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Kohlendioxid - das Treibhausgas

Das Molekül dieser Woche heißt Kohlendioxid. Noch geläufiger ist die Kurzform CO2. Von kaum einem anderen Molekül ist heute öfter die Rede, weil auch kein anderes Molekül eine so große Rolle bei der Erwärmung der Erdatmosphäre in den letzten Jahrzehnten spielt. Jedes Jahr entstehen Milliarden Tonnen Kohlendioxid bei der Verbrennung von Kohle, Erdöl und Erdgas. Doch was machen wir bloß damit?

Von Volker Mrasek | 01.06.2011
    "Wenn betankt wird, werden die glatten Rohre hier befüllt von minus 30 Grad kaltem CO2 in flüssiger Form."

    Das ist momentan Option Nr. 1. Kohlendioxid soll aus dem Abgas von Kraftwerken herausgefischt, verflüssigt und tief in der Erde versenkt werden. So wie im brandenburgischen Ort Ketzin. Dort wird die Deponierung unter Tage erprobt.

    Doch es gibt auch Ideen, das Treibhausgas anderweitig zu nutzen.

    Der Klimawandel hat auch der angewandten Forschung über Kohlendioxid einen kräftigen Schub gegeben. Chemiker suchen nach Wegen, um das Gas verstärkt als Rohstoff zu nutzen. Bei der Synthese von Harnstoff und Aspirin zum Beispiel wird technisches CO2 schon länger eingesetzt. Doch denkbar ist noch vieles andere:

    "Es gibt Prozesse, die jetzt an der Schwelle zum Machbaren stehen. Und Dinge, die noch langfristige Grundlagenforschung notwendig machen."

    Das Ganze sei eine große Herausforderung, sagt Walter Leitner, Professor für Technische Chemie an der RWTH Aachen. CO2 sei nun mal

    "das energetische Endprodukt der Nutzung des Kohlenstoffs, das heißt, es sind nur bestimmte Reaktionen und stoffliche Umsetzungen überhaupt möglich."

    Man kann CO2 zum Beispiel in Polymere einbauen, in Kunststoffe. Das gelingt, wenn man es unter anderem mit energiereichen Epoxiden reagieren lässt. Dann erhält man Bausteine für die Herstellung von Polyurethan.

    "Typische Anwendungen sind Matratzen, Autositze, Dämmmaterialien für Häuser - also ein relativ großer Markt, der da dahintersteckt."

    Die Firma Bayer hat kürzlich eine Pilotanlage für PU-Schäume mit CO2 in Betrieb gekommen, und es scheint so,

    "dass tatsächlich ein Prozess dabei resultiert, der kostengünstiger und energieeffizienter sein kann als der aktuelle Herstellungsprozess."

    Chemiker wie Walter Leitner träumen aber noch von weiteren Reaktionen mit CO2 als Ausgangsstoff und sprechen von "dream reactions". Bis dafür geeignete Prozesskatalysatoren entwickelt sind, ist noch viel Grundlagenforschung nötig:

    "Traumreaktionen wären die direkte Einschiebung eines CO2-Moleküls in eine Kohlenstoff-Wasserstoff-Bindung. Auf diese Weise könnte man rein formal aus Ethylen Acrylsäure machen, einen anderen wichtigen Polymerbaustein. Man könnte aus Benzol Benzoesäure machen, eine Grundchemikalie. Also, da gibt es 'ne ganze Fülle von faszinierenden Stoffumwandlungen."

    Doch dürfen wir uns nicht täuschen! Wie groß die stoffliche Nutzung von Kohlendioxid am Ende auch immer sein mag - den Klimawandel wird sie allein nicht aufhalten:

    "Eine ganz einfache Zahl macht das deutlich. Von dem Erdöl, das heute gefördert wird, werden nur etwa fünf bis sieben Prozent für die Chemie genutzt und über 90 Prozent im Energiesektor."

    Dennoch hat die Traumchemie mit CO2 für die Industrie ihren Reiz. Wenn sie in Zukunft größere Bedeutung erlangt, könnte Kohlendioxid andere - knappe - Rohstoffe ersetzen.

    Links zum Thema

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    Deutschlandfunk-Reihe zum UN-Jahr der Chemie 2011