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Königsmacher

Weder koalitions- noch regierungsfähig, das Urteil von Hannelore Kraft, der SPD-Spitzenkandidatin in NRW über die Linke in ihrem Bundesland ist hart. Doch so ganz ausschließen will die Sozialdemokratin ein Bündnis mit diesem "bunten Haufen" dann doch nicht. Doch die Truppe ist streitbar und unbequem.

Von Christoph Ullrich | 06.05.2010
    "Es kann doch keiner mehr Zweifel daran haben, dass die Linke eine extremistische Partei ist – eine Veranstaltung von Chaoten, Radikalen und Populisten ..."

    … sagt auch Ministerpräsident Jürgen Rüttgers. Der CDU-Politiker hat natürlich ein Interesse daran hat, dass Schreckgespenst einer radikalen Linken an die Wand zu malen. Die NRW- Spitzenkandidatin Bärbel Beuermann spricht von Wahlkampfgetöse.

    "Wenn wir in den Landtag kommen, wovon ich ganz klar ausgehe, dann ist das ein Machtverlust für alle die vier Parteien, die jetzt im Landtag vertreten sind."

    Die Partei schickt sich an, im bevölkerungsreichsten Bundesland erstmals in das Landesparlament einzuziehen. Und mehr noch: Sie ist als potenzieller Koalitionspartner von rot-grün im Gespräch. Doch handelt es sich bei dieser Truppe wirklich um Extremisten oder "nur" um die ganz linke Variante der SPD? Letzteres wird die Spitzenkandidatin nicht müde zu beteuern. Doch Bärbel Beuermann verschweigt auch ein paar unangenehme Wahrheiten: Parteiintern hat der größte westlichste Landesverband mit seinen geschätzten 8700 Mitgliedern nach wie vor Probleme: viele Ortsverbände, wie der Leverkusener, stehen deutlich weiter links - als es der Düsseldorfer Parteispitze lieb ist. Kommunisten, Anarchos, Politikverdrossene finden sich in fast jedem Ortsverein, wenn auch nicht in der Mehrheit. Beobachtet wird die Linke zudem vom NRW-Verfassungsschutz – nicht zuletzt wegen zahlreicher innerparteilicher Strömungen, die sich "Antikapitalistische Linke" oder Kommunistischen Plattform nennen. Im Verfassungsschutzbericht 2009 heißt es:

    "Ein klares und unmissverständliches Bekenntnis zur parlamentarischen Demokratie fehlt. Es bestehen daher Zweifel, ob die Partei Die Linke sich ideologisch und pragmatisch, personell und hinsichtlich ihres politischen Handelns innerhalb der freiheitlichen demokratischen Grundordnung bewegt."

    Für den Sprecher des Parteivorstandes der NRW-Linken, Wolfgang Zimmermann, ist die Beobachtung durch den Verfassungsschutz schlicht ein wahltaktisches Manöver der CDU-FDP-Landesregierung. Vielleicht auch deshalb fordert die Partei langfristig die Abschaffung des Landesverfassungsschutzes, aber auch er kann nicht von der Hand weisen, dass es innerhalb seines Landesverbandes kommunistische Strömungen gibt.

    "Kommunismus ist eine Meinung, ein Weltbild. Das darf man auch nicht verwechseln, mit dem was in der Sowjetunion, in der DDR oder in China abgelaufen ist oder abläuft. Das ist eine kleine Gruppierung, aber das ist innerhalb unserer pluralistischen Partei durchaus möglich."

    Zimmermann toleriert diese unter Umständen antidemokratischen Tendenzen. Und auch im Wahlprogramm findet sich kein klares Bekenntnis zur Demokratie. Stattdessen liest man darin etwas von einem "demokratischen Sozialismus." Eine der Hauptforderungen der Linken ist die Verstaatlichung der Energiekonzerne RWE und E.on; beide Unternehmen haben ihre Hauptsitze in Nordrhein-Westfalen. Darauf will die Linkspartei – auch in eventuellen Koalitionsgesprächen – bestehen.

