, Dokumente und Geschichten hat er gesammelt und digitalisiert. So ist am Computer ein exaktes Gesamtbild der im Krieg zertrümmerten Stadt wieder entstanden.

    "Da die Stadt meine Heimat ist, möchte ich ihr die vergangene Schönheit wieder zurückgeben. Sie muss mit moderner Technik und mit höchster Treue zu den alten Plänen aufgebaut werden. Dabei wollen wir nicht einfach die alte Stadt neu entwickeln, sondern auch uns in dieser Umgebung neu entdecken. Mit gemütlichen Gassen, in den man schlendern, in denen man leben kann."

    Königsberg wurde gegen Ende des Krieges zu großen Teilen zerstört. Den Anfang machten britische Bomber. Kaum ein Haus blieb heil. Die Ruinen dienten sowjetischen Filmemachern noch Jahre später als Kulisse für die Heldentaten der Roten Armee.
    Architekt Sarnitz kennt diese Zeit nicht. Er ist erst 45 Jahre alt und als Architekt sehr erfolgreich in Kaliningrad. Zu seinen Auftraggebern gehören die neuen Reichen in der Oblast Kaliningrad. Er baut ihnen Villen im pompösen Stil mit viel Zierrat und Schnörkeln. Doch diesen eher kitschigen Historizismus will Sarnitz gerade nicht, wenn er an den Wiederaufbau denkt.

    "Ich bin für eine wissenschaftliche Vorgehensweise und denke an Städte in Europa, die wieder aufgebaut wurden, wie Danzig oder Warschau. Dort haben wir moderne Bauten und wir haben die historische Altstadt. Wir wollen den Wandel über Jahrhunderte zeigen. Wir wollen diese Stadt neu entdecken und sie wieder entdecken. Keine touristische Puppenstube."

    Dafür muss man nicht tief buddeln, meinen Architekten und Denkmalschützer. Denn die Ruinen der Altstadt sind nach dem Krieg nur zugeschüttet worden, man würde schnell wieder auf die alten Grundmauern stoßen. Technisch soll die neue Altstadt natürlich auf den neuesten Stand gebracht werden und das Innenleben der Häuser soll neuesten Ansprüchen gerecht werden. Das alles lässt sich lösen - meint der Architekt und die Erfolge in anderen Orten Osteuropas geben ihm recht.

    Nun gilt es, die Politik von seiner Vision zu überzeugen. Ungelöst ist auch die Frage, wer das gewaltige Projekt eigentlich finanzieren soll.

    Den jungen Gouverneur der Oblast Kaliningrad, Nukolaj Zukanow, hat der Architekt jedenfalls schon auf seiner Seite. Welche Rolle soll Kaliningrad künftig spielen? Diese Frage beschäftigt auch den Architekten Arthur Sarnitz.

    "Königsberg war immer ein Gebiet, in dem verschiedene Nationen gelebt haben. Wer weiß schon, dass Österreicher, Holländer, Franzosen hier waren. Natürlich auch Letten und Litauer sowie Russen. Die damalige Elite der Wissenschaft und Kunst kam aus vielen Ländern Europas. Königsberg war immer ein Schnittpunkt verschiedener Nationen und Völker. Wenn ich von Kaliningrad als Heimat rede, meine ich, die Stadt soll auch Heimat sein für Diejenigen, die wegen des Krieges die Stadt verlassen mussten. Es wird Zeit, die Steine aus der ganzen Welt wieder hier zu sammeln."