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Körniger Raum
Wie Physiker Einsteins Meisterwerk vollenden wollen

Was passiert, wenn man Einsteins allgemeine Relativitätstheorie und die Quantenphysik aufeinander loslässt? Das endet im Streit, denn in ihrem mathematischen Kern wollen beide einfach nicht zusammenpassen. Dennoch würden die Forscher liebend gern eine Zwangsheirat arrangieren, denn: Die Quantengravitation, so hieße die Kombination zwischen Einstein und den Quanten, könnte offene Fragen beantworten - etwa die nach dem Urknall, nach dem Beginn der Welt. Immerhin gibt es Versuche, und einer der Ansätze wird in der Fachwelt immer beliebter - die Schleifenquanten-Gravitation, kurz Loops. In dieser Woche widmet sich eine Konferenz in Erlangen den neusten Fortschritten.

Von Frank Grotelüschen |
    Sie gelten als die Grundpfeiler der Physik: Einsteins allgemeine Relativitätstheorie beschreibt die Gravitation und erklärt die Welt im Großen - wie Planeten um Sterne kreisen, Galaxien entstehen und sich der Kosmos entwickelt. Dagegen ist die Quantenphysik für das Kleine zuständig - das Treiben von Teilchen, Atomen und Molekülen. Nur:
    "In den Bereichen der Physik, wo wir beide gleichzeitig brauchen, funktionieren sie nicht zusammen. Da gibt's ein Problem", sagt Thomas Thiemann, Physikprofessor an der Universität Erlangen-Nürnberg. Konkret gibt's Probleme immer dort, wo auf engstem Raum eine gewaltige Gravitation herrscht.
    "Zum Beispiel die Physik Schwarzer Löcher. Oder sogar die Physik des Urknalls."
    Bei solchen Extremen versagen sowohl Einsteins Theorie als auch die Quantenmechanik. Dann behaupten sie etwas, das nicht sein kann - zum Beispiel unendlich große Massendichten.
    "Das ist ein Ding der Unmöglichkeit. So was sollte eine physikalische Theorie nie vorhersagen, eine Unendlichkeit!"
    Manche Forscher wollen das Dilemma umschiffen, indem sie neue Elementarteilchen postulieren, etwa die berühmten Superstrings. Thomas Thiemann verfolgt eine andere Idee, die Schleifenquantengravitation oder kurz Loops. Eine Theorie, die es zwar bei den gewohnten Teilchen belässt, dafür aber den Raumbegriff völlig umkrempelt.
    "Der Raum, den wir uns im täglichen Leben vorstellen, ist kontinuierlich. In der Schleifenquantengravitation sieht man, dass der Raum granular ist - nicht mehr kontinuierlich, sondern quantisiert."
    "Man kann sich das vorstellen wie Atome des Raums. Als würde der Raum aus lauter winzigen, unteilbaren Grundbausteinen bestehen. Und zwischen diesen Bausteinen wäre dann rein gar nichts - keine messbare Länge, kein messbares Volumen", sagt Professor Jerzy Lewandowski von der Universität Warschau. Vorstellen lässt sich dieser körnige Raum als eine Art Schaum. In diesem würde sich ein Teilchen nicht gleichförmig bewegen, sondern von Schaumbläschen zu Schaumbläschen hoppeln - allerdings in so kleinen Schritten, dass man das wohl niemals direkt beobachten kann. Um die Loops-Theorie dennoch zu beweisen, sind die Forscher auf Indizien angewiesen. Diese könnten sich etwa in der kosmischen Hintergrundstrahlung zeigen, quasi dem Echo des Urknalls. Noch aber lässt sich nicht sagen, wie solche Indizien genau aussehen könnten, denn, so Lewandowski:
    "Bislang sind unsere Formeln noch sehr schwierig und kompliziert. Deshalb versuchen wir, sie zu vereinfachen, um etwas Konkretes ausrechnen zu können. Ich glaube, dass wir in fünf Jahren die Theorie soweit entwickelt haben, dass wir damit mehr anfangen können als heute."
    Womit die Loops auch nicht weiter wären als die Konkurrenz, die Superstrings. Auch bei ihnen suchen die Experten immer noch einer Möglichkeit, wie man die Theorie experimentell überprüfen könnte. Doch sollte sich die Loop-Theorie bewahrheiten, könnte sogar das bisherige Weltbild ins Wanken geraten. Denn dann geht Thomas Thiemann davon aus, "dass der Urknall, wie wir ihn uns heute vorstellen, in dieser Form gar nicht stattgefunden hat. Dass der Raum nicht auf einen Punkt zusammengefallen ist, sondern auf eine Region sehr kleinen Volumens, aber endlichen Volumens."
    Dann wäre der Urknall gar nicht der Beginn der Welt gewesen, es hätte eine Zeit davor gegeben - wie immer sie auch ausgesehen haben mag.