Matthew Kanan hat eine Vision. Der Chemiker von der Stanford University in Kalifornien teilt sie mit vielen Forschern. Sie würde den Klimaschutz voranbringen wie auch den Umstieg von fossilen Energieträgern auf Solar- und Windkraft erleichtern:
"Mit Solarzellen oder Windturbinen erzeugt man regenerativen Strom. Damit betreibt man dann einen elektrochemischen Prozess, bei dem Kohlendioxid als Ausgangssubstanz genutzt wird. Und heraus kommt am Ende ein Flüssigkraftstoff."
Man hätte so eine Verwendung für das Treibhausgas CO2. Und zudem die Möglichkeit, Solar- und Windstrom zu speichern, wenn er in üppigen Mengen anfällt - nämlich in Form der Kraftstoffe. In Spitzenzeiten flösse der regenerative Strom dann in die Elektrolyse von CO2. Und die Überschuss-Energie praktisch in den dabei produzierten Kraftstoff. Dieser Vision ist Matthew Kanan jetzt einen Schritt näher gekommen. Seine Arbeitsgruppe in Stanford verfügt neuerdings über einen Katalysator, nach dem Chemiker bisher vergeblich suchten ...
"Es ist schon heute möglich, CO2 elektrochemisch in Kohlenmonoxid umzuwandeln. Aber das ist nur der erste Schritt. Man muss Kohlenmonoxid weiter reduzieren, um daraus Kraftstoffe auf Kohlenwasserstoff-Basis zu machen. Wir haben jetzt einen Katalysator gefunden, der das schafft: Aus Kohlenmonoxid und Wasser produziert er im nächsten Elektrolyse-Schritt Ethanol."
Prozessausbeute von knapp 60 Prozent
Ethanol - das ist herkömmlicher Alkohol. Und inzwischen die übliche Beimischung in E10-Kraftstoff für Benzinmotoren. In Schweden fährt man sogar E85, einen Sprit, der überwiegend Ethanol enthält. Aus Holzabfällen. Der neue Katalysator besteht aus Nanometer kleinen Kupfer-Kristallen. Die US-Forscher erzeugten sie nicht, indem sie das Metall aufdampften wie sonst üblich. Stattdessen gewannen sie die Nanokristalle aus festem Kupferoxid, das sie chemisch reduzierten. So entstand ein Katalysator, der bei der Elektrolyse lieber Kohlenmonoxid umsetzt als das reichlich vorhandene Wasser. Und ohne daß große Spannungen angelegt werden müssen. Als Haupt-Endprodukt der Reaktion entstand Ethanol. Mit einer Prozessausbeute von knapp 60 Prozent, wie Matthew Kanan sagt:
"Wir hoffen, daß wir den Katalysator mit einigen technischen Kniffen weiter optimieren können und dann auf knapp 100 Prozent kommen - was aber noch zu zeigen wäre."
Vielversprechende Ergebnisse
Im Moment ist noch nicht einmal ganz sicher, warum die aus festem Kupfer-Oxid gewonnenen Nanokristalle so gut funktionieren. Und andere wie die aufgedampften nicht. Wahrscheinlich liegt es daran, daß die Kupfer-Kristallschichten der Kalifornier viele "Korngrenzen" aufweisen. Das sind Störungen im Kristallverbund, die sich bis an die Oberfläche bemerkbar machen und deren Struktur verändern. Das sorgt für die ungewöhnlichen katalytischen Fähigkeiten des Materials, wie die Chemiker vermuten, aber auch noch genauer untersuchen wollen. Ihre Versuche liefen zwar bisher nur im Labor. Die Ergebnisse sind für Matthew Kanan aber so vielversprechend, daß er schon die nächsten Entwicklungsschritte im Auge hat:
"Wir werden alles tun, um das Verfahren so schnell wie möglich bis zur Praxisreife zu bringen. Wie lange das dauert, läßt sich aber heute noch nicht seriös sagen. Jedenfalls ist das eine Möglichkeit, Kohlendioxid aus dem Rauchgas von Kraftwerken zu nutzen und in wertvolle Produkte zu verwandeln - statt es zum Beispiel einfach nur unter Tage zu pumpen."
Aaron Appel ist Experte für Umsetzungen mit CO2 am Pacific North West Laboratory des US-Energieministeriums. Der Chemiker gratuliert seinen kalifornischen Fachkollegen zum jüngsten Forschungserfolg:
"Kupfer-Katalysatoren sind nichts grundsätzlich Neues. Aber jetzt bekommen sie neue Facetten. Das ist ein großer Fortschritt! Und ich würde gerne in Zukunft noch mehr von dieser Forschergruppe hören."