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Kolbus-Maschinen
Schöne Verpackungen für Luxusgüter und Bücher

Das westfälische Unternehmen Kolbus produziert seit 115 Jahren Maschinen für Buchbinder und ist darin Weltmarktführer. Als das Geschäft Anfang der 2000er ins Straucheln kam, nahm das Unternehmen einen zweiten Produktionszweig hinzu: Maschinen, die Verpackungen für Luxusgüter herstellen.

Von Michael Borgers |
    Ein Buch fächerartig aufgeschlagen
    Jedes dritte gebundene Buch weltweit wird mit Maschinen von Kolbus hergestellt, sagt der Hersteller. (imago/Mint Images)
    Weiß-blau lackierte Maschinen, soweit das Auge reicht. Einige sind in Betrieb, hier im Ausstellungsraum bei Kolbus. Andere schweigen, so wie die BF 530. Sie ist eine sehr komplexe Maschine, eine, die man nicht eben mal für den Besuch anwirft. Für Geschäftsführer Kai Büntemeyer ist es die faszinierendste im Sortiment seiner Firma:
    "Diese Buchstraße hat die Aufgabe, einen vorgefertigten Buchblock zu behandeln, weiter zu verarbeiten, und für das Einhängen in die Buchdecke vorzubereiten."
    Weniger als eine Sekunde benötigt die BF 530 dafür.
    "Und dann sieht's so aus, wie sie es hier sehen: schön im Rücken rund, ausgeprägte Falze zwischen Rückenrundung und Buchblock. Und die schönen Textilbänder, die das Buch schützen sollen, damit es auch jahrelang hält."
    115 Jahre Unternehmenstradition
    Vor 115 Jahren benötigte es für diese Arbeit der BF 530 eine ganze Werkstatt voller Maschinen. Damals, 1900, entwickelte August Kolbus die Buchrunde- und Abpressmaschine "Rupert". Sie steht noch heute im Eingangsbereich und erinnert an die Geschichte des Unternehmens: die der ständigen Weiterentwicklung hin zum Weltmarktführer und des wirtschaftlichen Wachstums. Kurz: An eine Erfolgsgeschichte, die ausschließlich im Zeichen des Buches geschrieben wurde - bisher.
    "Hier haben wir eine von unseren Neuentwicklungen, die vor zwei Jahren auf den Markt gekommen ist, und mittlerweile auch über 20 Mal ausgeliefert worden ist rund um den Globus."
    Bernd Kahmeyer deutet auf einen Computerbildschirm, auf einen von mehr als 120 in einem riesigen, aber dafür erstaunlich stillen Büro. Hier wird die technische Entwicklung bei Kolbus vorangetrieben. Kahmeyer leitet die Abteilung. Der grüne Umriss auf schwarzem Hintergrund der CAD-Zeichnung, die auf dem Bildschirm zu sehen ist, unterscheidet sich äußerlich nicht von dem der Maschinen aus dem Ausstellungsraum nebenan. Nur hilft diese Maschine nicht bei der Produktion von Büchern, sondern der von Verpackungen. Von Luxusverpackungen, wie der Diplom-Ingenieur betont:
    "Und zwar geht es darum, dass, wenn man die Pappe dann faltet, zum Beispiel um 90 Grad, eine sehr, sehr scharfe 90-Grad-Ecke bekommt. Das macht die Luxusverpackung erst richtig aus."
    Anstoß zu Luxusverpackungen gab Kunde
    Auf die Idee mit den Luxusverpackungen bekam Kolbus nicht selbst. Ein Kunde hatte begonnen, eine Buchbindemaschine entsprechend umzunutzen - und Kahmeyer und sein Team daraufhin, eigene Ansätze zu entwickeln:
    "Wenn wir rausfahren zu unseren Kunden, sind wir oftmals sehr überrascht, was unsere Kunden mit unseren Maschinen alles machen können. Und das fließt dann wieder bei uns mit ein."
    Aber Parfüms, Uhren oder Alkohol verpacken statt Goethe, Kleist und Schiller? Bernd Kahmeyer sieht das pragmatisch:
    "Wir müssen ein bisschen nach links und rechts schauen."
    Denn das Geschäft mit dem gedruckten Buch lief eine Weile gar nicht mehr gut: Ende der 2000er-Jahre schrieb Kolbus Verluste, musste mehr als jeden zehnten seiner rund 1.300 Mitarbeiter entlassen. Inzwischen läuft es wieder besser. Und Geschäftsführer Kai Büntemeyer hofft für die Zukunft zusätzlich auf die Luxusverpackungen. Einen Widerspruch zu dem bisherigen Kerngeschäft seines Hauses sieht auch er nicht und verweist stattdessen auf den französischen Traditionsverlag Gallimard, der Autoren wie Camus, Sartre und Proust in seinem Programm führt:
    "Gallimard, vielleicht der Verlag mit dem höchsten intellektuellen Anspruch an das Buch, das er verlegt, der befindet sich im Besitz der Gruppe Louis Vuitton Moët Hennessy, also eines Luxusartikelherstellers. Da scheint also etwas zusammenzuwachsen."
    Bildung und die Freude an Büchern wie auch der Erwerb hochwertiger Konsumartikel gehörten möglicherweise zukünftig zu einem gehobenen Lebensstil dazu, mutmaßt der gelernte Maschinenbauer.
    150 Azubis in der Firma
    Lukas Budde ist einer von aktuell rund 150 Auszubildenden. Er ist im dritten Lehrjahr, in die Ausbildungswerkstatt kommt er nur noch, wenn er Besuch herumführt:
    "Wir als Industriekaufleute haben dann auch während unserer Ausbildung einen Monat, den wir dann hier verbringen, wo wir dann auch ein bisschen an die einzelnen Maschinen herangeführt werden."
    Für den Technikinteressierten war Kolbus die logische Wahl. Und für das Unternehmen in der ländlichen Region ist die Ausbildung überlebenswichtig, trotzt so erfolgreich einem Mangel an Fachkräften. Lukas Budde will nach seiner Lehre erst mal studieren:
    "Und ja, hoffentlich dann auch später wieder bei Kolbus anfangen."
    Ausbildung, Studium und Rückkehr nach Rahden – genauso hat es auch Geschäftsführer Kai Büntemeyer gemacht. Bei der Entwicklung legt der studierte Maschinenbauer selbst schon lange nicht mehr Hand an. Er muss dafür sorgen, dass sich Bewährtes wie die Buchfertigungsstraße BF 530 verkauft und sich für Neues ein Markt öffnet:
    "Nachdem wir jahrzehntelang immer großer Aussteller auf Drucktechnik- oder Papiertechnikmessen gewesen sind, müssen wir uns auf einmal in ganz neuem Umfeld präsentieren. Und das ist natürlich hochinteressant, plötzlich auf Messen zu stehen, wo uns niemand kennt und wo wir mit ganz neuen Fragestellungen konfrontiert werden."
    Aber egal, ob Luxusverpackungen oder geschriebenes Wort - am Ende komme es ja doch nur auf den Inhalt an.