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Kohle durch Kohle

Trotz beunruhigenden Zahlen fährt die konservative Regierung in Canberra einen widersprüchlichen Kurs in der Klimapolitik: Einerseits kündigt sie mehr Maßnahmen zum Klimaschutz an, andererseits wehrt sie sich gegen ein Umdenken in der Energiepolitik, denn die mächtige Kohleindustrie des Landes ist eine heilige Kuh: Rund 30.000 Menschen arbeiten in Australien im Bergbau. Ende dieses Jahres stehen nun Wahlen an, und das bringt Bewegung in die Klimadiskussion. Doch der Einfluss der Kohlelobby ist weiterhin stark. Andreas Stummer über ein überhitztes Land und eine hitzige Debatte.

    Dalrymple Bay an der Nordost-Küste Australiens: Stoßzeit am größten Rohstoff-Verladehafen des Landes. Unablässig schaufeln riesige Bagger Berge pechschwarzer Gesteinsbrocken auf gewaltige Förderbänder, die hinunter zum Pier laufen. Dort warten Frachter, so groß wie Fußballfelder, aufgereiht wie bei einer Flotten-Parade auf ihre kostbare Ladung: Auf Steinkohle, Australiens schwarzes Gold. Mehr als 65 Millionen Tonnen des fossilen Brennstoffs werden unter der Aufsicht von Hafen-Manager John McIntire in Dalrymple Bay jedes Jahr verladen. Bestimmt für die Hochöfen und Stahlkocher der Welt.

    McIntire: "Die Zukunft Australiens liegt hier oben, wo die Kohlefelder sind und nicht weiter im Süden in den Großstädten. Wir holen immer mehr Kohle aus dem Boden. Seit den 80er Jahren hat sich die Förderquote fast verdreifacht. Die Möglichkeiten sind enorm: Wir erwirtschaften Australiens Wohlstand."

    Kein Land der Welt führt mehr Steinkohle aus als Australien. Von den gut 300 Millionen Tonnen, die jährlich gefördert werden, sind 230 Millionen für den Export bestimmt. Hauptabnehmer sind Japan, China und das übrige Asien. Doch die Kohlegewinnung ist durch den Tagebaubetrieb so kostengünstig und die Gewinnspannen sind so groß, dass sich die Ausfuhr in 30 weitere Länder lohnt - bis nach Nord-Afrika, Südamerika und Europa. Die Nachfrage steigt und steigt. Mark O'Neil vom australischen Kohleverband rechnet in den kommenden fünf Jahren mit einer Wachstumsrate von mehr als 20 Prozent:

    "Kohle ist verlässlich. Sie ist einfach zu fördern, sicher zu transportieren und zu lagern. Selbst in 30, 40 Jahren wird australische Kohle überall auf der Welt zur Energiegewinnung verfeuert werden. Für mich gibt es daran überhaupt keinen Zweifel."

    Die australische Kohle-Industrie versetzt buchstäblich Berge. Was von den mehr als 100 Groß-Minen des Landes nicht ins Ausland geht, wird in Australien zur Energiegewinnung verbrannt: Täglich 250.000 Tonnen Kohle. Das sei "staatlich gebilligter Klima-Terrorismus", kritisieren Umweltschützer. Doch die konservative Regierung setzt weiter auf schmutzigen, aber billigen Kohlestrom.

    Premier John Howard denkt nicht daran, 30.000 Arbeitsplätze im Kohle-Bergbau mit der Förderung alternativer Energien aufs Spiel zu setzen:

    "Wir haben riesige Mengen fossiler Brennstoffe und wir werden sie auch weiter für den Großteil unserer Energiegewinnung verwenden. Wir müssen die Kohle-Kraftwerke nur sauberer machen, dann gibt es auch weniger Bedenken sie zu nutzen."

    Doch in Australien herrscht dicke Luft. Der Unmut gegen die Kohle-Branche, den größten Erzeuger umweltschädlicher Treibhausgase im Land, wächst.

    Früher rebellierten nur Anwohner, Weinbauern oder Tourismusbetriebe gegen neue Minen oder Kohle-Kraftwerke. Jetzt halten laut Umfragen 90 Prozent der Australier den Klimawandel für eine größere Bedrohung als Terrorismus. Seit weite Landstriche Australiens die schlimmste Dürre seit Jahrzehnten erleben, liegen - für Experten - die Zusammenhänge zwischen dem Verbrennen von Kohle und dem Klimawandel auf der Hand. Nur nicht für die Wissenschaftler der CSIRO, der staatlichen australischen Forschungsgesellschaft.

    Graeme Pearman ist Australiens - auch international - renommiertester Klimaforscher. Oder besser gesagt: Er war. Seit 1971 hat er sich in mehr als 150 wissenschaftlichen Studien mit den Auswirkungen von Treibhausgasen auf das Weltklima beschäftigt. Ende 2004 alarmierte er die Regierung in Canberra: Australien müsse den Ausstoß von Treibhausgasen bis ins Jahr 2050 drastisch um 60 Prozent reduzieren, das Kyoto-Protokoll unterzeichnen und Emissionshandel betreiben. Einen Monat später wird Graeme Pearman entlassen.

    Pearman: "Die Bevölkerung hat ein Recht darauf zu erfahren, was wir Wissenschaftler für nötig halten, um etwas gegen den Klimawandel zu unternehmen. Seit meinem Rauswurf aber haben meine Kollegen Angst, dass ihnen staatliche Gelder gestrichen werden, wenn sie etwas veröffentlichen, das nicht der Umweltpolitik der Regierung entspricht."

    Maulkörbe für skeptische Wissenschaftler, Kündigungen und Zensur bei der staatlichen Forschungsbehörde: Guy Pearse ist nicht überrascht. Als früherer Energieberater der Regierung Howard hat er selbst miterlebt wie Kritiker mundtot gemacht und Vertreter der Kohle-Industrie in Canberra hofiert wurden: Hauptsache Wirtschaftswachstum.

    "Die Kohle-Lobby hat direkten Zugang zur Regierung und beeinflusst die Umwelt- und Klimapolitik Australiens nach Belieben. Es ist mir ein Rätsel wie eine Industrie, in der nur zwei Prozent der Arbeiter dieses Landes beschäftigt sind, die Entscheidungen über den Ausstoß von Treibhausgasen diktieren kann."

    85 Prozent des australischen Energiebedarfs werden durch das Verbrennen von Kohle gedeckt, nur ganze zwei Prozent durch saubere Alternativen wie Wind-, Solar- und Wellenenergie. Die konservative Regierung und die boomende Rohstoff- Industrie wollen, dass das auch so bleibt. Die Grünen aber fordern: Australien solle sich binnen drei Jahren aus dem Kohlegeschäft verabschieden. Der Umwelt zuliebe. Denn sollten noch mehr Treibhausgase aus australischer Kohle die Erd-Atmosphäre verpesten, dann sehen Experten für das Weltklima in Zukunft schwarz.