    "Ich weise darauf hin, auf den Artikel 27 der Landesverfassung, in dem ganz deutlich steht, dass Großbetriebe mit Monopolbildung in Allgemeineigentum überführt werden sollen. Da steht sollen, noch nicht mal können."

    Tatsache ist: Die Linke will den radikalen Politikwechsel – dafür stehen Parteispitze wie Basis. Sie wollen bewusst anecken - mit ihrer Struktur, mit ihrer Forderungen nach hohen Mindestlöhnen oder der Verstaatlichung von Industriebetrieben. Zugespitzte politische Ziele kommen an bei der Basis, wie auf einem Dinslakener Parteitreffen zu hören war:

    "Ich glaub schon dat mit der Forderung nach Vergesellschaftung, auch wenn das nach außen hin gestellt wird, wir wollen alles verstaatlichen jede Pommesbude, was natürlich Quatsch ist, das die Forderung mehrheitsfähig und auch wählbar ist. Diese Forderungen sind sehr überspitzt. Aber wenn man 10 Euro Mindestlohn haben will, muss man halt 100 Euro fordern und irgendwann trifft man sich da."

    Die linke Basis gefällt sich in dieser radikalen Haltung – nicht zuletzt deswegen wollen SPD und Grüne nicht laut über ein mögliches Regierungsbündnis mit der Linkspartei in Nordrhein-Westfalen spekulieren. Obwohl es in den Kernforderungen der drei Parteien durchaus Überschneidungen gibt: Gemeinschaftsschulen, die Abschaffung der Studiengebühren, ein Rettungsschirm für die hoch verschuldeten Städte und Gemeinden versprechen SPD, Grüne und auch die Linke.

    Spitzenkandidatin Bärbel Beuermann glaubt sogar, dass ohne ihre Partei solche Forderungen bei den Sozialdemokraten und Grünen nie ins Wahlprogramm geschrieben worden wären:

    "Die SPD ist doch ganz geschickt auf unser Wahlprogramm eingesprungen. Wir haben unsere Programme – es gibt Schnittmengen – Ja!"

    Allein aus diesem Grund hält Beuermann die Linke für regierungsfähig – sie hält ihre Partei für das soziale Korrektiv für SPD und Grüne. Doch so pragmatisch sich die Spitzen der NRW-Linkspartei auch darstellen - die Basis der Landeslinken könnte nach wie vor ein Problem sein. Die nämlich entscheidet auf einem Sonderparteitag, ob ihr Führungspersonal überhaupt Koalitionsgespräche führen darf. Ein Novum – bei SPD und Grünen entscheiden Parteitage erst über ein Gesprächsergebnis. Nach all dem, was man bisher über die Linkenbasis weiß, ist eher mit einem Verhandlungsveto zu rechnen – also mit einem Nein zu Koalitionsgesprächen. Noch aber will Bundestagsfraktionschef Gregor Gysi davon nichts wissen.

    "Dieses ganze Gedabbel, muss ich Ihnen mal sagen, um die Frage der Regierungsbildung nach der Wahl geht mir wirklich auf die Nerven. An der Partei die Linke ist eine wirklich alternative Regierung in Deutschland noch nie gescheitert. Das scheitert regelmäßig - Schauen sie bitte nach Hessen, schauen sie nach Thüringen, an der SPD, oder es scheitert, schauen sie bitte ins Saarland an den Grünen."

    Doch im kleinen Kreis hört man aus der Bundespartei auch andere Töne: So genehm wäre es der Bundesspitze nämlich gar nicht, wären die Linken Teil einer Landesregierung in NRW. Denn: Nach der Bundestagswahl im Jahr 2013 strebt man auf Bundesebene ein Bündnis mit SPD und Grünen an. Eine gleichfarbige Chaos-Koalition in Düsseldorf aber, die mit Streit und Unfrieden glänzt, wäre die denkbar schlechteste Empfehlung.